Bundesbeauftragte für Anti-Diskriminierung: Aber Ferda Ataman hat das K-Wort benutzt!

Meinung Die Debatte über die Nominierung von Ferda Ataman zur Bundesbeauftragten für Anti-Diskriminierung läuft schief. Geht es eigentlich darum, dass Ataman manchen Medien den Spiegel vorgehalten hat und man es ihr jetzt endlich heimzahlen kann?
Ferda Ataman nennt die „Kartoffeln“ und ihre Probleme beim Namen
Ferda Ataman nennt die „Kartoffeln“ und ihre Probleme beim Namen

Foto: John MacDougall/AFP via Getty Images

Ferda Ataman ist eine Journalistin und Autorin, die für die deutsche Medienkritik einen wichtigen Beitrag geleistet hat. Immer wieder hat sie in Kolumnen oder Radiobeiträgen die Berichterstattung deutscher Medien aufs Korn genommen und aufgezeigt, wie darin bewusst und unbewusst rassistische Stereotype verwendet werden. Wie faktenfrei manche Artikel über „arabische Clans“ oder „kriminelle Ausländer“ schreiben, wie sehr die Berichterstattung über manche gesellschaftliche Gruppen von Ressentiments geleitet ist.

Es ist deshalb von besonderer Ironie, dass die meisten Artikel über die Nominierung von Ferda Ataman zur Bundesbeauftragten für Antidiskriminierung genauso daher kommen: faktenfrei und aus Ressentiment gespeist. Nun wird sich zeigen, ob diese Kampagne von Erfolg gekrönt ist, wenn die Ampelkoalition darüber abstimmen wird, ob Ataman den Job als Bundesbeauftragte tatsächlich bekommen darf.

Man könnte das Ganze auch so ausdrücken: Ataman hat einigen Medien den Spiegel vorgehalten, jetzt hat man endlich die Gelegenheit, es ihr heimzuzahlen.

Jetzt war zu lesen, vorzugsweise in der Bild, der Welt und dem Fokus, aber auch anderswo: Ataman habe Deutsche als „Kartoffeln“ beleidigt, sie behaupte, Deutsche seien von Natur aus Rassisten. Sie leugne, dass auch Angehörige von Minderheiten rassistisch sein könnten und verharmlose Islamismus, Ehrenmorde, Clankriminalität und Antisemitismus unter Muslimen.

Behauptet wird viel über Ferda Ataman

Nichts davon trifft zu. Aber behaupten kann man es ja doch erst mal, oder? Stephan Anpalagan hat sich die Mühe gemacht, die oben genannten Vorwürfe anhand einer Lektüre von Atamans Kolumnen und Artikeln einzeln zu widerlegen. Man hätte einfach nur mal ihre Beiträge lesen müssen. Was aber leider zur Folge gehabt hätte, dass die Autorinnen und Autoren sich damit ihre faktenfreien und ressentimentgeladenen Beiträge kaputtrecherchierten. Wie sollten sie aber dann all die schönen Klicks einfangen?

Vielleicht geht es in der Debatte am Ende weniger um die Person Ferda Ataman als um eine grundsätzliche Frage: Will die deutsche Öffentlichkeit eine Bundesbeauftragte, deren Thema die Diskriminierung von Minderheiten ist? Oder lieber eine, die sich mit der Diskriminierung durch Minderheiten beschäftigt?

Offensichtlich ist diese Art der Schuldumkehr schon so weit vorangeschritten, dass sie uns gar nicht mehr auffällt. Sie spielt jedenfalls einer Dynamik der medialen Öffentlichkeit in die Hände, die sich hier exemplarisch zeigt. Bürger mit Migrationshintergrund, die ihre strukturelle Benachteiligung in einer Gesellschaft kritisieren, in der sie eine Minderheit darstellen, sind keine News, man kennt das Lied, man will es nicht mehr hören. Schon interessanter sind da Texte, die sich über die Rückständigkeit und Problembehaftetheit mancher Vertreter ebenjener Minderheiten selber auslassen. Am besten von Menschen mit Migrationshintergrund selber geschrieben, die wissen doch am besten, wovon sie reden, oder? Das hat zwar mit den tatsächlichen Machtverhältnissen in der Gesellschaft, mit strukturellen Benachteiligungen nicht mehr viel zu tun: Ahmad Mansour etwa beschreibt gewiss manch schiefen Baum, vom Wald aber hat er nichts zu berichten. Am Ende landet man dann bei einer Berichterstattung, in der etwaige Probleme mit der Integration vor allem daher rühren, dass „sie“ eben noch nicht so sind wie „wir“.

Man hat es Ataman nicht verziehen, dass sie den Finger in eben diese Wunde gelegt hat.

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Geschrieben von

Pepe Egger

Ressortleiter „Wirtschaft“ und „Grünes Wissen“

Pepe Egger ist Redakteur für Wirtschaft, Grünes Wissen und Politik. Er hat in Wien, Paris, Damaskus und London studiert und sechs Jahre im Herzen des britischen Kapitalismus, der City of London, gearbeitet. Seit 2011 ist er Journalist und Reporter. Seine Reportagen, Lesestücke und Interviews sind in verschiedenen Zeitungen und Zeitschriften erschienen. 2017 und 2019 wurden seine Reportagen für den Henri-Nannen- bzw. Egon-Erwin-Kisch-Preis nominiert. 2017 wurde Pepe Egger mit dem 3. Platz beim Felix-Rexhausen-Preis ausgezeichnet. Seit 2017 arbeitet er als Redakteur beim Freitag.

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