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Es war einmal ein Riese, der hieß Amazon. Eines Tages wollte Amazon sich eine zweite Firmenzentrale bauen, also beschloss er, die schönsten und größten und dereguliertesten Städte einzuladen, damit er sich für eine entscheide. Weil Amazon aber mit dem Versprechen von 50.000 Arbeitsplätzen und milliardenschweren Investitionen herumwedelte, wurde aus dem Auswahlverfahren sehr bald eine Kuppelshow wie beim Bachelor im Privatfernsehen: Mehr als 200 Städte in den USA und Kanada bewarben sich, überboten sich mit Steuererleichterungen und wälzten sich mit Sonderkonditionen vor dem Internetriesen im Sand. Amazon erkor sich 20 Bewerberinnen für die engere Wahl – und überlegt seitdem, für wen er sich entscheiden soll.
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Indes hat ein anderes, uraltes Märchen in Großbritannien zum x-ten Mal ein böses Ende genommen: die Fabel vom Outsourcing und der Kostenersparnis durch Öffentlich-Private Partnerschaften. Nach der Pleite von Carillion, der zweitgrößten Baufirma des Landes, stellte sich heraus, dass das Unternehmen weniger baut als vielmehr Dienstleistungen an den Staat verkauft: Carillion betreibt Gefängnisse, putzt Krankenhäuser und schöpft in Grundschulen Suppe aus. Und obwohl die Tory-Regierung den Konzern am Leben zu halten versuchte, indem sie der maroden Firma milliardenschwere Aufträge nachwarf, blieb am Ende doch wieder alles am Staat hängen: Um die Ausgabe des Schulessens kümmerte sich die Feuerwehr.
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Dass Bitcoins nicht das Gelbe vom Ei sind, auch wenn sie sich vermehren wie eine Salmonellenkolonie in der Julisonne, hätte man spätestens dann merken können, als E-Mails mit todsicheren Bitcoin-Anlagen jene zu Penisverlängerungs-Offerten aus den Spam-Filtern verdrängten. Jüngst mehrten sich Hinweise, dass Nordkorea sich sehr für die Kryptowährung interessierte. Und es ist sogar wahrscheinlich, so spekuliert ein Blogger der Financial Times, dass der jüngste Krach, bei dem sich der Bitcoin-Kurs in nur einer Woche fast halbierte, in Wahrheit bloß eine Art informeller Sanktionsmaßnahme gegen das Regime von Kim Jong-un war, die von China und Südkorea ausging.
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Dass Sozialismus, nicht nur jener nordkoreanischer Prägung, schlecht fürs Renommee ist, musste jetzt Chile erfahren. Im „Ease of Doing Business Report“, einer Rangliste der Weltbank, die Länder nach ihrer Unternehmensfreundlichkeit listet, war Chile immer dann abgeschmiert, als dort mit Michelle Bachelet eine Sozialistin an der Macht war, obwohl sich sonst gar nichts geändert hatte. Der Chef-Ökonom der Weltbank gab zu, da hätten wohl politische Präferenzen eine Rolle gespielt, nur um später alles abzustreiten: Chiles Deklassierung habe lediglich an geänderten Bewertungskriterien gelegen.
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Nicht viel subtiler ist das Vorgehen des Finanzministeriums gegenüber der globalisierungskritischen NGO Attac. Attac war 2014 vom Finanzamt Frankfurt die Gemeinnützigkeit aberkannt worden, mit der Begründung, die Organisation sei „zu politisch“. Und obwohl 2016 ein Gericht die offensichtlich verquere Entscheidung kippte, ließ das Finanzministerium nicht locker, wies erst Hessens Finanzamt an, Revision dagegen einzulegen, dann Beschwerde gegen die Ablehnung der Revision. Im Ernst, Herr Altmaier? Andererseits: dass die Politik das Politische als nicht gemeinnützig einstuft, ist vielleicht die beste Werbung dafür, dass es Leute wie jene bei Attac umso nötiger braucht.
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