Die Wahl am Sonntag ist nicht nur eine Wahl über die Zukunft des Berliner Stromnetzes oder eines ökologischen, sozialen Stromwerkes gewesen. Sie diente auch als Opposition gegen die von der SPD und CDU geführte Regierung in Berlin. Der Angstschweiß des Senats war groß in diesen Tagen. Mit Hängen und Würgen hat dieser ein kümmerliches Stadtwerk beschlossen, dass schon direkt nach der Gesetzgebung zum Scheitern verurteilt ist und doch hat es gezeigt, die direkte Demokratie bringt Feuer ins Spiel.
Schon in Umfragen kam durch, dass die Berliner den Volksentscheid unterstützen. Zahlen von bis zu 70% für den Volksentscheid waren normal. Und dennoch hatte all das einen bitteren Beigeschmack, war es doch abzusehen, dass die Wahlbeteiligung niedrig sein wird. Gerade einmal 30% der Wahlberechtigten gingen zur Urne und stimmten ab. Auch wenn es dann noch einmal knapp geworden ist, das Quorum wurde mit 24,1 von 25 Prozent (Stand 20:15Uhr) nicht erreicht. Das Ziel von SPD und CDU war somit erreicht. Denn wäre der Volksentscheid am Tag der Bundestagswahl ermöglicht worden, wäre hier mit Sicherheit eine durchaus höhere Wahlbeteiligung vorhanden gewesen und schlussendlich auch ein knapper Sieg wie in Hamburg möglich.
Es ist absurd zu sehen, wie Menschen weltweit auf die Straßen gehen und ihr Leben für eine demokratische Lebensweise riskieren und hier in Berlin, der aktuell inoffiziellen Hauptstadt Europas, schaffen es gerade einmal 30 Prozent von ihnen mit "Ja" oder "Nein" abzustimmen. Man muss kein Anhänger des Volksentscheid gewesen sein. Ein "Nein" oder "Ungültig" wäre ebenso ein Zeichen für mehr Demokratie gewesen, hätte es doch gezeigt, dass Volksentscheide auch in Zukunft für die Mehrheit der Bevölkerung in regionalen sowie überregionalen Fragen wichtig sind. In einer globalisierten Welt, in der sich fast tagtäglich die Zustände ändern, ist es nicht mehr ausreichend alle vier Jahre sein Kreuz zu machen, sondern erfordern gewisse Umstände auch gewisse Maßnahmen.
Nicht jede Entscheidung sollte im Volksentscheid enden, das ist klar. Demokratie lebt eben auch davon, dass es nicht jeder einzelnen Person recht gemacht werden kann. Doch hier in Berlin ist wieder eine Chance vertan worden der Politik zu zeigen, dass es ohne die Bürger nicht immer geht. Denn es wäre auch in Zeiten der Regierungsbildung von CDU und SPD ein klares Zeichen für die bundesweite, dezentrale und sozial verträgliche Energiewende gewesen. Leider siegt am Ende die Untätigkeit der Bürger, den Weg zum Wahllokal aufzufinden. Aber dann, meine Damen und Herren, bitte nicht das nächste Aufregen, wenn die Politik macht was sie will.
Demokratie, ja bitte. Wählen, nein danke.
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Kommentare 24
Einfach Ätzend! Aber passt schon, weil Jammern geht einfacher.
>Stell Dir vor Du darfst mitentscheiden & es interessiert Dich nicht, weil dann Schluss mit Meckern ist. <
Nicht nachvollziehbar ist allerdings auch, weshalb hier geborene &/oder lebende Nichtdeutsche bei Volksentscheiden, die alle Bewohner betreffen, nicht abstimmen dürfen. Vielleicht wären unter denen die erforderlichen 0,9 % gekommen.
Wichtiger als die Rekommunalisierung ist die Rekommerzialisierung des Menschen an einem verkaufsoffenen Sonntag. Vielleicht hätte man Gutscheine für Sahnetorte "Ihr Happen im Shoppingcenter" an den Wahlurnen verteilen sollen...
Es ist ein Kreuz mit dem Bürger,
hat er's mal in der Hand
http://polpix.sueddeutsche.com/bild/1.577452.1357313686/860x860/das-kreuz-kippenbergerfrosch.jpg
verpennt er es auf der langen Bank
http://www.abendzeitung-muenchen.de/media.facebook.aa34a55e-081d-4fd7-bfa2-9b4eb1b5d9d7.normalized.jpg
Hohe Quoren sind bekannt für ihre Nebenwirkungen. Die "Nein"-Abstimmer hätten mit der Abgabe ihrer Stimme vielleicht eine "Ja"-Entscheidung übers Quorum gelupft.
So sind sie einfach nicht hingegangen. Muss man zumindest vermuten.
