Liebe Leserin, lieber Leser, Sie müssen jetzt ganz stark sein: Dieser Text handelt von der Schuldenbremse. Trotzdem sollten Sie ihn lesen. Es geht darin um Zahlen, um Fiskalpolitik, ja sogar um etwas so knochentrocken Technisches wie die „Budgetsemielastizität“. Doch von diesen Dingen und von diesen Zahlen hängt ab, ob das Internet in der deutschen Provinz in Zukunft weniger ruckelt. Ob es in Berliner Schulen künftig warmes Wasser gibt. Ob Sie – wegen Corona – am Ende weniger Netto vom Brutto in Ihrer Lohntüte haben werden. Oder ob Deutschlands Milliardäre zur Kasse gebeten werden.
Denn die Sache ist die: Die Schuldenregel im deutschen Grundgesetz – 2009 beschlossen und als „Schuldenbremse“ bekannt – schreibt vor, dass Deutschland pro Jahr nur einen sehr kleinen Betrag an neuen Schulden aufnehmen darf: 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Wenn aber das Haus in Flammen steht wie in einer Pandemie, ist es nur logisch, alles aufzufahren, was helfen kann: Also hat man die Schuldenbremse 2020 ausgesetzt und sehr viel mehr Schulden gemacht, fast fünf Prozent vom BIP, für Kurzarbeitergeld und Konjunkturpakete, Ankaufprämien und Ausfallentschädigungen. Auch 2021 wird das so weitergehen. Im Jahr 2022 aber, so sagt es jedenfalls Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD), soll die Schuldenbremse wieder greifen und die Neuverschuldung auf 0,35 Prozent des BIP begrenzt werden. Weil die Einnahmen aber wegen der Pandemie niedriger ausfallen werden, bleiben dann nur zwei Möglichkeiten: Entweder man erhöht die Steuern. Oder man kürzt die Ausgaben.
Deutschland blüht also ein Verteilungskampf. Schuld ist die Schuldenbremse, die sich CDU/CSU und SPD 2009 ans Bein gebunden haben: 2022 wird ihr Praxistest, ihre Stunde der Wahrheit. Soll die Schuldenbremse knallhart greifen? Soll sie verändert und den gegenwärtigen makroökonomischen Umständen angepasst werden? Soll man sie umgehen oder gar ganz abschaffen?
Ein Fiskus ist kein Teenager
Sollten Sie jetzt immer noch mitlesen: wunderbar! Vielleicht ist es dann ein guter Moment für eine Begriffsklärung. Viele verwechseln ja etwa „Schwarze Null“ und Schuldenbremse, sogar BerufspolitikerInnen, die sich eigentlich damit auskennen sollten. Dabei meint die „Schwarze Null“, dass wir als Staat immer nur so viel Geld ausgeben, wie wir einnehmen. Ohne irgendeine Art von Schulden! Die Schwarze Null ist politisch ein Knaller, zumindest denkt das die CDU. Und sie ist ökonomisch widersinnig, ja schädlich. Denn ein Staat ist nun mal kein Teenager, der, wenn er sein Taschengeldkonto überzieht, „über seine Verhältnisse gelebt hat“ und im nächsten Monat dafür zurückstecken muss.
Wenn ein Staat Geld ausgibt, dann setzt er damit Dinge in Gang: Wenn er zum Beispiel eine Kaufprämie für Elektroautos verschenkt, dann kaufen mehr Leute E-Autos, also verkaufen Autofirmen mehr E-Autos, also stellen sie mehr Beschäftigte ein, also zahlen Autofirma und ArbeiterInnen mehr Steuern. Am Ende steht, wenn alles klappt, der Staat mit mehr Geld da, als er am Anfang als Kaufprämie ausgegeben hat. Es gibt einen Multiplikatoreffekt (siehe dazu den Text auf Seite 7). Deshalb ist es also durchaus sinnvoll, wenn der Staat Geld für sinnvolle Dinge ausgibt, auch wenn das auf Pump passiert. Ein Problem werden solche Schulden nur, wenn sie uns über den Kopf wachsen: wenn die Zinsen, die wir dafür zahlen müssen, so viel von unseren Einnahmen verschlingen, dass uns für neue oder laufende sinnvolle Dinge kein Geld mehr übrig bleibt. Man könnte also sagen: Schulden zu machen ist richtig und sinnvoll, zu viele Schulden zu machen aber ist kontraproduktiv.
