Krieg, Corona, Sprit: „Ich glaube, die Lebensmittelpreise werden um ein Viertel steigen“

Essen Der Weizenpreis hat sich mehr als verdoppelt, sagt der bayrische Landwirt Peter Plank. Das liegt nicht allein am Krieg – Spekulation spielt eine große Rolle
Ausgabe 17/2022
„Mit Weizen wird immer spekuliert, wie an der Börse“ Peter Plank
„Mit Weizen wird immer spekuliert, wie an der Börse“ Peter Plank

Foto: Priscillia Grubo für der Freitag

Peter Plank ist Bauer in Bayern, nahe Ingolstadt. Er baut vor allem Getreide an: Weizen, Wintergerste, Futtergetreide. Dazu Zuckerrüben und Stärkekartoffeln. Seit Beginn des Ukrainekrieges liest man oft, dass nun eine Lebensmittelkrise drohe. Aber Peter Plank sah schon seit Langem, wie die Preise in astronomische Höhen schossen. Ein Gespräch über Stickstoffdüngerpreise, Landwirtschaftspolitik und Börsenspekulation mit Korn und Getreide.

der Freitag: Herr Plank, wie war die Ernte?

Peter Plank: Meine letzte Ernte, also die im Jahr 2021, war unterdurchschnittlich. Sowohl was die Qualität als auch was die Menge angeht, geschuldet dem nassen Jahr.

Wegen des Krieges in der Ukraine gehen die Weizenpreise durch die Decke. Ist das schon bei Ihnen auf dem Feld angekommen?

Agrarmärkte sind globale Märkte, das ist so und das wird auch so bleiben. Was die Preise angeht, sollten wir das Jahr 2020 zum Vergleich heranziehen: Weil das ein sehr durchschnittliches Jahr war, was Witterung, Erträge, aber auch die Preise betraf. Da konnten wir den Weizen für 160 Euro pro Tonne verkaufen. Im November 2021 waren die Preise am Markt schon – wohl vor allem den Energiepreisen geschuldet – bei 280 Euro pro Tonne.

Jetzt – seit dem Einmarsch Russland in der Ukraine – sind wir bei 400 Euro pro Tonne.

Ja, das ist der Börsenpreis. Der Marktwert liegt dann immer so um 20 Euro die Tone drunter.

Das letzte Mal stiegen die Getreidepreise 2008 und dann 2012 so krass, aber das hatte mit Ernteausfällen, Biosprit und Nahrungsmittelspekulation zu tun. Jetzt ist es doch eine andere Situation, immerhin hat der größte Weizenexporteur der Welt – Russland – den fünftgrößten – die Ukraine – angegriffen?

Mit Weizen wird immer spekuliert. Jede Einheit Weizen wird acht bis zehn mal gehandelt, also gekauft und verkauft, bis sie zum Endverbraucher kommt. Keiner dieser Zwischenhändler hat den Weizen je gesehen oder in der Hand gehabt, das ist wie Wertpapierhandel, an der Börse.

Das heißt, Weizen ist grundsätzlich ein Spekulationsgeschäft?

Ja, und genau genommen eines, das auf Hunger in der Welt basiert. Die Händler haben mit Landwirtschaft nichts am Hut: Aber sie sehen vielleicht, dass in Australien die Ernte knapper ausfällt, weil es dort zu viel geregnet hat, oder dass es in den USA eine Trockenheit gibt, und dann setzen sie auf steigende oder fallende Kurse. Die Preise lagen aus einer Reihe von Gründen schon vor dem Krieg, also letzten November, bei 300 Euro pro Tonne.

Und der Krieg?

Ja, der Krieg. Der führt dazu, dass der Weizen, der im Herbst letzten Jahres in der Ukraine bestellt worden ist, jetzt teilweise nicht gepflegt werden kann, weil die Leute nicht mehr da sind oder sie die Betriebsmittel nicht haben. Die Frühjahrsaussaat wird auch nicht in vollem Umfang stattfinden. Und Weizen, den man nicht pflegt oder nicht sät, den kann man auch nicht ernten. Selbst mit der Ernte, die vom Halm kommt, wird man sich bei der Vermarktung schwertun: Weil man sie nicht zu den Häfen bringen kann oder weil die Häfen beschädigt oder geschlossen sind. Es wird also unweigerlich eine gewisse Menge an Weizen geben, die ausfällt.