Die Schweiz hat nicht umsonst sehr niedrige oder keine Quoren. Es ist nämlich irrelevant, wieviele abstimmen, es sind immer noch mehr als in einem Parlament sitzen. Und es gibt keinen Grund, dieses vorzuziehen.
"......es sind immer noch mehr als in einem Parlament sitzen. Und es gibt keinen Grund, dieses vorzuziehen."
*****
Anscheinend ist das ach so avantgardistische Berlin gar nicht so progressiv politisch, wie gemeinhin feuilletonistisch angenommen wird. Die Vorreiterkultur in der Hauptstadt ist in Wahrheit von einem Nebel des Apolitischen umgeben, das alternativ-hedonistische Milieu muss nicht wie 68 gesehen immer gleichbedeutend sein mit einem hohen Grad an Politisierung..
Die Hürde dieser simplen Entscheidung hätte in einer polarisierenden Gesellschaft locker genommen werden können. Tatsächlich befinden wir uns in einem Moment des Sattseins, Konsumismus hat uns alle verdorben, träge gemacht. Und Berlin ist wieder mal Anführer. Diesmal aber in den Abgrund der politischen Indifferenz.
Der Bürger kann halt nur das Wichtigste fest im Griff haben, sonst verliert er sein Gleichgewicht.
http://img834.imageshack.us/img834/2359/eqn1.jpg
Was bedeutet "*****" ?
"hätte in einer polarisierenden Gesellschaft locker genommen werden können."
Es ist immer schwer, Entscheide in einer anderen Gegend zu beurteilen. Wie war die mediale Berichterstattung? Pro-, contra, verwirrend, nicht vorhanden, Angst-einflößend etc.?
War das Thema für die Leute zu kompliziert oder uninteressant? Denkbar ist auch, dass sie sich keine eigene Meinung zutrauten und einfach zuwarten wollten, wer sich durchsetzt (tja Quorum kills democracy). Der Ansatz, ein Netz in Selbstorganisation aufzukaufen, ist vermutlich relativ neu und gewagt und Berlin nicht sehr reich.
"Tatsächlich befinden wir uns in einem Moment des Sattseins, Konsumismus hat uns alle verdorben, träge gemacht."
Bitte sprich nur für dich :-)
Ich halte es auch für unangebracht, bei jeder gescheiterten Weltverbesserungsabstimmung in Wehklagen und Kulturpessimismus zu verfallen. Schon wenn eine von 10 durchkommt ist das ein Gewinn.
Menschen sind konservativ, träge und meist mit sich selbst beschäftigt, nicht mit der Rettung der Welt. Darüber muss man sich im Klaren sein und aus Niederlagen lernen: Schrittgröße verringern, Lautstärke erhöhen, emotionalisieren, Quoren abschaffen.
Beim Freitag gab es einmal die Chance Kommentare, per Sternvergabe, zu bewerten.
Fünfe waren das Maximum......
Ach so, Danke. Zu der Zeit war ich noch nicht hier.
Meine Zeilen waren freilich pointiert und vielleicht auch verkürzend. Ich wollte nur zum Ausdruck bringen, dass der Berlin-Hype sich wohl auf das Kulturelle begrenzt, wenn nicht einmal ein solche, aus linksliberaler Sicht sinnvolle Initiative eine Chance hat..
Nicht einmal aufs Kulturelle. Nicht, dass es das in Berlin nicht genügend gäbe, aber der Hype nährt sich mehr aus einer oberflächlichen Party-Szene. Der Berliner an sich hat im Rest der Republick eher den Ruf eines ständig meckernden verschnarchten Spießer.
Tja, Berlin ist immer eine Party wert ;-) so vermutlich auch für die etlichen Zugvögel, die meisten von denen i.Ü. aus südlichen Gefilden.
Genau das war auch meine Beobachtung. In meinem Bekanntenkreis waren viele schlichtweg verunsichert ob der 11 Seiten Gesetzestext, die da zur Abstimmung standen. Die Zeitungen und sonstigen Medien halfen einem auch nicht weiter, jeder dort als "Energieexperte" Interviewte vermied es vehement, die Forderungen des Energietisches entweder zu loben oder zu kritisieren, sodaß Otto Normalverbraucher noch verwirrter dastand. Er wollte zwar ein eigenes Stadtwerk, stieg aber bei den Ausführungen des Energietisches schlichtweg nicht durch und konnte somit nicht beurteilen, ob es darin verborgene Ungereimtheiten gibt. Und bevor er was Falsches ankreuzt, geht er dann doch lieber erst gar nicht zur Abstimmung.