So ungefähr erklärt auch der Mann, der als „Vater der Schuldenbremse“ gilt, ihren ursprünglichen Zweck. Christian Kastrop ist heute für die SPD Staatssekretär im Justizministerium, zwischen 1989 und 2014 war er Beamter im Finanzministerium. Kastrop leitete dort jene Arbeitsgruppe, die die Schuldenbremse ausgestaltet hat. Und er war es, der 2005 vorschlug, eine neue Schuldenregel ins Koalitionsprogramm der GroKo zu schreiben. Vorab so viel: Auch Kastrop gehört zu denen, die die Schuldenbremse heute verändern würden. Mit Blick zurück sagt er, Ziel der Schuldenbremse sei „die langfristige Nachhaltigkeit der öffentlichen Finanzen“ gewesen, nicht „Sparen als Selbstzweck, schon gar nicht eine Schwarze Null“. Das Ziel wollte man erreichen, indem man eine Schuldenregel anstelle der seit 1969 geltenden „Goldenen Regel“ einführte. Als Richtschnur für eine langfristige Tragfähigkeit der Staatsverschuldung ging man im Finanzministerium damals von 0,5 Prozent des BIP an jährlicher struktureller Neuverschuldung aus. Der Wert verdankte sich einem Bericht der EU-Kommission, der die Nachhaltigkeit der Staatsschulden zur rapide alternden Bevölkerung Deutschlands in Bezug setzte.
Aufmerksame LeserInnen könnten an dieser Stelle einwerfen: Waas, die Schuldenbremse war gar keine Idee der CDU? Und: Waas, die Schuldenbremse wurde gar nicht deshalb beschlossen, weil nach der Finanzkrise ab 2008 die Staatsschuldenquote nach oben kletterte? Nein und nein. Kastrop beschreibt ihre ursprüngliche Bedeutung eher wie eine wechselseitige Zähmung im GroKo-Style: „Jede Regierungspartei hat damals die Schuldenbremse ein Stück weit für ihre jeweilige Agenda interpretiert: Die CDU wollte höheren Schulden einen Riegel vorschieben, die SPD wollte exzessive Steuersenkungen verhindern.“ Und ja, der Prozess zur Ausarbeitung der Schuldenbremse begann tatsächlich schon lange bevor Lehman pleiteging und immer neue Banken-Bail-outs die Staatsverschuldung in Europa in die Höhe trieben.
Eher war es so: Aus einem anfangs technisch-trockenen finanzpolitischen Projekt wurde wegen der Finanzkrise ein politisches Versatzstück, mit dem man 2009 punkten konnte: Staatsverschuldung bremsen! An die kommenden Generationen denken! Wurde dann ein mit Moralin angereichertes Versatzstück, das man 2012 im Fiskalpakt auch noch ganz Europa aufzwang und in Deutschland ab 2014 ohne Not als „Schwarze Null“ übererfüllte. Nicht weil man das angepeilt hatte, sondern weil die Steuereinnahmen nur so sprudelten, bis unterm Strich ein Überschuss stand.
Seehofer hat’s mit eingebrockt
Zum Niveau des politischen Diskurses über Fiskalpolitik passt, dass man (sprich: Wolfgang Schäuble) das 2014 als Erfolg verkaufte und damit durchkam. Zum Niveau passten aber auch schon die Modalitäten, mit denen man bei der Einigung auf die Schuldenbremse im Jahr 2009 statt bei angepeilten 0,5 Prozent des BIP an Neuverschuldung am Ende bei 0,35 Prozent landete. Kastrop erinnert sich so: „Das ergab sich in den Endberatungen über die Schuldenbremse, in einer Nachtsitzung mit allen Ministerpräsidenten und Finanzminister Peer Steinbrück in Berlin.“ Das Finanzministerium hatte vorgeschlagen, 0,35 Prozent für den Bund und 0,15 Prozent für die Länder vorzusehen; Steinbrück hatte wohl eingeplant, in den Verhandlungen noch 0,1 Prozent nachzugeben und so am Ende bei jeweils 0,25 Prozent für Bund und Länder zu landen. Doch er hatte die Rechnung ohne den damaligen bayrischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer (CSU) gemacht. Der schlug – „etwas überraschend“, sagt Kastrop – in den Verhandlungen vor, dass die Länder ab 2020 überhaupt keine Schulden mehr machen sollten. Die Länder ließen sich das abverhandeln, und auf einmal stand das Finanzministerium mit seinem Einstiegsangebot von 0,35 Prozent für den Bund als Endergebnis da. Tja.
