Sexinflation zum Fest der Liebe: Knutschen oder Sex?!?

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(Beitrag überarbeitet)

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Szene in einer Diskothek:

Blicke treffen sich. Martin tanzt sich zur unbekannten Schönen durch. Er lächelt. „Hey, na Du? Wie…“ „ … ich tanze nicht so gern paar“, fällt sie ihm ins Wort. „Ich kann das einfach nicht. Sorry!“ Martin ist verdutzt. „Hmm, Schade“, mehr fällt ihm nicht ein . „Wir können aber auch etwas anderes machen“, überrascht sie. „Was denn?“ eher der Form halber fragt er, und denkt: ‚Na klar, Ich soll sie auf ein Getränk einladen, damit wir ins Gespräch kommen.‘ Pustekuchen! Sie klärt: „Knutschen oder Sex!“ Gesagt, getan!


Sex ist Konsumgut, Genussmittel, ein rein körperlicher Akt, nicht viel mehr als Sport zu zweit oder in der Mannschaft + Orgasmus. Man hat ein Loft, einen Porsche und man hat guten Sex – oder eben nicht. Die Betonung liegt auf haben. „Sex sells!“ Also kann man Sex auch kaufen. 6:43 Uhr im Bus Line 6. Mann schlägt Zeitung auf – Titten. Es gibt Sex zum Frühstück für 60 Cent am Kiosk.

Wer wundert sich da, dass Fünfzehnjährige über Natursekt diskutieren? Nicht, dass man erwachsenen Menschen pikante Vorlieben vergönnt. Bei aller Offenheit, mit der man das Thema Sex reden kann, werden zwei Dinge vergessen.

Wenn wir Sex schon wie ein marktwirtschaftliches Produkt behandeln, sollte klar sein: irgendwann ist die Nachfrage gesättigt. Der Reitz geht verloren. Wenn Anal-, Oral- und Vaginal von oben, unten und allen Seiten im 16:9 Format zum Standard werden, dann ist Sex-Inflation! Dann braucht selbst ein Teenie Abwechslung, etwas Neues, das Reibung erzeugt, erregt. Die ganz „besonderen“ Praktiken sind oft uralt. Es ist aber ein Unterschied, ob ein sexuell aktiver Mensch mit Erfahrungen, die über Trockenübungen hinausgehen, auch aktiv neue Wege geht und mit oder ohne Partner neue Spielarten erprobt, oder ob ein unerfahrener Pornokonsument abstumpft und wie ein Junkie etwas Schärferes, härteren Stoff braucht, um seinen Kick zu bekommen.

Der zweite Punkt mag altmodisch erscheinen, aber dennoch: gehören Liebe und Sex nicht zusammen? Man sagt nicht umsonst Liebe machen. „Onenightstands können sehr schön sein. Aber Sex mit einem Partner, den man liebt, das ist schöner, einfach echter.“ Wer kann da widersprechen? Kaum jemand! Warum? Weil sexuelle, körperliche Zuneigung in den meisten Fällen auch mit persönlicher, seelischer Zuneigung verbunden ist. Wer Sex und Liebe voneinander trennt, begeht den gleichen Fehler wie die Schulmedizin und wie die Kirche. Beide trennen Körper und Seele voneinander.

Zwei Menschen, also zwei Körper und gleichzeitig auch zwei Seelen, ziehen sich gegenseitig an. Ying und Yang, Plus und Minus. Ihre Anziehungskraft ist so strak, dass Sie nicht anders können als sich einander zu nähern. Sie entwickeln Liebe. Ihre Anziehungskraft steigt weiter. Ihre Körper berühren sich, es entsteht Reibung, Reitz, Erregung. Sie kommen sich so nah, dass Sie sich ineinander verkeilen, Eins werden und in dem Moment, in dem Deut mehr Reibung auszuhalten ist, explosionsartig ineinander aufgehen. Dann haben sie Liebe gemacht, Leben erschaffen - wenn sie denn nicht verhütet haben. Die Worte sind nicht umsonst so nah beieinander Leben und Liebe. Nur, wenn die Menschen die Liebe gemacht haben und die Entstehung von Leben dabei technisch zugelassen haben, nur wenn diese Menschen sich lieben, nur dann können Sie ihren Nachwuchs auch gemeinsam aufziehen und Liebe weitergeben.

Sex ist in dieser Form etwas Göttliches. Es gibt Menschen - wie allen anderen Tieren auch - die Fähigkeit, das heiligste auf Erden zu schaffen, nämlich das Leben selbst. Der Mensch wird zum Schöpfer, gottgleich. Das ist kein Geheimnis und trotzdem etwas Wunderbares von mystischer Kraft. Für Atheisten: mit göttlich sei nicht gemeint, dass es einen Gott geben muss, sondern eher, dass der Mensch selbst in der Lage ist, das zu tun, was gläubige Menschen Gott zusprechen, nämlich Leben schaffen. Der Mensch ist in diesem Sinne ein Schöpfer, gleich Gott, oder einer Vorstellung von Gott.

Für die Kirche sollten gute Christen nur Sex praktizieren, um Kinder zu zeugen. Spaß war dabei verboten. Man hatte sich keusch zu verhalten, damit Seele unbefleckt bleibt (Ich erinnere an die absurde Trennung zwischen Fleisch und Geist/ Körper und Seele). Sex sollte nicht auf ein Mittel zum Zweck reduziert werden, Leben zu schaffen. Ansonsten verkommt es körperlich-mechanischen Pflichtübung. Die Wahrheit liegt für mich in der Mitte, also zwischen Leben schaffen, Liebe und reinem Sex. Sex sollte im Idealfall – so meine Ansicht – ein Ausdruck von Liebe sein. Dabei soll Sex natürlich Spass machen. Er muss nicht zwangsläufig Leben schaffen. Das demographische Problem unserer Erde ist groß genug. Zwar können zwei Frauen beziehunsgweise zwei Männer noch keine Kinder zeugen, indem sie miteinander Schlafen, Liebe leben können sie mit Sex aber genauso wie das klassische Paar zwischen Frau und Mann.

Wenn Sex ganz nackt, allein für sich dasteht wird er banal, reizlos und es herrscht Sexinflation. Für viele abgestumpfte Konsumenten ist Sex dann nicht mehr als Zehn Minuten Rein-Raus und das klägliche Finale bildet eine Eruption gleich einem Niesen. Dann ist Sex im McDonalds-Kapitalismus angekommen. Dann ist Sex nicht mehr als ein Hamburger: schnell zubereitet und verzehrt, macht nicht glücklich, sondern ungesund und zeugungsunfähig. An dem Punkt sind sie sexuell emanzipiert, revolutioniert und industrialisiert – herzlichen Glückwunsch und guten Appetit.

Angeregt wurde dieser Beitrag vom Artikel „http://www.freitag.de/politik/1051-sex-2013-eine-schoene-bescherung“

Fortsetzung geplant!

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Geschrieben von

Peter Knobloch

Seit September arbeite ich als ifa-Redakteur bei Radio Neumarkt in siebenbürgischen Neumarkt, Târgu Mureș

Peter Knobloch

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