Fluch oder Segen?

Tarifpartner Die Ausbildungsplatzabgabe wird im Bereich Landschaftsbau seit Jahrzehnten mit Erfolg praktiziert

Im Dualen System werden Jugendliche in der Regel über drei Jahre an jeweils vier Tagen der Woche im Betrieb und an einem Tag in der Berufsschule ausgebildet. "Rund zwei Drittel aller Jugendlichen in Deutschland absolvieren eine betriebliche Ausbildung. ... Das berufliche Bildungssystem in Deutschland hat weltweit die engste Verbindung zur Beschäftigung. Es reagiert auf veränderte Strukturen in Wirtschaft und Gesellschaft im Vergleich zu staatlichen Bildungssystemen relativ schnell", so der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) in seinem Positionspapier. Allerdings ist nicht alles Gold, was glänzt. Im Dualen System kann nur in den Bereichen ausgebildet werden, wo schon Betriebe vorhanden sind. Hinzu kommt, dass die individuelle Qualität der betrieblichen Ausbildung unterschiedlich und damit wenig verlässlich ist. Sie hängt nicht zuletzt von Betriebsstruktur und Auftragslage ab.

Karlheinz Geißler von der Bundeswehruniversität in München erklärte auf einer Tagung der baden-württembergischen Handwerkskammer, "das Hochglanzmarketing, mit dem das Duale System weltweit angepriesen" werde, führe letztlich dazu, "die Problem belastete Wirklichkeit zu verkennen." Er geht hart mit den Protagonisten des Dualen Systems ins Gericht. Vom ehemaligen Standortvorteil habe sich das System deutscher Berufsausbildung zu einem Standortnachteil gewandelt. "In allen Nachbarländern gibt es einen breit ausgebauten Bereich berufsqualifizierender Vollzeitschulen, die eine Alternative zum Dualen System der Berufsausbildung darstellen." Die OECD belegt regelmäßig, dass die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit eines Landes vom Bildungsniveau und der Bildungsbeteiligung seiner Bevölkerung abhängt und bescheinigt der Bundesrepublik mangelnde Konkurrenzfähigkeit aufgrund mangelnden Bildungsniveaus der Bevölkerung auf nahezu allen Qualifikationsebenen. Der Bundeswehrprofessor Geißler sieht sich bestätigt, denn "... die Dänen erhielten die von der Bertelsmann-Stiftung verliehene Auszeichnung, das weltweit beste Berufsausbildungssystem zu haben - nicht Deutschland."

Selbst der DIHK räumt in seinem Positionspapier ein: "Unser Ausbildungssystem ist wegen seiner engen Verbindung zum Beschäftigungssystem von den allgemeinen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen abhängig." Und das ist der kritische Punkt, der die Gemüter unabhängig von der Qualität der Berufsausbildung im Dualen System erhitzt.

Die Ausbildung ist nicht nur von der Ausbildungsbereitschaft der Betriebe, sondern stark von der jeweiligen Konjunktur abhängig und damit insgesamt zu wenig verlässlich, um den Ausbildungsplatz suchenden Jugendlichen eine Perspektive bieten zu können. "Experten schätzen die Zahl der in den vergangenen Jahren nicht vermittelten Jugendlichen auf 120.000 bis 150.000, die auch heute immer noch an einer beruflichen Ausbildung interessiert sind. Und wir haben über 460.000 arbeitslose Jugendliche unter 25 Jahren und davon rund zwei Drittel ohne Ausbildung", stellt daher die SPD-Bundestagsfraktion in ihrem Papier - "Eckpunkte Ausbildungsfinanzierung" - im November 2003 fest.

"Es ist ein Skandal, dass sich offensichtlich einige ideologisch geprägte Interessenvertreter in der SPD-Fraktion durchsetzen", kommentiert Ludwig Georg Braun, Präsident des DIHK, die Vorschläge einer Ausbildungsplatzabgabe. "Je schneller sie vom Tisch ist, desto besser stehen die Chancen für die Jugendlichen, einen Ausbildungsplatz zu finden", behauptet der DIHK in seiner jüngsten Broschüre Für Ausbildungsplätze - Gegen Ausbildungsplatzabgabe.

Dabei funktioniert die Ausbildungsplatzabgabe sehr wohl seit Jahrzehnten überaus erfolgreich. Beispielsweise in einem Beruf, der sich auf eine sehr lange Tradition berufen kann. Schon 1977 beschlossen der Bundesverband Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau sowie die damalige Gewerkschaft Gartenbau, Land- und Forstwirtschaft (heute Industriegewerkschaft Bauen, Agrar, Umwelt - IB BAU) in einem Tarifvertrag über die Berufsbildung in ihrer Branche die Gründung eines Ausbildungsförderungswerks. Alle Garten- und Landschaftsbaubetriebe müssen in den gemeinsamen Topf zur Ausbildungsförderung einzahlen, die Umlage beträgt 0,8 Prozent der Bruttolohnsumme. Der ausbildende Betrieb erhält rund 4000 Euro für jeden Auszubildenden. Dafür werden 30 Prozent der Umlage verwendet. Der zuständige Arbeitgeber-Präsident Werner Küsters will mit überbetrieblichen Maßnahmen die Qualität der Ausbildung erhöhen. Denn "die einzelnen Betriebe sind sehr unterschiedlich strukturiert: Der eine baut nur Golfplätze, der andere nur Dachbegrünung, der dritte legt nur Hausgärten an." Daher werden 40 Prozent der Umlage in überbetriebliche Ausbildungsmaßnahmen investiert.

Offensichtlich führt diese Umlagefinanzierung nicht in die Pleite, sondern rechnet sich sogar für die "GaLaBauer", denn die Zahlen sprechen für sich. Nach den Statistiken des zuständigen Verbraucherschutzministeriums haben sich von 1982 bis 2002 die Zahlen der Auszubildenden im Garten- und Landschaftsbau mehr als verdoppelt, während sie sich im übrigen Gartenbau halbiert haben.

Beachtliche 21 Prozent der Umlage werden in Nachwuchswerbung und Öffentlichkeitsarbeit gesteckt. Für Küsters ist Nachwuchswerbung nicht nur notwendig, um die Betriebe mit einer ausreichenden Anzahl von Fachkräften zu versorgen, sondern auch eine "soziale Verpflichtung" gegenüber den suchenden Jugendlichen, um sie auf den kreativen Beruf aufmerksam zu machen, der nicht wegzurationalisieren sei. Ein Grund für die große Akzeptanz bei den Betrieben ist laut Küsters der geringe Anteil der Verwaltungskosten mit nur fünf Prozent der Gesamtausgaben.

Für ihn und den IG BAU-Vertreter Karl-Heinz Lach hat das erfolgreiche Modell eine Erklärung: "Unser Ausbildungsförderungswerk versteht sich bewusst als Solidargemeinschaft, und wir haben eine demokratische Lösung gefunden, die Gremien sind paritätisch besetzt." Wenn das Duale System der Berufsausbildung überhaupt noch zu retten ist, dann nur so. Wer hindert die ausbildende Wirtschaft, sich diesem erfolgreichen Modell anzuschließen, außer "ideologisch geprägte Interessenvertreter"?


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