Es ist die Ironie der Geschichte der Schuldenbremse: Als die Länder gemäß Seehofers Vorschlag im Jahr 2020 nun endlich gar keine Schulden mehr hätten machen sollen, setzten sie die Schuldenbremse, genau wie der Bund, wegen Corona per Notfallregel aus. Doch selbst im Bund hat sie bis heute noch nie gegriffen: Es gab seit dem Beginn des Greifens ihrer Kreditobergrenze für den Bund im Jahr 2016 schlichtweg noch keine deutsche Finanzministerin, die gerne neue Schulden aufgenommen hätte und nur von der Schuldenbremse daran gehindert wurde. Die Ökonomin Katja Rietzler, die das Referat Steuer- und Finanzpolitik des IMK in der Hans-Böckler-Stiftung leitet, sagt dazu: „In den vergangenen Jahren mussten wir keine schweren Anpassungsleistungen erbringen, um die Schuldenbremse einzuhalten, infolge günstiger Umstände haben wir sie meist übererfüllt. 2022 aber wird es ernst.“ Rietzler warnt im Übrigen davor, den Haushalt für 2022 dem Sparkorsett der Schuldenbremse zu unterwerfen: „Ein konjunkturschädigender Sparkurs sollte unter allen Umständen vermieden werden“, erklärt sie. „Eher sollte man die Schuldenbremse ein weiteres Jahr aussetzen oder eine Übergangsphase erlauben.“
Mehr Spielräume für Investitionen, ja, aber wie geht das genau?
Auch die Münchner Ökonomin und SPD-Politikerin Philippa Sigl-Glöckner findet, dass „im Haushalt 2022 zu sparen das Ungünstigste“ wäre, „was wir machen können, auch um die langfristige wirtschaftliche Grundlage zu sichern“. Sigl-Glöckner, die selbst im Finanzministerium arbeitete, bevor sie in München einen Thinktank für Fiskalpolitik gegründet hat, sagt: Auch wenn es in den vergangenen Jahren nicht die Schuldenbremse selbst gewesen sei, „die die Fiskalpolitik gebremst hat, hat doch ihr Geist gewirkt, beziehungsweise der gesellschaftliche und politische Konsens, der sie überhaupt erst ins Grundgesetz gebracht hat: die Vorstellung, dass es gut ist, so wenig wie möglich Schulden zu machen und so wenig Geld wie möglich auszugeben“. Das Ergebnis sei ein riesiger Investitionsrückstand, der sich etwa in der Corona-Krise daran zeige, wie die Gesundheitsämter unter Einsparungen der Vergangenheit litten.
Auch Katja Rietzler ist der Ansicht, dass es „mehr Spielräume für Investitionen“ bräuchte. Doch wie genau das erreicht werden soll, darüber gehen die Meinungen auseinander. Rietzler schlägt eine neue „Golden Rule“ vor, „also eine Regelung, dass Investitionen in einem bestimmten Umfang von der Schuldenbremse ausgenommen sind“. Sigl-Glöckner hingegen sieht das kritisch. Denn eine „Golden Rule“ bedeute nur: „Es ist okay, Schulden zu machen, für Investitionen. Sonst sagt sie zur Fiskalpolitik gar nichts.“ Außerdem sei es schwierig, Investitionen zu definieren: Man denke stets, dass Investitionen uns fit für die Zukunft machen. „Wenn Sie aber in den Bundeshaushalt gucken, dann sind große Investitionsposten zum Beispiel Straßen und Entwicklungshilfe: Letztere ist sicher wichtig, aber sie hilft der Produktivität in Deutschland nur bedingt.“ Ausgaben für Bildung wie die Gehälter für LehrerInnen oder ErzieherInnen fielen bei einer „Golden Rule“ gar nicht unter Investitionen. Stattdessen schlägt Sigl-Glöckner vor, der Schuldenbremse ein Ziel zu geben. Im Kleingedruckten der Schuldenbremse sei ja schon jetzt vorgesehen, dass mehr Verschuldung in Ordnung sei, wenn die Arbeitslosigkeit hoch ist, und weniger, wenn die Arbeitslosigkeit niedrig ist: Nichts anderes meint die „Budgetsemielastizität“. Ein „niedriges Niveau“ sei aber derzeit definiert als rund zwei Millionen Arbeitslose. Sigl-Glöckner würde das durch das Ziel der Vollbeschäftigung ersetzen.
