Ist Nass wischen der neue Sex?

Haushalt Die Aufteilung der Haushaltsarbeit bei Paaren birgt Konfliktpotential, las man kürzlich im „Freitag“. Ach ja?
Ausgabe 05/2020
Mopping am Arbeitsplatz soll schon so manches kollegiales Verhältnis verbessert haben
Mopping am Arbeitsplatz soll schon so manches kollegiales Verhältnis verbessert haben

Foto: Powell/Express/Getty Images

Heute habe ich den Abwasch gemacht und die Wohnung gesaugt. Ja, auch unter den Betten! Und auf den Schränken obendrauf. Dann habe ich die Wäsche aufgehängt und gekocht. Genügt das, um in die große Haus- und Care-Arbeits-Debatte reinzugrätschen? Als Mann?

Letztens (der Freitag 3/20) war im Freitag zu lesen, dass immer mehr Paare sich die Haus- und Sorgearbeit zu gleichen Teilen aufteilen. Theoretisch zumindest. Und wie das praktisch dann doch so oft nicht funktioniert. Weil die „emotionale Distanz“ der Männer zur Hausarbeit ein Machtgefälle entstehen lasse, „dem sich die Frauen nur durch ein Verlernen der eigenen Emotionalität anpassen“ könnten.

Da regt sich bei mir Widerspruch: Denn die Standards, an welche die einen hier emotional gebunden und von denen die anderen emotional distanziert sind, die sind ja nicht gottgegeben, sondern Ergebnis von Prägung. Von Erfahrung. Was heißt: Sie können verhandelt werden. Als schlagendes Argument möchte ich eine Freundin bemühen, bei der über dem (manchmal etwas verkrusteten) Herd ein Schild hängt, mit der schönen Zeile: „Eine saubere Küche ist ein Zeichen für ein verschwendetes Leben“. Theoretisch kann ich damit sehr viel anfangen: Wäre das nicht befreiend, sich davon frei zu machen, von dem Perfektionismus der glänzenden Arbeitsplatte? Vom Unvermögen, Dinge aufzuschieben, zu übersehen, zu ignorieren?

Mein Vorschlag ist nicht, dass meine eigenen Standards die absolute Richtschnur bilden, die sind wahrscheinlich nicht mehrheitsfähig. Aber ein bisschen mehr Hygiene-Boheme wäre schon drin.

Dachte ich. Dann las ich einen Artikel über ein Paar in der Krise: Nach dem ersten Kind war irgendwie die Luft raus, aus der Beziehung: Man stritt sich, lebte sich auseinander, hatte nicht die Kraft, inmitten all der anderen Dinge, die es zu tun gab, das Begehren aufeinander zu pflegen. Eine Therapeutin riet zu einem Wochenende zu zweit: Eine geringe Dosis der Kuscheldroge MDMA sollte den beiden dabei helfen, sich wiederzufinden. Und die Lust aufeinander neu zu entfachen. Also wird das Kind bei den Großeltern geparkt, die beiden schmeißen ihre Pillchen ein – und: putzen das ganze Wochenende über ihr Haus, entrümpeln, schrubben und wienern. Weil sie gemerkt hätten, dass das Haus, die Hausarbeit die Ursache ihrer Konflikte sei. Gute Güte.

Sagen Sie jetzt nicht: Nass wischen ist der neue Sex! Sagen Sie eher: Wie kam es eigentlich, dass unser Begehren sich auf den Wischmopp verlagert hat?

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Geschrieben von

Pepe Egger

Ressortleiter „Wirtschaft“ und „Grünes Wissen“

Pepe Egger ist Redakteur für Wirtschaft, Grünes Wissen und Politik. Er hat in Wien, Paris, Damaskus und London studiert und sechs Jahre im Herzen des britischen Kapitalismus, der City of London, gearbeitet. Seit 2011 ist er Journalist und Reporter. Seine Reportagen, Lesestücke und Interviews sind in verschiedenen Zeitungen und Zeitschriften erschienen. 2017 und 2019 wurden seine Reportagen für den Henri-Nannen- bzw. Egon-Erwin-Kisch-Preis nominiert. 2017 wurde Pepe Egger mit dem 3. Platz beim Felix-Rexhausen-Preis ausgezeichnet. Seit 2017 arbeitet er als Redakteur beim Freitag.

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