In Deutschland sind wir aber nicht abhängig von ukrainischem Weizen?

Nicht so sehr wie andere Länder. Aber auch wir importieren ukrainischen Hartweizen, also Durum, für Nudeln oder Hartweizengrieß, weil dort bestimmte Sorten besser wachsen. Auf der anderen Seite exportieren wir Hartweizen nach Italien für die Nudeln dort. Da wird es sicher Verschiebungen geben, aber wir werden keinen Hunger leiden. Den Hunger wird es in den armen und ärmsten Ländern der Welt geben, wo die Menschen sich den Weizen jetzt nicht mehr leisten können.

Aber auch bei uns werden sich der Krieg und die steigenden Preise auswirken, oder?

In Deutschland leben wir im Überfluss, was Nahrungsmittel angeht. Oder vielleicht sollte ich sagen: Wir lebten, bis Kriegsbeginn, im Überfluss. Jedes Lebensmittel war zu jeder Qualität nahezu zu jeder Zeit in jedem Maße erhältlich. Das ist jetzt Vergangenheit. Heute werden die Lebensmittel teurer, nicht nur wegen des Krieges, auch wegen Corona, den Spritpreisen und den Problemen bei den Lieferketten. Aber auf einmal ist in Deutschland nicht mehr alles verfügbar, weil wir ja auch nicht alles selber produzieren.

Zum Beispiel Sonnenblumenöl.

Genau. Bei uns wachsen Sonnenblumen mäßig gut, in der Ukraine wachsen sie besser, noch dazu hätten wir gar nicht genug Ölmühlen. Jetzt hat man es dreimal im Fernseher oder im Radio gehört: In der Ukraine gibt es keine Sonnenblumen mehr. Und jeder Verbraucher, der sonst 4 Flaschen im Jahr gekauft hat, kauft jetzt zwei auf einmal, also steigt der Preis und das Öl ist aus. Der Bedarf ist nicht gestiegen, aber weil jetzt alle auf einmal was wollen, führt das kurzfristig zu einer Verknappung der Ware.

Zur Person

Peter Plank ist der Neffe von Freitag -Anzeigenleiter Johann Plank. Johann Plank erzählte im Kaffeegespräch davon, dass er sich gerade länger mit seinem Neffen unterhalten habe, den solle man doch mal interviewen: Weil er als Landwirt ganz plastisch und lebensnah erzählen könne, dass – wenn das Brot teurer werde – fast nichts davon beim Bauern ankommt. Nur eine Bedingung hatte er: Das Interview sollte Pepe Egger führen, weil der als Südtiroler den oberbayrischen Dialekt Peter Planks am ehesten verstehen würde.

Die Erzeugerpreise landwirtschaftlicher Produkte sind im Februar im Vergleich zum selben Monat des Vorjahres um 22,5 Prozent angestiegen. Aber wenn Sie den Weizen jetzt doppelt so teuer verkaufen, dann ist es doch immer noch ein gutes Geschäft?

Also Ihre Sicht auf die Dinge wäre zu einfach.

Deshalb frage ich ja Sie!

Wir müssen noch mal gedanklich ins Jahr 2020 zurück gehen. Das war ein normales, Jahr: durchschnittliche Erträge, durchschnittlicher Aufwand, durchschnittliche Preise. Der Dünger, den wir verwenden, Kalkammonsalpeter, ein Stickstoffdünger, der kostete damals 17 oder 18 Euro pro Doppelzentner. Ein Jahr später lag der Kalkammon dann schon bei 40 Euro. Heute sind es 95 Euro. Wenn er überhaupt verfügbar ist.

Können Sie statt dem Dünger nicht was anderes nehmen?

Zum Beispiel?

Kuhmist oder so?

Man kann Gülle verwenden, aber dafür braucht man Tierhaltung, die hab ich nicht. Und der Nachbar, der Tiere hält, der braucht die Gülle oder den Mist dieses Jahr auch selber. Aber jetzt ist ja nicht nur der Dünger teurer geworden.