Auch Christian Kastrop macht sich Gedanken, wie die Schuldenbremse an veränderte Bedingungen angepasst werden könnte. Er denkt an eine „atmende Schuldenbremse“, die sich öffnet, wenn die Schuldenquote unter ein gewisses Niveau fällt, etwa 60 Prozent des BIP, so wie es ohne Corona passiert wäre. Tatsächlich seien zu wenige Schulden ja sogar ein Problem: weil deutsche Staatsanleihen als „safe assets“ dienen, als besonders sichere Anlagen, die dazu da sind, Wert zu speichern, für Pensionsfonds etwa.
Und auch Kastrop schlägt vor, „dass man die Qualität und Nachhaltigkeit einzelner Staatsausgaben in die Schuldenbremse einbezieht“. Die Frage sei doch: „Wofür wird das Geld ausgegeben, handelt es sich um nachhaltige, zukunftsorientierte Projekte mit höherem Produktivitätswachstum?“
Die Debatte um eine Veränderung der Schuldenbremse läuft also. Nur: Sie beantwortet die drängendste Frage nicht. Was tun im Jahre 2022? Kürzen? Steuern erhöhen? Doch auch hier scheinen die Dinge auf unerhörte Weise in Bewegung zu kommen. Am Dienstag schlug Kanzleramtsminister Helge Braun (CDU) vor, die Schuldenbremse für die nächsten Jahre „aufzugeben“. Alles andere sei schädlich. Was bis vor kurzem nur ein paar versprengte linke KritikerInnen forderten, scheint sich wegen Corona nun durchzusetzen: Schuldenmachen for Future.
Kommentare 12
Wie viele Möglichkeiten des Umgangs mit dem Thema gibt es?
Sich in seinem - bequemen oder auch abgewetzten - Kritikersessel zurückzulehnen und zu sagen: "Ich habe es ja schon immer gewusst. (Aber auf mich ... schluchz ... hört ja niemand.)"
Oder jene Spätberufenen wie Helge Braun (das mittelhessische "Braun-Bärchen") zu unterstützen, die spät auf den Trichter gekommen sind?
Die Antwort ist wohl primär davon abhängig, ob Recht haben oberste Priorität besitzt - oder Veränderungsbereitschaft.
Und - was Helge Braun & Friends angeht: wer wie lange rudert (und wer das Kommando gibt) wird noch zu verhandeln sein. Und zwar, bis das Boot zu Wasser gelassen ist.
Glück auf!
Der autor und die von ihm zitierten expert*innen verstehen das phänomen "schuldenbremse" leider entweder überhaupt nicht oder falsch.
Im kern ist eine "schuldenbremse" die entmachtung der politik gegenüber der wirtschaft, weil sie der politik instrumente aus der hand schlägt, die qualvoll über jahrhunderte kapitalistischen wirtschaftens verstanden und erlernt wurden.
Zum ersten geht es um die soziale abmilderung der zyklischen wirtschaftlichen zwänge. Denn sozialstaatliche zusicherungen können nur eingehalten werden, wenn sie von der staatlichen einnahmeseite relativ unabhängig sind. Die einnahmeseite (steuern, abgaben) ist im kapitalismus konjunkturabhängig, während die ausgabeseite (sozialhilfe, renten, stipendien, bildung, gesundheitswesen etc.) gerade dann wichtig sind, wenn die wirtschaft lahmt.
Zum zweiten geht es um industriepolitik mit dem ziel die wirtschaftliche position des landes zu verbessern oder um (z.B.) den klimafreundlichen umbau der gesellschaft voranzubringen.
in beiden fällen sind kredite (langfristige staatsausgaben unabhängig von den einnahmen) ein unverzichtbares instrument.
Nein, wenn es um die "schuldenbremse" geht, geht es nicht um 2022 oder 2023 (!), sondern um die ermöglichung von wirtschaftspolitik - diese aber soll im neo-liberalismus gerade verhindert werden; hier geht es um die unterwerfung der gesellschaft unter den profit und die verohnmächtigung von politik - u.a. mittels "schuldenbremse".
Seit Keynes weiß jeder Ökonom dass man sich in einer Krise verschuldet um sie schneller zu beenden....nennt sich antizyklisches Gegensteuern...War früher mal normal. Wer als Staat in der Krise spart (keine Schulden macht) verlängert sie nur.
