Alle Jahre wieder: Der Ausländer

Migration Dieses Mal sind es die Bulgaren und Rumänen. Europas Armutshaus steht vor der Tür und das Fest der Liebe und Zuneigung ist für den Deutschen - wieder einmal.

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Seit dem 1. Januar gilt die Freizügigkeit für Bulgaren und Rumänen in Deutschland. Sie können nun nach Deutschland kommen, hier leben, arbeiten und unser Sozialsystem in Anspruch nehmen. Soweit, so schlecht. Denn laut CSU scheint hier eine Einwanderungswelle in die Sozialsysteme programmiert. Die EU-Wahl steht an und die CSU positioniert sich, gestärkt durch die Bundestagswahl, der starken heimischen Wirtschaft in Bayern sowie einen mit Selbstbewusstsein strotzenden Horst Seehofer, am rechten Fleck der CDU.

Dabei verdaut Deutschland gerade noch die Polen und Tschechen. Als damals die Freizügigkeit für diesen Bevölkerungsteil der EU galt, waren alle Kameras Richtung Osten gerichtet. Was wird nun passieren, lautete damals die Frage. Heute wissen wir. Was heute nur noch in kleinen Örtchen unter NPD Flagge als Feind gesehen wird, geht am Deutschen ohne große Wahrnehmung vorbei. Das Schreckgespenst des Polen und Tschechen hat sich aus Sicht damaliger Parteien nicht als Wahrheit entpuppt. Im Gegenteil.

Sie sind es, die eine wachsende Generation an älteren Menschen pflegen, die Fenster putzen und auch sonst die Art von Arbeiten erledigen, die heute kaum noch jemand machen will. Selbiges wird für Bulgaren und Rumänen gelten. Gering qualifiziert, elendige Armut in ihrer Heimat und keine Perspektive auf Besserung. Es ist wie gerufen für unser System. Deutschland benötigt billige Arbeitskräfte, die das Fleisch bei Tönnies und anderen Fleischbetrieben in zwölf Stundenschichten bearbeiten, unsere Alten pflegen oder unsere Häuser putzen. Sie sind billig, haben oftmals keine Rechte und leben eingepfercht in Häusern oder viel zu kleinen Wohnungen. Sie akzeptieren es, weil sie Hoffnung auf Besserung haben und erdulden die Erniedrigungen.

Für die Deutschen ist es eine „Win-Win-Situation“. Der Deutsche echauffiert sich und etabliert ein neues Feindbild. Nach den Polen und Tschechen, sind es die Bulgaren und Rumänen. Ein Feindbild wird abgesteckt und kategorisiert. Den Widerstand geben die Deutschen in Form von CSU und AfD zum Ausdruck. Die Fakten, was Wahrheit und Lüge ist, haben alle und doch keiner. Pauschalisierungen sind an der Tagesordnung aber der Mob zieht los, der Stammtisch nickt. Der Kampf, der hier ausgetragen wird, kann unfairer nicht sein und niemanden scheint das zu kümmern. Die Kanzlerin nimmt keine Stellung dazu und lässt die CSU gewähren. Sie taktiert wie immer im Dunkeln und dabei kommt ihr Beckenbruch wie gerufen. Verdrängt er doch die Bulgaren und Rumänen von den Titelseiten. Denn wenn die Kanzlerin fällt, scheint selbst der Bulgare oder Rumäne nicht mehr so wichtig – zumindest für eine kurze Zeit. Denn die Europawahl steht vor der Tür. Und die ganzen Gerd Wilders und Le Pens in Europa warten schon.

Mit sehnsüchtigen Blicken richten sich Deutschlands Rechte in den heutigen Tagen nach Australien. Die dortige Einwanderungswelle an Flüchtlingen und Armutseinwanderern wird ganz anders angegangen. Diesen Einwanderern wird kurzerhand ein Boot gegeben und damit geht es dann weiter Richtung Indonesien.

Eine solche Politik, sei es von CSU, der amtierenden Regierung in Australien oder aber der USA und ihrem Grenzzaun an der mexikanischen Grenze ist bezeichnend für das Problem der westlichen Welt. Armutseinwanderung wird es immer geben, auch in der EU. Dort sogar auf legale Weise. Sie wird, wenn ein Blick in die nahe aber auch fernere Zukunft geworfen wird, auch immer weiter existieren und mit großer Wahrscheinlichkeit ansteigen. Neun Milliarden Menschen wollen so leben wie wir, können es aber logischerweise nicht. Denn jemand muss diesen Luxus billig erwirtschaften, auf dem wir uns ausruhen.

Klimawandel, steigende Wasser- und Ressourcenknappheit sowie die steigende Weltbevölkerung sind Probleme, die früher oder später die westliche Welt vor eine Frage stellt. Sind wir bereit Wohlstand zu teilen, oder werden wir alles geben, diesen Wohlstand mit allen Mitteln zu verteidigen? Die Freizügigkeit für Bulgaren und Rumänen kann auf EU-Ebene als ein kleines Experiment gesehen werden. Der Westen öffnet sich, behutsam und vorsichtig. Wissend, dass eine zu große Menge an Einwanderern das ganze System ins Wanken bringt. Nicht unbedingt wirtschaftlich, sondern eher gesellschaftlich. Das Fremde, die Unbekanntheit, ist das Größte, wovor sich die Bevölkerung fürchtet. Wer sind diese Menschen, was machen sie und warum machen sie das, was sie machen? Was wollen sie von uns, was wollen sie von mir?

Nun, im Grunde wollen sie ein besseres Leben. Das wollen alle. Sprach- und teilweise auch Kulturbarrieren verhindern aber einen direkten Austausch von Informationen und so wird sich fluchtartig anderweitig eine Antwort auf die Fragen gesucht. Das war schon mit den Polen und Tschechen so, wird mit den Bulgaren und Rumänen ebenso sein und lässt sich selbst global widerspiegeln. Es ist die unbequeme Seite der Globalisierung, die auf die Gesellschaft prallt. In einer Zeit, in der Probleme immer komplexer werden und nicht mehr national zu lösen sind, in der sich die Wirtschaft internationalisiert hat und die Musik der Politik im fernen Brüssel oder beim IWF spielt, hat die Gesellschaft einen letzten Zufluchtsort gefunden. Ein Thema, das es schon immer gab und die es immer geben wird – der Ausländer. Ob diese Thematik in Unwissenheit oder mit vollem Wissen diskutiert wird, scheint hier keine große Rolle zu spielen. Die Politik fängt diesen Spielball auf, ist es doch die Wählerschaft, die sie an der Macht hält. Und so beginnt alle Jahre wieder das Spiel mit dem Ausländer. Die Europawahl wird zeigen, wer den Ball fängt. Mit Hinblick auf die rechten Auswüchse in den Niederlanden, Frankreich, Finnland oder auch Österreich scheint sich ein klares Bild abzuzeichnen. Auch hier in Deutschland entsteht schleichend diese Bewegung, die sich auf keinen Fall auf der rechten Seite der Parteienlage sehen will, aber gerne einmal die Strecke durch den braunen Sumpf nimmt.

„Arbeit zu den Armen bringen – und anständig bezahlen!“ Ein Kommentar von Matthias Naß, der eine weitere These der Armutsmigration auffängt.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Peter Jelinek

Europäer 🇪🇺 & Anhänger der Menschlichkeit. @Peter_Jelinek

Peter Jelinek

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