Kolumne #7: Der Feind im Kühlschrank

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► Den eigenen Fleischkonsum reduzieren oder gar ganz darauf verzichten? Dafür gibt es viele gute Gründe – Es gibt aber auch Schlechte

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Wenn Milch zum Sündenbock wird, sollten wir über den gesunden Menschenverstand reden. (Foto: Peter Knobloch)

Neulich beim Frühstück kam – wieder einmal – das Thema Fleischkonsum zur Sprache. Am Tisch saßen inklusive mir drei Karnivoren und eine Vegetarierin, meine liebenswerte Mitbewohnerin, die sich zurzeit sogar vegan ernährt. Nicht selten schadet ihre gute Tat meinem guten Gewissen. Nun aber konnte ich ungehemmt in mein Schinkenbrötchen beißen, war nicht mehr der einzige und wusste Anwälte der Fleischeslust an meiner Seite. Leute, die sich in meine Lage versetzen können und mich verstehen, wenn ich darüber lamentiere, wie schwer es ist, mit einer Vegetarierin zusammenzuleben. Für meine Mitbewohnerin sei alles in Ordnung, sagte sie, solange ich nicht meine Salami auf ihrem Tofu ablege, so wie erst kürzlich erst geschehen. Außerdem könne sie mich trösten, sie habe eine Geschichte gehört, die auch für sie eindeutig zu weit gehe.

Da gibt es eine Wohngemeinschaft, in der bis auf eine Vegetarierin alle Bewohner vegan leben. Besagte Vegetarierin hatte es doch tatsächlich fertig gebracht, eine Tüte Milch in den Kühlschrank zu stellen. Für die Orthodoxen unter den Tierproduktverweigerer war damit das ganze schöne Gemüse im Kühlschrank kontaminiert. Der Skandal schlug derartige Wellen, dass die WG eigens ein Plenum einberufen musste, um darüber zu beraten, wie zu verfahren sei. Die Sündige gelobte Besserung. Ob und wie sie Buße tun musste, ist nicht überliefert.

IN DIE WÜSTE!

Während ich dem folgte, kaute ich also auf meinem Kornkönig. Gebettet auf einer großzügigen Butterschicht thronte drauf eine Lage frischer Serrano. Mein unbefleckter Fleisch-Genuss wandelte sich allmählich zur Gesinnungstat. Bei so viel Schwachsinn konnte ich mich nicht bremsen – vielleicht ob der Hormone im vom mir verköstigten Fleisch – und schnaubte körnerspuckend und noch mit Schinkenfäden zwischen den Zähnen: „Diese Spinner sollte man mal in der Wüste aussetzen.“

Um es klar zu stellen: Ich habe nichts gegen Vegetarier und Veganer. Über die zahlreichen Konsequenzen meines Fleischkonsums bin ich mir voll bewusst. Deshalb respektiere, nein bewundere ich Menschen, die sich zügeln können und auf Fleisch verzichten – solange dies aus der Motivation geschieht, diesen Planeten und das Leben darauf schonen zu wollen.

Denn es gibt ja gute Gründe, warum wir weniger Fleisch essen sollten; nicht nur aus Liebe zum Tier und zum Schutze der Umwelt, nein. Es geht in letzter Konsequenz auch um die Rettung von Menschenleben. Denn die Produktion von Fleisch erfordert ein Vielfaches an Ressourcen, vor allem Wasser und Getreide – und mit Letzterem eben auch Anbaufläche. Umso mehr Fleisch europäische und amerikanische Kunden nachfragen, desto mehr Land benötigt die Futtermittelindustrie, zum Beispiel zum Sojaanbau in Brasilien. Das führt zu einer Verdrängung, unter der meist der ärmste Teil der Bevölkerung leidet. Kostbarer Ackerboden, der ihre Ernährungsgrundlage stellt, wird immer knapper. (Dafür muss dann auch noch Regenwald gerodet werden, was das Klima belastet. Den CO2-Austoß von Rinderherden nicht zu vergessen.) Wenn diese Verdrängung nicht real vor Ort geschieht, dann über die Getreidepreise. Umso größer die Nachfrage an Fleisch, umso knapper Getreide, umso höher der Weltmarktpreis, umso mehr Menschen, die sich die Grundversorgung nicht leisten können und hungern, so lautet die Gleichung verkürzt. Noch verrückter ist das Verbrennen von sogenanntem „Biosprit“, mit EU-Subventionen gefördert. Durch dieselben Verdrängungsprozesse geht die vermeidlich gute Tat an der Zapfsäule ebenfalls auf Kosten von Menschenleben. Dass nicht alles umwelt- und vor allem menschenfreundlich ist, was das Etikett Öko oder Bio trägt, ist ein anderes Kapitel.

WO DOGMATISMUS BEGINNT

Und Menschen, die Probleme bekommen, wenn Milch – noch dazu von Plastik umhüllt – in die Nähe ihres Gemüses gelangt, haben für mich jeden Bezug zur Realität verloren. Man müsste sie mal fragen: Bekommt ihr auch eine Magenverstimmung, wenn ihr zusehen müsst, wie eine Kuh in der Nähe eines Apfelbaumes ihr Kalb stillt? In meinen Augen sind solche Menschen intolerante Dogmatiker.

Damit meine ich gewiss nicht alle Vegetarier oder Veganer grundsätzlich. Noch einmal: ich bewundere überzeugte Veganer mit guten Argumenten und Toleranz gegenüber weniger willensstarken Menschen. Solche Leute, wie jene aus besagter Veganer-WG, sind für mich Sektierer. Menschen, die ihre Weltanschauung über alles andere stellen, sie als einzig richtige gelten lassen und ihren Horizont so sehr einengen, dass sie Andersdenkende verachten. Ein solcher Umgang mit der Haltung Anderer ist nicht nur respektlos, sondern auch die Grundlage für totalitäres Denken. Zugegeben und das ist entscheidend: Auch wenn diese Radikalen ihre (menschliche) Umwelt verachten, tun sie niemandem körperliche Gewalt an. Deshalb war und ist es falsch, solche Menschen als Faschisten zu bezeichnen. Gefährlich ist ein solcher Dogmatismus aus meiner Sicht trotzdem. Und das gilt auch in anderen Bereichen: bei der Haltung zur Ernährung ebenso wie bei politischen Gesinnungen oder religiösen Anschauungen.

Und mit Blick auf besagte Veganer-WG hoffe ich, dass die Geschichte dramatisiert überliefert worden ist und meine ganze Aufregung umsonst war.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Peter Knobloch

Seit September arbeite ich als ifa-Redakteur bei Radio Neumarkt in siebenbürgischen Neumarkt, Târgu Mureș

Peter Knobloch

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