Sparen kann man dann wieder in Aufschwüngen.
Das Problem war, dass konservative Poltiker angefangen haben auch in Auschwüngen das Geld mit beiden Händen zum Fenster raus zu schmeißen...dann wurde aus der Bankenkriese wurde medial eine "Verschuldungs/Verschwendungskrise" gemacht...
Die Idioten in der Groko haben dann einfach gesagt: "verbieten wir Verschuldung doch im Grundgesetz!"....und die sogenannten "schwäbischen Haus-Frauen/Männer" in der Republik haben applaudiert..."So verantwortlich sind die von der Union". Die können "Wirtschaft"..die wollen nur das Geld ausgeben was sie auch einnehmen....die Wähle ich.
Hintenrum wird dann immer ein kleines Stück weiter privatisiert und Sozialstaat abgebaut. Sanierte Schulen ? Das können wir uns zur Zeit leider nicht leisten, der Wirtschaft geht es so schlecht...
Das Problem für die Uniuon ist, daß sie die Schuldenbremse zu ihrem Alleinstellungsmerkmal gemacht hat. Wie ich woanders schon schrieb:
Was hat die Union denn noch für Alleinstellungsmerkmale ausser den neoliberalen Ehrgeiz, den Staat finanziell so kurz wie möglich zu halten, damit er schwach gegen den Kasino-Kapitalismus und die Industrie ist??
Das Klammern an die Schuldenbremse soll nur überdecken, daß die Union programmatisch entkernt ist.
Niedlich:
»Waas, die Schuldenbremse war gar keine Idee der CDU? Und: Waas, die Schuldenbremse wurde gar nicht deshalb beschlossen, weil nach der Finanzkrise ab 2008 die Staatsschuldenquote nach oben kletterte? Nein und nein.«
Ich ergänze:
‚Waas, die AGENDA 2010 war keine Erfindung der CDU? Nee – war sie nicht.
Mit äußerst knapper Mehrheit haben Union und SPD mit Unterstützung auch der FDP eine Schuldenbremse für Bund und Länder beschlossen. Aber was spielt das eigentlich alle für eine Rolle? Sie ist ein Spielball, wie man anlässlich der Corona-Pandemie sieht.
Schließlich stehen für die Umsetzung der neoliberalen Politik seit Gerhard Schröder alle Parteien des »Parteienkartells aus CDU/CSU, SPD, FDP und GRÜNEn« und mittlerweile auch die LINKEn zur Verfügung.
…
Schuldenbremse aus der Sicht eines zornigen Bürgers:
Bei allem, was Sie hier schreiben, ist der Einführungs-Zeitpunkt für die Schuldenbremse entlarvend. Immerhin war ihr die Mehrwertsteuererhöhung von 16 auf 19 Prozent unter der großen Koalition aus CDU/CSU & SPD von 2005 bis 2009 vorausgegangen.
Steuergeschenke für Arbeitgeber und Schuldenbremse
Politisch gewollte, einseitige Steuergeschenke für Arbeitgeber, Industrie und Finanzwirtschaft durch Steuergesetzesänderungen für die Zeit zwischen 1998 und 2013 in Höhe von ca. 490 Milliarden Euro mussten kompensiert werden (Bontrup: Durch Umverteilung von unten nach oben in die Krise, Seiten 15 – 16.).
Davon entfielen auf den Bund 197,67 Milliarden Euro, auf die Länder 236,68 Milliarden Euro und auf die Gemeinden 56,00 Milliarden Euro.
Die politische Verantwortung hierfür lag von 1998 bis 2005 bei Rot-Grün, bei Schwarz-Rot von 2005 bis 2009 und bei Schwarz-Gelb von 2009 bis 2013. Wenn man den öffentlichen Haushalten der Bundesrepublik so viel Geld entzieht, dass diese ihren originären Aufgaben nicht mehr nachkommen können, entsteht nach einigen Jahren automatisch ein gigantischer Bedarf.
Und wenn die Münchner Ökonomin und SPD-Politikerin Philippa Sigl-Glöckner über einen riesigen Investitionsrückstand, der sich etwa in der Corona-Krise daran zeige, wie die Gesundheitsämter unter Einsparungen der Vergangenheit litten, schwafelt, so sei ihr ins Stammbuch geschrieben, dass zu diesem Zeitpunkt bereits die Voraussetzungen dafür geschaffen wurden.
