Große Aufregung

Debatte Abschottung, Rückführungen und Militarisierung der Grenzen – den UN-Migrationspakt kann man durchaus kritisieren. Aber von links
Ausgabe 48/2018
Flucht wird weltweit immer gefährlicher. Daran ändert auch der UN-Migrationspakt nichts. Im Gegenteil
Flucht wird weltweit immer gefährlicher. Daran ändert auch der UN-Migrationspakt nichts. Im Gegenteil

Foto: Pedro Pardo/AFP

Drei Fragen vorneweg: Warum haben alle eigentlich immer so Puls, wenn sie über den „Globalen Pakt für sichere, geordnete und reguläre Migration“, kurz UN-Migrationspakt, reden? Ich selbst schließe mich da ausdrücklich ein. Zweitens: Warum sind die einen dafür, die anderen dagegen, obwohl keiner das Ding gelesen hat? Auch zu dieser Gruppe durfte ich mich bis gestern zählen. Drittens: Wie kommt jemand auf die Idee, dass ein „UN-Pakt“ nach Mehrheitsbeschluss qua Fingerschnippen Wirklichkeit wird? Wenn dem so wäre: Kann bitte jemand postwendend der „UN-Konvention zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau“ Bescheid geben, die 1981 in Kraft getreten ist?

Nun zwei Handreichungen gegen überhöhten Puls, die erste davon geht an die AfD: Die Leute, von denen Sie sich seit 2015 überrannt fühlen, jene Leute also, die seit 2015 durch den Vorgarten des Welt-Herausgebers Stefan Aust völkerwandern, sind Flüchtlinge. Sie haben mit einem UN-Migrationspakt per Definition nichts zu tun, und er nichts mit ihnen. Die Migrantinnen und Migranten, um die es hier geht, das wären: die ukrainische Krankenpflegerin, die Ihre Oma betreut. Die 600.000 EU-Bürger, die jedes Jahr nach Deutschland kommen (darunter der Autor dieser Zeilen). Die 3,4 Millionen Deutschen, die Deutschland verlassen haben, allesamt Migranten übrigens, bis auf jene, die vor 1945 fliehen mussten.

Die zweite Handreichung gilt mir selbst: Erinnere dich daran, dass etwas nicht allein dadurch unterstützenswert wird, dass Donald Trump, die AfD oder die scharf rechten Regierungen Österreichs, Israels oder Ungarns es ablehnen. Selbst wenn Sahra Wagenknecht dem UN-Pakt ankreidet, er wolle die Ursachen für Migration nicht beseitigen, obwohl genau das dort als zweites von 23 Zielen benannt und auf anderthalb Seiten beschrieben wird, ist das nicht – Pawlow lässt grüßen – Grund genug, ihn deshalb toll zu finden.

Ich glaube, ich weiß jetzt, woher mein Puls rührt: Weil wir so etwas wie den UN-Migrationspakt noch bis vor wenigen Jahren kritisiert hätten. Aber von links. Wir hätten die Abschottungspolitik angeprangert, die Militarisierung der Grenzen, die erzwungenen Rückführungen und die Abschiebungen. Wir hätten Allianzen gebildet, nicht die einen gegen die anderen ausgespielt.

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Geschrieben von

Pepe Egger

Ressortleiter „Wirtschaft“ und „Grünes Wissen“

Pepe Egger ist Redakteur für Wirtschaft, Grünes Wissen und Politik. Er hat in Wien, Paris, Damaskus und London studiert und sechs Jahre im Herzen des britischen Kapitalismus, der City of London, gearbeitet. Seit 2011 ist er Journalist und Reporter. Seine Reportagen, Lesestücke und Interviews sind in verschiedenen Zeitungen und Zeitschriften erschienen. 2017 und 2019 wurden seine Reportagen für den Henri-Nannen- bzw. Egon-Erwin-Kisch-Preis nominiert. 2017 wurde Pepe Egger mit dem 3. Platz beim Felix-Rexhausen-Preis ausgezeichnet. Seit 2017 arbeitet er als Redakteur beim Freitag.

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