Wenige Tage vor dem russisch-amerikanischen Gipfel in Bratislava empfing Präsident Putin demonstrativ den Vorsitzenden des iranischen Hohen Rates für Nationale Sicherheit, Hasan Ruchani. Es ging vorrangig um eine mögliche Kooperation auf nuklear- und wehrtechnischem Gebiet, die laufenden Verhandlungen über den rechtlichen Status des Kaspischen Aquatoriums sowie den anstehenden Teheran-Besuch des russischen Staatschefs.
Was zur Sprache kam, widerspiegelte zum wiederholten Male einen seit Jahren vermissten russischen Ehrgeiz in Sachen Naher und Mittlerer Osten. In Gesprächen mit seinem syrischen Amtskollegen Bashar al-Assad Ende Januar hatte Wladimir Putin Damaskus 13 Milliarden Dollar Altschulden aus sowjetischer Zeit erlassen und so den Weg für umfangreiche Waffenlieferungen geebnet, darunter hochmoderne Strelez-Abwehrmittel für die syrische Luftwaffe. Assad war gerade aus Moskau abgeflogen, da erschien der neue palästinensische Präsident Mahmoud Abbas zum Antrittsbesuch, um für mehr diplomatische Präsenz Russlands im israelisch-palästinensischen Konflikt zu werben. Auf Abbas folgte der Iraner Ruchani. Und während der in Moskau verhandelte, bereiste Ex-Premier Jewgeni Primakow - heute Vorsitzender der Russischen Industrie- und Handelskammer - den Iran, Syrien, den Libanon und Jordanien, wo er öffentlichkeitswirksam Russlands Solidarität mit diesen Ländern beschwor.
Der Kreml scheint entschlossen, durch sein Engagement den Vereinigten Staaten eine asymmetrische Antwort in einer Region geben zu wollen, in der sie einen hohen Preis für ihr Irak-Abenteuer zahlen. Dass der Iran für diese Intention eine maßgebliche, wenn nicht gar zentrale Rolle spielt, davon dürfte Teheran inzwischen überzeugt sein. Wie sonst ließe sich erklären, dass unmittelbar nach Bildung einer "Einheitsfront" zur Vereitelung aggressiver Absichten "Dritter" durch Syrien und Iran der Nationale Sicherheitsberater Präsident Khatamis nach Moskau flog, um über Nuklear-Reaktoren und modernes Wehrgerät zu reden?
1993 bereits hatte sich Russland verpflichtet, im Iran vier Kernreaktoren zu bauen. Herzstück dieses Agreements war die Fertigstellung eines ursprünglich mit deutscher Hilfe begonnenen Plutoniumreaktors im südwestiranischen Busheer. Für Moskau stets mehr als ein rein kommerzielles Projekt, erschien die Kooperation doch wie eine Demonstration einer "unabhängigen" Außenpolitik gegenüber den USA. Es war deshalb auch keinerlei Camouflage im Spiel, als der Kreml erklärte, die "im Zusammenhang mit Busheer stehenden Kontroll- und Proliferationsprobleme" aus der Welt schaffen zu wollen, freilich ohne Teheran vor den Kopf zu stoßen. Behutsam umschrieben hieß das nichts anderes, als das iranische Nuklearprogramm unter die strenge Aufsicht durch die Internationale Atomenergiebehörde IAEA zu stellen. Es war daher mehr als ein bescheidender Erfolg für die russische Diplomatie, als im November 2003 Sicherheitsberater Ruchani in Gesprächen mit Wladimir Putin erklärte, man werde künftig nicht nur eng mit der IAEA zusammenarbeiten, sondern auch darauf verzichten, angereichertes Uran herzustellen - gebrauchte Brennstäbe würden nach Russland zurückgeführt. Bemühungen der EU, den Iran auf eine ausschließlich friedliche Nutzung der Kernenergie festzulegen, trafen sich an dieser Stelle mit den strategischen Absichten Russlands und halfen darüber hinaus, das Verhältnis zwischen Moskau und Brüssel in der Iran-Frage zu entspannen.
Im Oktober 2004 wurden die Bauarbeiten in Busheer offiziell beendet. Einen Monat später fror Teheran sein Programm zur Uran-Anreicherung bis auf weiteres ein. Kurz darauf verständigten sich Russland und der Iran darauf, Ende Februar 2005 ein Abkommen zu unterzeichnen (was inzwischen geschehen ist), das die Lieferung von Brennstäben, deren Rücknahme und Endlagerung regelt. Für Präsident Putin Grund genug, während seiner Gespräche mit Ruchani am 18. Februar zu verkünden, nun sei endgültig klar, dass der Iran nicht nach Nuklearwaffen trachte und man unbelastet weiter kooperieren können.
Seit Anfang der neunziger Jahre versorgen russische Rüstungsunternehmen Iran mit diversem Kriegsgerät: vom klassischen Sturmgewehr über gepanzerte Fahrzeuge, Panzer- und Flugabwehr-Raketen bis hin zu Bombern und Jägern sowie konventionellen U-Booten. Doch Teheran will mehr - vorrangig die Modernisierung seiner Anfang der neunziger Jahre um die iranische Hauptstadt herum installierten Luftabwehr sowie die Errichtung von vier vergleichbaren Systemen in Isfahan, Busheer, Abadan und Horemsheer. Das von Teheran diesbezüglich favorisierte Raketensystem S-300 war einer der Stars auf der vor wenigen Tagen in Abu Dhabi zu Ende gegangenen VII. Internationalen Waffen-Schau IDEX-2005.
Was ist Ihre Meinung?
Kommentare einblendenDiskutieren Sie mit.