Fünf Dinge, die anders besser wären

Status quo Audi-Erpresser, wie zäumt man eigentlich einen PKW richtig auf? Nahles bricht aus, Uber bricht ein und deutsche Firmen in Ungarn haben mit Orbán gar kein Problem
Ausgabe 43/2018

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Es ist ein offenes Geheimnis, dass Kindererziehung in unseren Breitengraden seit der Abschaffung der Prügelstrafe im Wesentlichen nach dem Schema „Wenn du nicht X, dann kriegst du kein Eis“ abläuft. Auch ich habe diese Methode lange Zeit mit Erfolg eingesetzt. Bis zu dem Moment, als mein Sohn, er ist vier, feststellte: „Das ist Erpressung, Papa“, und so das bewährte Druckmittel von der Metaebene aus zerschoss. Daran musste ich denken, als VW-Chef Herbert Diess vor den Plänen des EU-Parlaments warnte, den durchschnittlichen CO₂-Ausstoß von Neuwagen bis 2030 um 40 Prozent gegenüber 2021 zu verringern. Diess klagte, da müsste ja „schon 2030“ die Hälfte der Fahrzeuge rein elektrisch fahren. Und: Das koste 100.000 Arbeitsplätze. Bis 2030! Wenn Sie mir Ort und Zeit nennen, Herr Diess, kann ich meinen Sohn einfliegen, er würde Ihnen dann erklären, wie man das nennt.

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Doch leider ist diese Art, den Pkw von hinten aufzuzäumen, in Bezug auf die Automobilindustrie mittlerweile Standard. Angela Merkel, so meldete die Süddeutsche Zeitung, wolle „Diesel-Fahrverbote per Gesetz erschweren“. Tatsächlich? Warum nicht gleich Stickstoffdioxidmessungen abschaffen? Luftwert- und Feinstaubkontrollen verbieten? Damit wäre das Problem gelöst. Und auch die Autos führen endlich wieder sauber.

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Viel zu wenig gewürdigt wurde in den letzten Tagen die epochale Ankündigung von SPD-Chefin Andrea Nahles, ihre Partei werde Abschied nehmen von der Agenda 2010 und sich endlich „aus dem gedanklichen Gefängnis der Agendapolitik ... befreien“. Vielleicht liegt das daran, dass Nahles aus einem Knast auszubrechen plant, in dem sie sich selbst eingebuchtet hat? Man erinnere sich: 2009, da war Nahles noch auf freiem Fuß, bezeichnete sie die Agenda richtig als „Hauptursache der anhaltenden SPD-Misere“. Dann aber war Einschluss: 2013 konnte man lesen: „Nahles: Die Agenda 2010 hat Deutschland vorangebracht“, und 2015: „Gabriel und Nahles loben Reformen der Agenda 2010“. Vielleicht sollten wir deshalb vorsichtigerweise sagen: Nahles ist erst mal nur Freigängerin. Bis sie ihr Gegenkonzept zur Agenda 2010, das Projekt „Sozialstaat 2025“, vorlegt, angepeilt ist Ende 2019. So lange gilt: Bitte melden Sie sich bei der Bewährungshilfe. Zweiwöchentlich wäre gut.

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Eigentlich ist es ja eine feine Sache: Nach dem Kettensägenmassaker im saudischen Konsulat in Istanbul gehen immer mehr Firmen und Investoren auf Distanz zum saudischen Königshaus. Bei einigen großen Internet-Unternehmen führt das allerdings dazu, dass sie auf Distanz zu sich selbst gehen müssen. Wie sich herausstellt, hält der Public Investment Fund, der saudische Staatsfonds, Anteile an Uber im Wert von 3,4 Milliarden Dollar, bei Tesla sind es 2 Milliarden. Das fühlt sich jetzt sicher irgendwie unangenehm an. Andrerseits: Es ist ja nicht so, dass man nicht schon vorher hätte wissen können, wie das Königshaus in Saudi-Arabien mit Kritikern und Oppositionellen umspringt.

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Aber wozu in die Ferne schweifen, wo wir doch auch vor unserer eigenen Tür kehren können, was den Umgang mit autoritären Machthabern angeht. Deutsche Firmen, etwa Audi und Daimler, die in Ungarn produzieren lassen, so berichtet der Spiegel, kommen anscheinend auch mit dem dortigen Premier Orbán bestens zurecht. Dass die Rechtsstaatlichkeit leidet, was soll’s! Erst noch zahlt es sich aus.

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Geschrieben von

Pepe Egger

Ressortleiter „Wirtschaft“ und „Grünes Wissen“

Pepe Egger ist Redakteur für Wirtschaft, Grünes Wissen und Politik. Er hat in Wien, Paris, Damaskus und London studiert und sechs Jahre im Herzen des britischen Kapitalismus, der City of London, gearbeitet. Seit 2011 ist er Journalist und Reporter. Seine Reportagen, Lesestücke und Interviews sind in verschiedenen Zeitungen und Zeitschriften erschienen. 2017 und 2019 wurden seine Reportagen für den Henri-Nannen- bzw. Egon-Erwin-Kisch-Preis nominiert. 2017 wurde Pepe Egger mit dem 3. Platz beim Felix-Rexhausen-Preis ausgezeichnet. Seit 2017 arbeitet er als Redakteur beim Freitag.

Pepe Egger

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