Wirecard-Skandal: Betrug made in Germany

Meinung Wirecard-CEO Markus Braun steht wegen gewerbsmäßigen Bandenbetruges, Untreue und Marktmanipulation vor Gericht. Er will von allem nichts gewusst haben
Ausgabe 07/2023
Ex Wirecard-Vorstandsvorsitzender Markus Braun
Ex Wirecard-Vorstandsvorsitzender Markus Braun

Foto: Sven Simon/Imageo Images

Wolfgang Sandkötter ist 68. Für kurze Zeit war der Diplomingenieur Aktienrentner. 75.000 Euro hatte er in Anteilsscheine eines deutschen Dax-Unternehmens investiert. „Seine Altersvorsorge“ sei das gewesen, sagt Sandkötter. „Ich habe die Aktie zuvor ein Jahr beobachtet, sie als solide Geldanlage eingeschätzt. Nach ein paar Jahren wollte ich sie wieder verkaufen, um Geld beiseitezulegen. Seine Kinder sollten später nicht für die Pflege des Vaters aufkommen.

Am Montag hat sich nun der frühere Vorstandsvorsitzende ebenjenes Dax-Unternehmens vor einem Münchner Gericht geäußert, das Wolfgang Sandkötters Altersvorsorge pulverisiert hat: die Wirecard AG. 20 Milliarden Euro war der Zahlungsabwickler einmal wert, davon ist nichts mehr übrig. Tausende Kleinanleger haben wie Sandkötter ihr Geld verloren. Weil die deutsche Tech-Hoffnung, die ursprünglich vor allem mit Zahlungen für Online-Pornos und Glücksspiel ihr Geld verdient hatte, sich als Luftnummer, schlimmer noch: als gigantische Betrugsmaschine erwiesen hat. Markus Braun, der CEO, steht nun wegen gewerbsmäßigen Bandenbetruges, Untreue und Marktmanipulation vor Gericht. Und will von nichts gewusst haben, wie er lang und breit vor Gericht darlegte.

Bei Braun mag das eine Schutzbehauptung sein: Zu schwer wiegen die Vorwürfe, die Firma habe ihre Zahlen vor allem daran orientiert, dass der Börsenkurs florierte. Was dazu führte, dass am Ende ein ganzes Standbein – das Drittpartnergeschäft in Asien – aus fiktiven Zahlen bestand. Aber nichts gewusst haben wollen auch die Bilanzprüfer des Konzerns, Ernst & Young, die dem Unternehmen Jahr für Jahr ihr Gütesiegel verpassten. Und nichts gewusst will auch die Finanzaufsichtsbehörde BaFin haben, die lieber kritische Journalisten verfolgte und anzeigte, die auf Ungereimtheiten in der Wirecard-Story hinwiesen, als selber genauer hinzuschauen, was man sich da aufschwatzen ließ.

Die Dummen sind am Ende alle, die auf das Gütesiegel Dax hereinfielen und einem angeblichen deutschen Tech-Wunder ihr Geld anvertrauten. Kleinanleger wie Wolfgang Sandkötter, die damit ihre Altersvorsorge aufbessern wollten. Die bittere Wahrheit bleibt: Es ist nicht davon auszugehen, dass ein Fall wie der von Wirecard sich nicht wiederholen könnte.

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Geschrieben von

Pepe Egger

Ressortleiter „Wirtschaft“ und „Grünes Wissen“

Pepe Egger ist Redakteur für Wirtschaft, Grünes Wissen und Politik. Er hat in Wien, Paris, Damaskus und London studiert und sechs Jahre im Herzen des britischen Kapitalismus, der City of London, gearbeitet. Seit 2011 ist er Journalist und Reporter. Seine Reportagen, Lesestücke und Interviews sind in verschiedenen Zeitungen und Zeitschriften erschienen. 2017 und 2019 wurden seine Reportagen für den Henri-Nannen- bzw. Egon-Erwin-Kisch-Preis nominiert. 2017 wurde Pepe Egger mit dem 3. Platz beim Felix-Rexhausen-Preis ausgezeichnet. Seit 2017 arbeitet er als Redakteur beim Freitag.

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