Kolumne #19: Die UNCTAD und das Hintergrundrauschen aus Genf

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Assad rüstet heimlich auf, Netanjahu lässt die Säbel rasseln. Und der Iran redet wieder, während Grass besser geschwiegen hätte. Im Hintergrund all dessen erklingt ein heftiges Rauschen aus Genf.

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Wallstreet: Die Luftschlösser der Finanzindustrie?
(Foto: Michael Aston)

„Der Spaß ist jetzt vorbei, ab morgen wird gestorben. Im dritten Weltkrieg kämpft der Süden gegen den Norden“, warnte der (West)-Berliner Rapper Justus Jonas 1999 im SongZeichentrickseine Hörer. „Weil wir Amerika entdeckten, beherrschen wir die Welt. Das wird nicht immer so bleiben, bald lebst du in einem Zelt.“ So viel Politik musste dann aber auch genug sein. Mehr hätten pubertierende Jugendliche wie ich auch nicht verkraftet.

Trotzdem muss ich immer wieder an die Zeilen denken. Während in Syrien die am Donnerstag in Kraft getretene Waffenruhe bereits bröckelt, Kofi Annan seine erstensechs UN-Beobachter entsendet, ein deutscher Frachter beladen mit schweren Waffen und Munition auf den syrischen Seehafen von Tartus zusteuert – das, nachdem das Schiff seinen Transponder ausgeschaltet hat und so von derBildfläche verschwand –, legt sich die Debatte über Günter Grass plump-einseitige Israelkritik. Und der Westen redet wieder mit dem Iran. Endlich.

Syrien, Iran, Israel und Grass. Alles das hat unmittelbar miteinander zu tun. Syrien ist einer der letzten Verbündeten des Iran. Nicht umsonst sollen die Waffen auf dem deutschen Frachter, der – wie es vom Spiegel heißt – an eine ukrainische Firma verliehen sei und unter der Flagge eines karibischen Inselstaates fahre, aus dem Iran stammen.

In Israel wird bald gewählt. Benjamin Netanjahu instrumentalisiert dafür jenes Horrorszenario, das seinen Hardliner-Kurs gerechtfertigt: Die Vernichtung des jüdischen Staates durch den Iran. Dessen Präsident Mahmud Ahmadinedschad ist weit mehr als ein "Maulheld" wie der verkalkte Literaturnobelpreisträger Grass in seinem umstrittenen SZ-Leitartikel schrieb – von einem Gedicht zu sprechen, halte ich für übertrieben.

Ob Populismus oder nicht: Die Vernichtung Israels steht ganz oben auf Liste von Ahmadinedschad. Da ist das iranische Atomprogramm ohne Frage eine Bedrohung für Israel. Ob jedoch allein die Drohung einen israelischen Präventivschlag legitimiert, ist eine andere Frage. Und dass Netanjahus Säbelrasseln nicht gerade den Frieden in der Region vorantreibt, ist auch klar. Wäre die Lage nicht so ernst, könnte man sagen, die Art, wie Netanjahus Regierung einen Erstschlag rechtfertigt, hat zumindest ein Geschmäckle, genauso wie Deutschlands Lieferung von U-Booten, die dazu umgerüstet werden können, Atom-Sprengköpfe abzufeuern. Fakt ist nämlich – und in diesem Punkt hat Grass recht: Israel hat die Bombe, an der der Iran noch arbeitet. Aber glücklicherweise scheinen Teheran und der Westen zur Vernunft gekommen zu sein. Man will wieder miteinander verhandeln.

Doch Syrien, Iran, Israel und Grass (Nordkorea und die Taliban): Das ist nicht alles. Im Hintergrund lässt sich kräftiges Rauschen vernehmen. Da ist noch ein anderer Krieg. Der Süden kämpft gegen den Norden, wie Justus Jonas voraussagte – nicht mit Panzern, sondern mit seiner wachsenden Wirtschaftskraft.

Die EU hat den Internationalen Währungsfonds (IWF) zur Hilfe gebeten, den stark angeschlagenen Euro mit seinen Mitteln aus der Versenkung zu heben. Doch die Schwellenländer sind nicht bereit, Hilfsgelder in den Euroraum zu pumpen. Die Aufstockung des Europäischen Rettungsschirms war geringer als versprochen, kritisierte Paulo Nogueira Batista im Spiegel. Er vertritt Brasilien und acht weitere lateinamerikanische Staaten im Exekutivdirektorium des IWF. „Die Europäer wollen unsere Hilfe, kommen uns aber bei der IWF-Reform nicht entgegen“, sagte Batista dem Spiegel. Auch wenn es schmerzt: Recht hat er.

