Wird ein Mann durch Meditieren zum Softie?

Männersache Eigentlich machen Männer doch Kampfsport, dachte unser Autor. Doch dann wollte er sein männlich-hartes Ich hinter sich lassen und ging in eine Mediationsgruppe

Seine Stimme wirkt beruhigend: "Deine Augenlider werden schwer und sinken", sagt Jan ruhig und macht eine Pause. "Du spürst, wie deine Stirn sich glättet."

Ich sitze im Schneidersitz auf einem Stapel gefalteter Decken, darunter liegt eine Judomatte auf dem Boden. Ich entspanne mich, lasse den Alltag hinter mir. Jan leitet mich und zwei Herren mittleren Alters durch die Meditation. Erst vor Kurzem traten zwei Frauen unserer Qigong-Gruppe bei, doch heute sind wir wieder einmal unter uns.

Ich bin hier, um mich von meinem alten Ich zu verabschieden. Einem typischen Männer-Ich. Ein halbes Leben lang habe ich Karate trainiert. Zwölf Jahre stand ich jede Woche drei Mal auf der Matte, gewann Pokale, unterrichtete Kinder und später auch Erwachsene. Ich war gut. Im Kindergarten hatte ich Spinnenbeine, war auch in der Schule meist der Kleinste und Schwächste. Mit den Erfolgen beim Karate wuchs in mir ein Gefühl von Sicherheit. Ich wurde immer disziplinierter, zielstrebiger und lernte, mich durchzusetzen. Aber diese Tugenden wurden irgendwann zu Lastern. Mit meiner Sturheit biss ich immer öfter auf Granit. Mein Selbstbewusstsein war nur ein Panzer. Mein Ego.

Weichwerden lernen

Vor zwei Jahren hatte ich genug von diesem harten, so "männlichen" Ich. Mein Schwarzer Gürtel liegt nun gut verstaut im Keller. Ich lernte in meiner Meditationsgruppe, mich von meiner harten Schale zu befreien, weich zu werden. Während ich durch meinen Körper reise, löse ich Verspannungen. Die Chinesen nennen sie Blockaden.

Mit Anstrengung und Ehrgeiz komme ich gegen diese Blockaden nicht an. Um sie zu lösen, stelle ich mir vor, mein verspannter Nacken sei ein Sandsteinfels, auf den es beständig niederregnet, bis der Stein zu Sand zerbröselt. Ich bin völlig passiv. Bin ich jetzt ein Softie?

Nichts für Angsthasen

Nein. Meditation ist nichts für Angsthasen. Ich lasse mich auf den Kontrollverlust ein, und das erfordert Mut. Mir begegnet der kleine Junge mit den Spinnenbeinen wieder, der ich einmal war. Und es ist für mich in Ordnung. Ich akzeptiere mich selbst als der, der ich bin – nicht für das, was ich kann, mache oder habe. Und so finde ich allmählich zu einem wahrhaftigen Vertrauen in mich selbst. Diese Suche nach der inneren Gelassenheit ist für mich das Wichtigste beim Qigong. Es ist auch die Basis für das Xingyiquan, neben dem Tai-Chi eine der drei sogenannten inneren Kampfkünste Chinas. Und so treffe ich mich mit den gleichen Herren aus meiner Meditations-Gruppe einen Tag später zum Sparring.

Wir machen uns erstmal so richtig weich und locker, um uns anschließend ganz entspannt und liebevoll auf die Zwölf zu hauen. In meinen zwölf Jahren Karate habe ich noch nie so eingesteckt wie hier. Qigong kann eben doch ganz schön hart sein – "typisch" männlich.

Peter Knobloch hat keine Angst, als Softie zu gelten, wenn er mit Frauen über Qigong spricht. Die meisten sind interessiert.

Die wöchentliche Kolumne "Frauensache/Männersache" im Alltagsressort widmet sich Genderthemen und wird abwechselnd von weiblichen und männlichen Autoren geschrieben. Zuletzt schrieb Ulrike Baureithel über Analogien zwischen der Piratenpartei und Männerrechtlern.

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Geschrieben von

Peter Knobloch

Seit September arbeite ich als ifa-Redakteur bei Radio Neumarkt in siebenbürgischen Neumarkt, Târgu Mureș

Peter Knobloch

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