Italien steht am Abgrund. Aber es ist gar nicht so leicht zu sagen, ob das Land am vergangenen Wochenende einen Schritt voran oder aber einen zurück getan hat. In jedem Fall wäre es verfehlt, aufzuatmen oder gar darüber zu jubeln, dass die Anti-Establishment-Koalition aus 5-Sterne-Bewegung und Lega an der Regierungsbildung gescheitert ist. Deren Angriff auf die derzeitige Verfassung der Eurozone ist abgewehrt, doch Italien stürzt in eine Staatskrise.
Staatspräsident Sergio Mattarella hat es abgelehnt, den 81-jährigen Ökonomen und Unternehmer Paolo Savona als Finanzminister zu vereidigen, weil dessen in der Vergangenheit publizierte Gedankenspiele zum Euro-Austritt Zweifel hätten aufkommen lassen, ob Italien in der Gemeinschaftswährung bleiben will. Das hätte Investoren beunruhigt und die Märkte verunsichert, sagte Mattarella. Also kam Savona nicht in Frage. Dass vor allem Lega-Chef Salvini auf Savona bestanden habe, sei ein Angriff auf das in der Verfassung festgehaltene Recht des Staatspräsidenten gewesen, Minister zu ernennen.
Aber haben 5-Sterne-Bewegung und Lega nicht Recht, wenn sie nun aufschreien: Wir sind vom Volk gewählt und lassen uns nicht von „den Märkten“, von der EU oder von Deutschland sagen, wen wir zum Minister machen? Es gibt bereits Aufrufe zu einem Amtserhebungsverfahren gegen Mattarella, weil er den Wählerwillen missachte und sich zum Büttel der EU mache. Der Eindruck, der Souverän könne wählen, was er wolle, am Ende komme doch das Gleiche heraus, ist jedenfalls demokratiepolitisch fatal.
Er wird dadurch noch verstärkt, dass Mattarella wenige Stunden nach der Absage an Lega und 5-Sterne-Bewegung schon einen neuen Premierminister, jetzt für eine „technische“ Regierung, aus dem Hut gezogen hat: Carlo Cottarella, ein ehemaliger IWF-Ökonom, wirtschaftspolitisch bisher ganz auf Sparkurs-Linie. Dabei ist eher ungewiss, ob sich für ihn eine Mehrheit im Parlament finden würde.
Es mag sein, dass Lega-Chef Matteo Salvini es auf die Konfrontation mit Mattarella angelegt hat, um sich für die nächste Neuwahl und den Griff nach der absoluten Mehrheit zu rüsten. In der Tat droht jetzt, dass Mattarellas Absage sich in einen Boomerang verwandelt und jene Kräfte stärkt, die er schwächen wollte.
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