Danke, dass du dieses Thema auch anspricht. Berlin als Stadtstaat verbietet nämlich jeglichen EU-Bürger an dem Volksentscheid teilzunehmen (ich rede nicht mal von den Bürgern, die außerhalb der EU stammen – für sie ist es sowieso außer Frage). Das sollte auch irgendwann mal zum Thema kommen! Dieser Regel ist undemokratisch und bringt im Endeffekt Ungleichheit aufs Territorium Deutschlands.
Man muß das mal realistisch sehen, es haben immerhin 600.000 Bürger beim Volksentscheid mit "JA" gestimmt.
Bei der letzten Landtagswahl in Berlin hatten SPD und CDU zusammen etwas über 700.000 Stimmen.
So gesehen eine beachtliche Leistung des Energietisches, bei einer Landtagswahl wäre man mit dieser Stimmenmehrheit mit Sicherheit an der Regierung.
Alfred Kerr schrieb am 7. April 1895 in einem seiner "Berliner Briefe" für die Breslauer Zeitung: "Berlin ist noch die politischste Stadt Deutschlands. Aber selbst die Berliner zeigen bei öffentlichen Anlässen mit politischem Hintergrund immer jene Eigenschaft, welche Fürst Bismarck einst Wurschtigkeit genannt hat." So ist es auch heute noch – von vergleichsweise sehr wenigen kulturell und politisch engagierten Zeitgenossen abgesehen ist die Bevölkerung Berlins genau so kleinbürgerlich wie die im Ruhrgebiet oder in Hamburg, München, Stuttgart, Köln und so weiter. Fressen, Ficken, Fernreisen, das ist die Devise! Daß in Berlin trotzdem weit mehr los ist als in der Provinz ist allein der Tatsache geschuldet, daß diese Stadt weitaus urbaner ist als andere deutsche Städte; zu mehr Bürgersinn führt das aber, wenn denn, nur im Kiez.
@Georg von Grote
"Der Berliner an sich hat im Rest der Republick eher den Ruf eines ständig meckernden verschnarchten Spießer."
Denke mal, das ist Ihre persönliche Meinung, die Sie hier als Allgemeingut ausgeben, damit sie gewichtiger wirkt.
>Die "Nein"-Abstimmer hätten mit der Abgabe ihrer Stimme >vielleicht eine "Ja"-Entscheidung übers Quorum gelupft.
Nö, diese "Gefahr" (aus Sicht der Gegner) bestand nicht, denn dass Quorum bezieht sich allein auf die Anzahl der Ja-Stimmen. Hier waren 25% der Stimmberechtigten nötig.
Der Beschreibung von stimme ich zu. Wobei Vattenfall & co. (SPD & CDU) noch etwas ganz schlau machte: Sie entschieden sich taktisch dafür, GAR KEINE Plakate oder Anzeigen etc. zu schalten. Einerseits, um - wie ein Vattelfall-Sprecher öffentlich sagte! - "nicht noch mehr Öl ins Feuer der Gegner zu gießen", anderseits natürlich um nicht mehr Berliner daran zu erinnern, "daß da am 3.11 über etwas abzustimmen ist". Die Plakate des Energietisches waren gut verteilt, auch wenn nicht dicht. Jedenfalls sehe ich die größte Schuld an den Berlinern, die nicht zu Wahl gegangen sind - aber für die Ideen des Energietisches waren. Selber schuld. Ich selbst bin auch nicht wählen gegangen - weil EU-Bürger.
Wobei ich mich auch frage, ob es sinnvoll war seitens des "Energietisches", 2 Fragen in eine Abstimmung zu quetschen: Abkauf des Netzes und Gründung eines eigenen Stadtwerkes. Nach meiner Beurteilung waren nämlich viel mehr Menschen für das erste, aber nicht unbedingt für das zweite. Und einige sind - verwirrt oder durch die gebündelte Frage untentschlossen - nicht wählen gegangen...
Warum sollten bei Volksentscheiden nicht dieselben Regeln wie bei Bundestags-, Landes- und Kommunalwahlen gelten? Quorum ist unerheblich, allein die Pro- und Kontra-Stimmen. Das hätte den Vorteil, daß erstens mehr Volksentscheide etwas bewirken, und zweitens - daß auch die Gegner oder Untentschlossene sich informieren und hingehen! Denn oft ist es ja blöderweise so, daß es alleine um das Quorum geht, weil klar ist, daß nur Befürworter hingehen. Anders war es interessanterweise beim bayrischen Volksentscheid zum Rauchen und in Hamburg bei Schulen & bei Energie - da sind viele Gegner wie Befürworter wählen gegangen.
Der Anteil der Menschen die sich für politisches interessieren wird in politischen Kreisen immer überschätzt!
Ja, Danke für die Korrektur.
Zu dem Zeitpunkt wußte ich gar nicht, dass es derartig alberne Quoren gibt. Ist hier in BaWü offenbar aber genauso (ich habe nachgeschaut). Diese elende Parteiendrecksbande!