Was denn noch?

Wir brauchen ja auch noch Phosphat, Kali, Schwefel und Magnesium, also alle Nährstoffe, die das Korn dem Boden während eines Jahres entzieht und die wir dem Boden wieder zusetzen müssen. Dann der Diesel: Bei meinem Betrieb brauche ich ungefähr 25.000 Liter Diesel im Jahr. Wenn wir alles zusammenrechnen, dann liege ich mit den Kosten für Diesel und alle Dünger beim Zweieinhalbfachen von dem, was das im Jahr 2020 gekostet hat. Für die Ernte in diesem Jahr sehe ich nicht ganz so schwarz, weil ich den Dünger schon dann gekauft habe, als er noch nicht so teuer war, und die Weizenpreise hoch sein werden. Aber wie das dann nächstes Jahr aussieht, kann ich mir nicht vorstellen.

Warum ist der Dünger so teuer?

In erster Linie liegt’s am Gas. Düngerproduktion braucht einfach sehr viel Gas. Wenn wir noch einmal zurückgehen zum Jahr 2020, dann hat sich seitdem der Gaspreis verfünffacht bis verachtfacht. Nun ist es so, dass die Düngerhersteller Gas einkaufen und es lagern. Weil aber das eingelagerte Gas wegen des Preisanstiegs auf einmal fünfmal so viel wert war, haben manche Düngerproduzenten ihr Gas einfach mit großem Gewinn auf dem Markt wieder verkauft, anstatt damit Dünger zu produzieren. Teilweise haben sie sogar noch ihre Beschäftigten in Kurzarbeit geschickt und so auch noch bei den Gehältern gespart. Logischerweise führt aber so eine Verringerung der Menge dann zu höheren Preisen, die ja wegen der hohen Produktionspreise sowieso schon gestiegen waren.

Und wenn man einfach weniger Dünger verwendet?

Dann sinken die Erträge. Aber nicht nur das. Bei Winterweizen führt eine Reduzierung des Stickstoffdüngers um 25 Prozent des Düngebedarfs unweigerlich dazu, dass die Qualität nicht mehr für Brotgetreide ausreicht und er somit nur noch als Futterweizen verkauft werden kann.

Wie werden sich all die Preissteigerungen, die wir besprochen haben, auf die Lebensmittelpreise auswirken?

Ich glaube, die Lebensmittelpreise werden die nächsten Jahre um etwa ein Viertel bis ein Drittel steigen. Preistreiber dabei wird vor allem in der Verarbeitung die Kosten für Energie, die Löhne, sowie der Transport sein. Der Rohstoffanteil, welcher beim Landwirt ankommt, wird eher einen geringen Teil ausmachen.

Wie geht man als Landwirt damit um, dass die Preise so durch die Decke gehen? Können Sie eigentlich einen Future-Kontrakt auf Ihren eigenen Weizen abschließen?

Ja, nichts davon ist neu. Ich hab das Getreide ja auch hagelversichert. Die Ernte kann ich über einen Börsenkontrakt absichern oder ich kann einen Kontrakt abschließen mit meinen Abnehmern, indem ich ihnen einen Teil meiner Ernte schon im Voraus verkaufe. Das ist eine Abwägung, die jeder Landwirt treffen muss: Wann verkaufen? Wann abwarten?

Wenn es keinen Dünger mehr gibt, kann man dann nicht einfach auf Bio-Anbau umstellen? Wie schnell geht so was?

Die Umstellung von Konventionell auf Bio dauert drei Jahre. Da hast du zwei Erntejahre, das ist Umstellungsware, da kriegst du einen mäßigen Preis. Biogetreide ist auch nicht im selben Maße gestiegen wie konventionelles Getreide. Aber ich würde ja sagen: Bio ist eine Glaubensfrage von reichen Verbrauchern, bei denen Geld keine Rolle spielt.

Sie meinen, das könnte sich bald ändern?

Die Zeit der vollen Brieftaschen ist, glaube ich, auch in Deutschland endlich. Nehmen wir an, eine Familie gibt 500 Euro im Monat für Lebensmittel aus, weil sie Bio statt konventionelle kauft, die nur 400 kosten würden. Ab dem Moment, wo nur mehr 400 Euro für Lebensmittel zur Verfügung stehen, weil zum Beispiel das Gas oder der Strom oder das Benzin teuer geworden sind, dann hat sich die Biodiskussion erledigt.