Die beiden Chefsessel von Weltbank und IWF werden traditionell unter Vertretern der nördlichen Hemisphäre aufgeteilt. Die USA bekommen die Weltbank, Europa den Internationalen Währungsfonds. Dies ist Brauch, ein ungeschriebenes Gesetz. Und es wurde bisher nie gebrochen. Bei einem Treffen der G20 hat Europa 2009 versprochen, künftig auf denChefsessel des Währungsfonds zu verzichten. Nach Dominique Strauß-Kahn hätte der Posten mit einem Ökonomen aus den Schwellenländern besetzt werden müssen. Nun heißt die Grande Madame des IWFChristine Lagarde und kommt aus Frankreich. Wie selbstverständlich wurde auch dieses Versprechen gebrochen.

Brasilianer Batista halte es für möglich, so der Spiegel, dass die Frage nach zusätzlichen IWF-Geldern erst im Juni auf dem G20 Gipfel in Mexiko geklärt werde. Wachsende Schwellenländer wie Brasilien und Indien lassen immer häufiger die Muskeln spielen. Das müssen sie auch. Denn es geht um Macht.


Wie Guardian und Asian Times schreiben, versucht der Norden den Einfluss der Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung (UNCTAD) zurückzudrängen. Die UNCTAD gilt innerhalb der internationalen Organisationen als Stimme des Südens. Sie legt Berichte vor. In der kommenden Woche wird in Katars Hauptstadt Doha das Mandat der UNCTAD für die folgenden vier Jahre verhandelt. Und wenn es nach den westlichen Staaten geht, soll die Konferenz künftig die Finger von den Themen wie Makroökonomie und Finanzpolitik lassen.

Weltbank und Internationaler Währungsfonds lieferten ja bereits ausreichende Berichte zu den Themen. Damit wären die Analysen der UNCTAD überflüssig. Außerdem würde es nur Verwirrung stiften, wenn verschiedene internationale Organisationen zum gleichen Themenfeld unterschiedliche Standpunkte hätten.

Klar. Die UNCTAD ist für den Norden ein Störfaktor. Sie kritisiert die Globalisierung der Finanzmärkte. Ihre Berichte haben vor vielen Krisen in den vergangen zwanzig Jahren gewarnt: vor der mexikanischen 1994/95, der Asien-Krise 1997 und der argentinischen Krise 2001.Am 11. April haben 49 ehemalige Mitarbeiter des UNCTAD in Genf eine Erklärung unterzeichnet. Unter dem Titel „Silencing the message or the messenger …. or both?“ heißt es darin, die Analysen des UNCTAD hätten immer eine Alternative zur Sichtweise von IWF und Weltbank geboten. Einige wenige Länder, heißt es weiter, unterdrückten jede abweichende Meinung gegen die herrschende Orthodoxie (des Neoliberalismus). Die UNCTAD habe immer vor den Gefahren der übermäßigen Deregulierung der Finanzmärkte gewarnt. Da sie keinerlei praktische Befugnis habe, sei sie auch unbeeinflusst von wirtschaftlichen Interessengruppen.

Der ehemalige Sekretär der UNCTAD, Rubens Ricupero, sagte der Asian Times, es gebe eine lange Tradition des Nordens, die UNCTAD klein zu halten. Und Ökonom Norman Girvan sagte der Zeitung: "The attack on UNCTAD is the latest manifestation of desperate attempts by the North to stamp out challenges to its intellectual and ideological hegemony and of the power of financial lobbies in New York, London and other Northern capitals."

So kommt Guadrian-Autor Robert Wade auch zu dem Schluss, es sei schon ironisch, dass gerade westlich-dominierte Institutionen wie IWF und Weltbank, die stets den Wettbewerb predigen, ihn zu unterdrücken versuchen, wenn es um die Analyse der Weltwirtschaft geht. Offenbar kämpfen die Finanzzentren New York und London um ihre Deutungshoheit. Sie wollen nicht weniger als das Monopol.

Doch die wirtschaftliche Flaute in den USA und die europäische Krise zeigen deutlich: Die Deregulierungsdogmen von IWF und Weltbank a tun auch uns, dem globalen Norden, nicht gut. Wir sollten uns auf ihren Wirtschaftskrieg gegen den Süden nicht einlassen. Denn auf lange Sicht sitzen Länder wie China, Indien und Brasilien ganz klar am längeren Hebel.

Dieser Beitrag stammt von meiner Sonntagskolumne auf www.peterknobloch.net

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Peter Knobloch

Seit September arbeite ich als ifa-Redakteur bei Radio Neumarkt in siebenbürgischen Neumarkt, Târgu Mureș

Peter Knobloch

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