Das eingesparte Geld in Höhe von 490 Milliarden Euro war ein Geschenk an Arbeitgeber, Industrie und Finanzwirtschaft.
Nachdem das Parteienkartell aus CDU/CSU, SPD, FDP und GRÜNEn mithilfe seiner Steuergesetzgebung zwischen 1998 und 2013 Arbeitgeber, Industrie und Finanzwirtschaft in Höhe ca. 490 Milliarden EURO beschenkt hatte und ihm dann im Zuge der sogenannten Lehman-Pleite ab 2008 von den Bankstern eben dieser monetären Machthaber die Rechnung ihrer 50-Billionen-US-Dollar-Sause gelegt wurde, begann 2009 wieder das Geschwätz von der schwäbischen Hausfrau und diente als sinnstiftendes Narrativ für die Einführung der sogenannten „Schuldenbremse“ zur Festschreibung der Austeritätspolitik (die natürlich immer nur hinsichtlich der nichtprivilegierten Bevölkerung gilt) schließlich per Grundgesetzänderung, für die bekanntlich eine parlamentarische Zweidrittel-Mehrheit notwendig war.
Bis dahin war der entstandene gesamtwirtschaftliche Schaden enorm, war die öffentliche Infrastruktur nachhaltig geschädigt, was z.B. Berufspendlern täglich unendlich lange Staus auf den Straßen beschert.
Durch die gemeinsame Politik des Parteienkartells aus CDU/CSU, SPD, FDP und GRÜNEn ist den öffentlichen Haushalten in der Bundesrepublik so viel Geld entzogen worden, dass diese ihren originären Aufgaben nicht mehr nachkommen können und konnten – Deutschland verludert(e)! Davon sind nicht nur marode Straßen und Autobahnbrücken und Turnhallen betroffen, in denen die Decken herunterfallen, sondern es ist selbstverständlich die gesamte öffentliche Infrastruktur betroffen, wozu auch die Personalausstattung gehört, von den personellen Defiziten im Gesundheitswesen ganz zu schweigen.
Schwarze Null, Schuldenbremse sind niedliche Nicknames für Austeritätspolitik, die die verschiedenen Regierungen (nicht nur in Deutschland) ihren Bevölkerungen verordnet haben. Es sind Begriffe der üblichen Camouflage mit der Politik und Medien die Bürgerinnen und Bürger sedieren und mit denen sie 2011 Austeritätspolitik schließlich per Grundgesetzänderung, für die bekanntlich eine parlamentarische Zweidrittel-Mehrheit notwendig ist, verfassungsmäßig festschrieben.
!!!Es war also ein Riesenfinanzierungsbedarf entstanden, dessen Behebung Milliarden gekostet hätte, was eigentlich auch nicht schlimm gewesen wäre (wie uns gegenwärtig vorgeführt wird), würde Big Money Ausgaben für die gemeine Bevölkerung nicht immer nur als AUSGABEPOSTEN verstehen!!!
Dazu gehört: Seit der Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers im September 2008 können sich die Giganten unter den Großbanken, Versicherungen, Hedgefonds und multinationalen Konzernen sowieso darauf verlassen, dass sogenannte "systemrelevante" Unternehmen von Regierungen und Zentralbanken im Notfall mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln gerettet werden. „Watever It Takes“ – ein Freibrief, auch für Lug und Betrug.
Die Bürgerinnen und Bürger müssen billiger werden – das Geld ist für die Reichen da!
Bezogen auf die Bürgerinnen und Bürger, bezogen auf die Wählerinnen und Wähler gab/gibt es eine Generallinie, nämlich die rigorose Kürzung ihrer Einkünfte (der Masseneinkünfte) für eine Politik der Umverteilung von unten nach oben.
Auperdem:
Die EZB kauft Banken Staatsanleihen und Unternehmensanleihen ab. Das notwendige Geld dafür entsteht bei der Zentralbank aus dem Nichts. Es wird einfach gedruckt.
Darum hätte ich auch nichts gegen die seit einer Dekade andauernde wunderbare Monopoly-Geldvermehrung, wenn die Nationalbanken auf diese Weise die aufgekauften Staatsanleihen in die Tonne kloppen würden. Das wird aber nicht passieren, weil Schulden als Folterwerkzeuge gebraucht werden, Bevölkerungen im Sinne der monetären Machthaber zu disziplinieren. Das war auch der wesentliche Grund für die Einführung der sogenannten Schuldenbremse, die Heiligsprechung der Austeritätspolitik usw.