Aber wir haben doch beschlossen, dass es künftig ein Drittel Biolandwirtschaft geben soll!

Tatsächlich. Nur: Die deutsche Agrarpolitik entfernt sich vom Markt, wenn sie, dem Wählerwillen folgend, einfach solche Sachen beschließt. Wenn der Wähler aber kein Geld mehr hat, dann kauft er auch kein Bio mehr: Was machen wir dann damit?

Wegen der drohenden Lebensmittelkrise fordern viele, dass wir mehr von den angebauten Pflanzen verzehren sollen, statt die Hälfte der landwirtschaftlichen Flächen dafür zu nutzen, Futter für Tiere zu produzieren.

Hier in Bayern haben wir jede Menge Grünland, da wächst bloß Gras drauf, was nur ein Wiederkäuer essen kann.

Wie meinen Sie das?

Na, wenn sie einem Mensch ein Büschel Heu hinstellen, dann kann er damit nichts anfangen.

Ah so, verstehe. Und Grünland kann nicht so einfach zu Ackerland werden.

Nein, wir haben ein Grünlandumbruchverbot! Aber eigentlich ist auch da wieder der Verbraucher in der Pflicht: Wenn der Verbraucher nicht mehr Nudeln oder Brot isst und weniger Fleisch, dann werden wir auch nicht mehr Brot verkaufen können. Es wird ja erzeugt, was der Verbraucher will.

Nur weiß der Verbraucher halt nicht immer, was er will. Oder er überlegt es sich anders.

Ja, das sieht man auch beim Brot. Da geht man davon aus, dass der Verbraucher ein volles Sortiment will, auch bis zum Ladenschluss. Also ist das System darauf ausgerichtet ist, dass der Laden alle Produkte bis zum Schluss hat, und man akzeptiert, dass man davon 10 oder 15 oder sogar 25 Prozent nicht verkauft, sondern stattdessen an Schweine verfüttert oder thermisch in einer Biogasanlage verwendet. Das vernichtet natürlich Rohstoffe und Kapital, aber es ist so vom Verbraucher gewollt: Er geht ja sonst zur Konkurrenz, wenn er wo leere Regale sieht. Die Ironie dabei ist, dass der Verbraucher natürlich am Ende dafür zahlen muss, weil ja die weggeschmissenen Semmeln in der verkauften eingepreist sind.

Ich lese, Kartoffeln sind auch um 60 Prozent teurer geworden.

Naja, das heißt jetzt nicht so viel: Kartoffeln waren ja wegen Corona um 50 Prozent im Preis gefallen. Vor Corona kostete die Pommeskartoffel lose ab Feld 14 Euro pro Doppelzentner. Als der Lockdown kam, landeten wir bei 4 Euro, einfach weil Pommes normalerweise zu 90 Prozent von Kantinen und Gastronomie gekauft werden und nur sehr wenige Menschen zuhause Pommes machen. Jetzt kosten die Kartoffeln 18 Euro: Aber was wäre jetzt der korrekte Preis für Kartoffeln? 4 Euro oder 18 Euro?

Der digitale Freitag

Mit Lust am guten Argument

Verändern Sie mit guten Argumenten die Welt. Testen Sie den Freitag in Ihrem bevorzugten Format — kostenlos.

Print

Die wichtigsten Seiten zum Weltgeschehen auf Papier: Holen Sie sich den Freitag jede Woche nach Hause.

Jetzt kostenlos testen

Digital

Ohne Limits auf dem Gerät Ihrer Wahl: Entdecken Sie Freitag+ auf unserer Website und lesen Sie jede Ausgabe als E-Paper.

Jetzt kostenlos testen

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Unabhängiger und kritischer Journalismus braucht aber Unterstützung. Wir freuen uns daher, wenn Sie den Freitag abonnieren und dabei mithelfen, eine vielfältige Medienlandschaft zu erhalten. Dafür bedanken wir uns schon jetzt bei Ihnen!

Jetzt kostenlos testen

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden