Wählen gegen die Demokratie

Volksentscheid Was in der Schweiz praktiziert wird, weckt auch hier zu Lande mehr Begehren. Doch Volksentscheide ersticken den Pluralismus, der für eine Demokratie von Nöten ist.

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Erst vor kurzer Zeit rief die Schweizer Regierung ihre Bürger wieder zur Wahlurne. Diesmal ging es um die Begrenzung von Managergehältern, Betreuungsgeld und Autobahnen. Alle Volksentscheide scheiterten. In Kroatien dagegen entschieden sich die Wähler für das christliche Ehemodell, auf Kosten einer Minderheit. Und wenn 2017 in Großbritannien zur Urne gerufen wird, werden die Briten sich wohl gegen die EU entscheiden und damit Jahrzehnte der Annäherung und des Zusammenseins hinter sich lassen – wenn die aktuellen Umfragen Recht behalten.

Volksentscheide können somit auch konträr zur Demokratie wirken. Ob es um den Bau von Moscheen, Minaretten, der Ehe für Gleichgeschlechtliche oder den Erhalt des Eurowährungsraumes bzw. der EU im Ganzen geht. Hier sollte, zum Wohle der Demokratie, nicht das Volk befragt werden, sondern vielmehr die Vertreter des Volkes, die Politik. Herrschen doch, wie die Vergangenheit gezeigt hat, zu viele Vorurteile oder Ängste davor, dass Minderheiten wie Homosexuelle und Muslime sich frei entfalten dürfen. Bei diesen Entscheidungen darf es nicht darum gehen, was eine breite Masse der Bevölkerung will, wie wir an den Demonstrationen in Frankreich gegen die Ehe für Gleichgeschlechtliche sehen konnten, sondern darum, dass ein Volk Demokratie lernen und auch erdulden muss.

Der Pluralismus wird durch Volksentscheide dieser Art im Keim erstickt. Die Politik muss sich hier in der Verantwortung sehen, Demokratie zu leben. Und nicht in Volksentscheiden für jegliche Entscheidungsfindung abzutauchen, sondern vielmehr in die Position des Entscheidungsträgers zu treten. Auch wenn dies nicht immer leicht fallen mag. Dazu ist Politik verpflichtet. Minderheiten zu schützen und ihnen Rechte einzuräumen, damit diese sich in einer vielfältigen Demokratie entwickeln können. Selbiges gilt für das Projekt Europa, welches seit jeher ein stetiges Projekt der Entwicklung war und sein wird. Es ist freilich kein Projekt ohne Fehler, aber es ist ein Vorzeigeprojekt in der internationalen Zusammenarbeit und hat uns über 60 Jahre Frieden verschafft. Das Europa für immer krisenfrei existieren wird, war und ist völlig utopisch. Aber nicht jede Krise ist das Ende der Welt, anscheinend aber das Ende einer gemeinschaftlichen Entwicklung, mit Hinblick auf die Europawahl im Frühjahr 2014. Denn die Entwicklung rechter Parteien, die nicht nur Europa, sondern auch den Pluralismus und somit die Demokratie im Keim ersticken wollen, lässt nichts Gutes ahnen. Volksentscheid klingt bürgernah, doch ist es in einigen Fällen indirekt am Bürger vorbei gelenkt und das aus reinem Eigeninteresse einiger weniger.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Peter Jelinek

Europäer 🇪🇺 & Anhänger der Menschlichkeit. @Peter_Jelinek

Peter Jelinek

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