Deutschland hat ca. zwei Billionen EURO Schulden, die niemals zurückbezahlt werden bzw. zurückbezahlt werden können, mit denen man aber Bevölkerungen gegeneinander ausspielen kann, Junge z.B. gegen Alte, weil deren Renten angeblich nicht mehr von den Jungen aufgebracht werden können usw.
!!! In diesem Zusammenhang hat es dann auch etwas für sich, „dass die EZB am Ende einen Teil der ohnehin aufgekauften Staatspapiere bei sich stilllegt oder in sehr langfristige Anleihen umwandelt und bei sich behält“ (Achim Truger), sie mit anderen Worten in die Tonne kloppt. !!!
Warum kauft die EZB denn überhaupt die Staatsanleihen? Die Banken könnten diese Papiere ja schließlich auch an der Börse verkaufen. Wenn sich hier nicht genügend Abnehmer finden bzw. die Papiere nur mit einem Preisabschlag zu verkaufen sind, dann ist das das ganz normale Marktrisiko. Niemand hat die Banken gezwungen, Ländern Geld zu leihen, an deren Bonität und Zahlungsfähigkeit (nun) Zweifel bestehen. Die Bank hätte dann aber Abschreibungsbedarf auf vorhandene Wertpapiere, würde also Verluste machen. Da trifft es sich doch sehr gut, dass man diese Papiere nun an die EZB VERKAUFEN kann und sich damit elegant dem Anlagerisiko entzieht.
"Warum kauft die EZB denn überhaupt die Staatsanleihen?"
Ganz einfach, weil sie es kann! Dass sie dem Staat diese nicht gleich abkaufen kann (und auch noch Banken als Zwischenhändler absahnen können), dient lediglich der Verschleierung des Ganzen. Denn der Bund hat einzig neben den Banken auch ein Konto bei der EZB
Allerdings kann die EZB die Kreditierung der von den Banken angebotenen notenbankfähigen Papiere (am Sekundärmarkt) auch jederzeit als sogenannte Reserven zur Verfügung stellen, bzw. muss es sogar zwecks Interbankenhandel (Ausgleich/Abrechnung ihrer internen täglichen Transaktionen), die aufgrund aller unterliegender Geschäftsvorfälle sich buchmäßig halt ergeben. Also letztlich der Aufrechterhaltung des Geldsystems (Preisstabilität) dient.
Zudem brauchen die Banken es zwecks Zugriff/Umwandlung auf die Banknoten (einzig gesetzliches Zahlungsmittel), dass nur die EZB zur Verfügung stellt. Geldsteuerung jedenfalls läuft dann erst über andere Mechanismen, wie u.a. die Offenmarktpolitik und die damit verbundene Zinssetzung der EZB.
Um gleich noch einen Mythos zu klären (dem Sie sicher nicht 'mehr' unterliegen), erst der Kredit schafft aus dem Nichts die Einlagen, also quasi auf der Habenseite nach der Kreditbuchung, aus der Sicht des Kunden also anschließend seine Forderung gegenüber der Bank. Der ganze Prozess beginnt also etwas anders als die landläufige Vorstellung. Von der Pyramide also von der Spitze aus.
Wie entsteht Geld, dürfte für jene von Interesse sein, die etwas mehr Zeit aufbringen möchten.
Danke für die Ergänzung.
Gerne, wobei sich viele wohl nicht gleich in die 'Untiefen' monetärer Zusammenhänge begeben wollen, was auch irgendwie verständlich ist, aber auch schlecht, weil so viel damit in Verbindung steht. Vor allem, um die Luftblasen erkennen zu können, die zwecks neoliberaler Interessen eingesetzt werden.
Ein dahingehend, auch in großen Teilen lesbares Buch für 'Laien', hat Dirk Ehnts geschrieben, wobei Buchhaltungskenntnis(se) zweifellos die Sache erleichtert. Wenn das aber mal 'gezündet' hat, wundert man sich, was sich damit alles besser verstehen lässt. Also hier zum Buch.
Scheinriese ‚Schuldenbremse‘
oder
,Wenn sie Recht haben, haben sie Recht…' (Auswahl)
Zitat @Heinz Lambarth
Der autor und die von ihm zitierten expert*innen verstehen das phänomen "schuldenbremse" leider entweder überhaupt nicht oder falsch.
