Kanada hat entschieden: Öl über alles

Teersande Albertas Teersande sind zum Symbol für Kanadas Reichtum und Innenpolitik geworden. Kaum ein anderes Thema polarisiert die Menschen so sehr, wie das schwarze Gold Amerikas

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Kanada hat entschieden: Öl über alles

Bild: Barry Williams/Getty Images

Nun also doch! Die Northern Gateway Pipeline (NGP) wird kommen, trotz gigantischer Proteste von Seiten der Wissenschaft und der lokalen Bevölkerung. Wieder einmal siegt Geld vor Vernunft.

Der Westen Kanadas ist geprägt vom nordamerikanischen Regenwald, den tief ins Land reichenden Fjorden und unzähligen Seen und Flüssen, die sich aus den Gletschern der Rocky Mountains nähren. An der Küste British Columbias liegt der bisher von Menschen nahezu unberührte Great Bear Rainforest, welcher tausende Tier- und Pflanzenarten beherbergt und Rückzugsgebiet für den weißen Schwarzbär, Wölfe, Elche und viele weitere große sowie kleine Säugetiere ist. Der Urwald ist hier noch intakt und Jahrzehnte lang wurden Holzfirmen ferngehalten. Mit seinen über 80 Meter hohen Bäumen, sowie anderen Rohstoffen wie Kohle oder Erzen, sind hier Begierden aufgetreten, die immer wieder von den First Nations aber auch anderen lokalen Gruppen sowie Umweltschützern abgewehrt wurden. Nun aber fällt die letzte Bastion: Enbridge, zukünftiger Betreiber der Northern Gateway Pipeline, hat die Zusage von ganz oben – Steven Harper. Der liberalkonservative Premierminister Kanadas gab nun sein go für die Ölpipeline, die von Seiten Enbridges und der kanadischen Regierung gerne als die Brücke in eine glanzvolle Zukunft Kanadas gesehen wird.

Die Pipeline ist ein Hoffnungsschimmer für die heimische Ölindustrie.Die Teersande im Herzen Albertas rentieren sich bis dato kaum. Denn das Öl wird auf dem nordamerikanischen Markt angeboten, der einen deutlich niedrigeren Preis bietet als der Preis pro Barrel Öl auf dem Weltmarkt. Die 1.177 Kilometer lange Pipeline soll hier endlich Abhilfe schaffen. In Kitimat liegt dann die lang ersehnte Verbindung zum Weltmarkt. Denn dort führt die Pipeline hin. Quer durch den Westen Kanadas, wird das schmutzigste Öl der Welt transportiert und somit steht den Gewinnen der großen Firmen nichts mehr im Wege.

Im Jahr 2008 gab es zwölf Ölkonzerne, die in der Athabasca-Region 722.000 Barrel Öl am Tag förderten. Bis zum Jahr 2020 sollen es 18 Unternehmen und 2.596.000 Barrel täglich sein. Auch europäische Ölfirmen lassen sich das Geschäft nicht entgehen und investieren fleißig mit. Das Colorado Energy Institute rechnet mit jährlich etwa 350 Millionen Tonnen CO2, die Kanada zusätzlich in die Atmosphäre bläst (WWF, 2008). Das entspricht den Jahres-Emissionswerten der gesamten deutschen Energiewirtschaft. Nicht nur für das Klima und die örtliche Region ist die Förderung des Öls eine Katastrophe. Auch für die Firmen – noch. Aber insgesamt liegen in der kanadischen Tundra 1,7 Milliarden Barrel Öl, welches somit zu einem der größten erreichbaren Ölvorkommen der Welt geworden ist - nur Saudi Arabien und Venezuela haben noch mehr. Ein Topf voller Gold, im Herzen Kanadas.

Dass die Klimaziele somit nicht erreicht werden, stellt niemand mehr in Frage. 300 namentliche Wissenschaftler aus Kanada erklärten in einem Brandbrief an den Premierminister, dass der Bau der Pipeline und das Festhalten an den Teersanden Kanada und die Welt teuer zu stehen kommen wird. Schon 2011 kündigte Kanada, ebenfalls unter Steven Harper, kurzerhand seinen Austritt aus dem Kyoto-Protokoll an. Denn nachdem bekannt wurde, dass die gesetzten Klimaziele nicht annähernd erreicht werden können wurden Milliarden Dollar an Strafzahlungen fällig. Über Jahre hinweg hat sich Kanadas Umweltpolitik radikal gewandelt. Galten die USA unter Bush als der große Sünder in Sachen Umweltpolitik, so hat sich das Bild auf dem nordamerikanischen Kontinent geändert. Mittlerweile ist Kanada einer der großen Initiatoren, wenn es um Öl- oder andere Rohstoffausbeute geht, sowie die Reduzierung der Umweltpolitik in allen Bereichen.

Das go für die Pipeline ist somit ein wichtiges Signal für die Ölindustrie. Denn derzeit ist es die einzige Hoffnung, das Öl an den Weltmarkt zu binden. US Präsident Obama hadert aktuell noch mit seiner Zusage für die geplante Ölpipeline Keystone XL, die von Edmonton, Herz der Ölindustrie und der Teersande, bis an die texanische Küste verlaufen soll. Ein Projekt der Superlative, das vom schlichten Yes oder No eines Mannes abhängig ist. Experten sind sich bis jetzt nicht einig, wie der Präsident reagieren wird. Denn nicht nur Umweltschützer kritisieren die Pipeline. Aus den eigenen Reihen regt sich Widerstand gegen das Projekt. Mit der Zusage Harpers zur NGP soll hier ein Zeichen gesetzt werden: Keystone XL ist ein wichtiges Projekt, aber zur Not machen wir das eben ohne euch.

Denn die NGP ist nur der Anfang. Ist der Weg einmal bereitet und die Barriere überschritten, folgt bekanntlich mehr. Und wieder einmal zeigt sich: Geld gewinnt vor Vernunft. Kanada und der Welt wird das teuer zu stehen kommen.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Peter Jelinek

Europäer 🇪🇺 & Anhänger der Menschlichkeit. @Peter_Jelinek

Peter Jelinek

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