Das Bundesverfassungsgericht hat also entschieden: Der Berliner Mietendeckel ist mit dem Grundgesetz unvereinbar und deshalb nichtig.
Es hat wohl keine Entscheidung dieses Gerichts gegeben, die das Leben so vieler Menschen so unmittelbar betrifft: Weil ihre Mieten seit mehr als einem Jahr automatisch gesenkt wurden, müssen jetzt auf einmal zehntausende, wenn nicht sogar hunderttausende Mieter:innen in Berlin Nachzahlungen leisten, die ihre ohnehin knappen Budgets zu sprengen drohen.
Dass ihre Miete gesenkt wurde – die einen sagen, von einem „marktüblichen“ Niveau auf ein politisch festgesetztes, die anderen: von einem völlig lebensfernen Level auf ein halbwegs bezahlbares –, das war eine der wenigen Sternstunden linker Politik der vergangenen Jahre in diesem Land.
Politik wirkt! Jeden Monat auf dem Konto
Dass „die Politik“ doch eh keinen Unterschied machen kann, damit nährte man lange die Politikverdrossenheit: Hier aber konnte man den politischen Unterschied auf einmal an jedem Monatsende auf dem Konto sehen. Umverteilung geht also doch! Von den Immobilienkonzernen zu den Mieter:innen, ein bisschen wenigstens. Ja, das ist möglich.
Und es ist nicht nur möglich, nein, es gibt sogar eine breite politische Mehrheit dafür. Das liegt an dem weitgehenden Marktversagen auf dem Wohnungsmarkt: „Der Markt“ regelt es eben nicht, dass Menschen mit ihren in Berlin verdienten Einkommen auch in Berlin eine bezahlbare Wohnung finden. Im Gegenteil: Die Mieten steigen und steigen, während die Löhne stagnieren. Deshalb war der Mietendeckel kein linksradikales Projekt, sondern eine angemessene Antwort auf den „Mietenwahnsinn“, was auch unter den Wähler:innen der CDU verstanden wurde.
Wie aber nun mit der Enttäuschung und der Wut umgehen, die die Bundesverfassungsgerichtsentscheidung zur Folge haben wird? Dass viele die Kampagne „Deutsche Wohnen & Co enteignen“ zur Vergesellschaftung großer Immobilienkonzerne als Antidot anführen, ist verständlich und für Berlin vielleicht auch der richtige Weg. Aber eigentlich lenkt die Entscheidung den Blick auf ein größeres Ziel.
Denn: Die Richter:innen haben inhaltlich nichts gegen den Mietendeckel gesagt, sondern sich nur darauf beschränkt, dass das Land Berlin hier nichts zu regeln habe. Weil der Bund sich schon gesetzgeberisch mit der Materie befasst, sei es verfassungswidrig, wenn das Land hier noch einen draufsetzt.
Also muss der Bund es richten
Es ist also nur logisch, zu antworten: Dann muss halt der Bund es richten! Da passt es, dass die Wähler:innen schon im September zum ersten Mal seit langem wohl wieder die Möglichkeit hätten, eine Bundesregierung zu wählen, die das Feld der Wohnungspolitik nicht länger dem Markt überlassen will, sondern dafür Politik macht.
Als zweite Konsequenz könnte man sagen: Wenn es grundgesetzwidrig sein soll, dass eine Stadt versucht, Wohnungspolitik im Sinne der Mehrzahl ihrer Bürger:innen umzusetzen, dann umso schlimmer für das Grundgesetz. Auch das kann man ändern, wenn man die Mehrheiten hat.
Die Wähler:innen sind also gleich zweifach gefragt. Manche von ihnen werden sich im September daran erinnern, dass CDU und FDP es für eine gute Idee hielten, mitten in einer globalen Pandemie den Mieterschutz der Immobilienspekulation zu opfern.
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