Im kern ist eine "schuldenbremse" die entmachtung der politik gegenüber der wirtschaft, weil sie der politik instrumente aus der hand schlägt, die qualvoll über jahrhunderte kapitalistischen wirtschaftens verstanden und erlernt wurden.
Zitat @gsyme
Seit Keynes weiß jeder Ökonom dass man sich in einer Krise verschuldet um sie schneller zu beenden....nennt sich antizyklisches Gegensteuern...War früher mal normal. Wer als Staat in der Krise spart (keine Schulden macht) verlängert sie nur.
Die Idioten in der Groko haben dann einfach gesagt: "verbieten wir Verschuldung doch im Grundgesetz!"....und die sogenannten "schwäbischen Haus-Frauen/Männer" in der Republik haben applaudiert..."So verantwortlich sind die von der Union". Die können "Wirtschaft"..die wollen nur das Geld ausgeben was sie auch einnehmen....die wähle ich.
Hintenrum wird dann immer ein kleines Stück weiter privatisiert und Sozialstaat abgebaut.
Zitat @Flegel
Durch die gemeinsame Politik des Parteienkartells aus CDU/CSU, SPD, FDP und GRÜNEN ist den öffentlichen Haushalten in der Bundesrepublik so viel Geld entzogen worden, dass diese ihren originären Aufgaben nicht mehr nachkommen können und konnten...
Schwarze Null, Schuldenbremse sind niedliche Nicknames für Austeritätspolitik, die die verschiedenen Regierungen (nicht nur in Deutschland) ihren Bevölkerungen verordnet haben. Es sind Begriffe der üblichen Camouflage mit der Politik und Medien die Bürgerinnen und Bürger sedieren und mit denen sie 2011 Austeritätspolitik schließlich per Grundgesetzänderung, für die bekanntlich eine parlamentarische Zweidrittel-Mehrheit notwendig ist, verfassungsmäßig festschrieben.
Deutschland hat ca. zwei Billionen EURO Schulden, die niemals zurückbezahlt werden bzw. zurückbezahlt werden können, mit denen man aber Bevölkerungen gegeneinander ausspielen kann, Junge z.B. gegen Alte, weil deren Renten angeblich nicht mehr von den Jungen aufgebracht werden können usw.
Zitat @pleifel
Um gleich noch einen Mythos zu klären ..., erst der Kredit schafft aus dem Nichts die Einlagen, also quasi auf der Habenseite nach der Kreditbuchung, aus der Sicht des Kunden also anschließend seine Forderung gegenüber der Bank. Der ganze Prozess beginnt also etwas anders als die landläufige Vorstellung. Von der Pyramide also von der Spitze aus.
Jaja, soso... ?
Der ‚Kingpin‘ in diesem neoliberalen Konstrukt - bei internationalem Grundrauschen - ist die deutsche CDU/CSU, die aus dieser zentralen Stellung herausgekegelt werden muß.
Bundestagswahlen: 20 Jahre Links von Schwarz.
https://www.youtube.com/watch?v=PdwmgRODNjI
Neonschwarz - Scheinriese
Guter Artikel - nachgeschärft durch das Forum!
Wenn wir aus dem Dauerschlamassel von Pandemien und Klimanotstand herauskommen wollen, kommen wir um eine Neuordnung und Neuerzählung der Geld- und Fiskalpolitik nicht herum. MMT wäre hier ein guter Ansatz (Herr Ehnts wird ja im Forum erwähnt) und würde den "Green New Deal" und ganz nebenbei den Abschied von infantilen Konstrukten wie einer Schuldenbremse oder "Schwarzer Null" möglich machen. Massiver neoliberaler Widerstand ist natürlich vorprogrammiert - wie Herr Braun und seine Auftraggeberin schon erfahren mussten.
Alle Ausgaben des Staates, sofern sie nicht durch die Verwaltung seiner selbst entstehen, sind entweder Investitionen oder Subventionen.
Unter dieser Betrachtung wäre eine 'Subventionsbremse' das richtige Instrument die Verschuldung im 'Griff' zu behalten. Dann gebe es auch keinen 'Stimmenkauf' durch die Regierungsparteien für die nächste Wahl mehr. Und all die 'Previlegien', die die 'Subventionen' nötig machen, müssten fallen.
Sorry, ich träume schon wieder...