4 Stunden Arbeit sind genug

Arbeitszeit Eine neue Initiative stellt den Kampf um radikale Arbeitszeitverkürzung in den Mittelpunkt – und bezieht sich auch auf feministische Konzepte

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Hans Mayr (damals Vorsitzender der IG Metall) mit dem unterdessen berühmten 35-Stunden-Logo, 1984
Hans Mayr (damals Vorsitzender der IG Metall) mit dem unterdessen berühmten 35-Stunden-Logo, 1984

Foto: imago images / Sven Simon

Lange ist es hier, dass in der BRD das Symbol einer Sonne mit der Zahl 35 im Vordergrund Geschichte geschrieben hat. In den 1980er Jahren bewegte der Kampf um die Arbeitszeitverkürzung die Gesellschaft. 2003 scheiterte in Ostdeutschland ein Streik um die 35-Stunden-Woche in der Metallbranche. Seitdem ist es ruhig um das Thema Arbeitszeitverkürzung geworden. Jetzt will die 4-Stunden-Liga wieder an die Kämpfe anknüpfen und stellt sich größere Ziele – wie im Namen erkennbar ist. Zwei Anträge stellte die Initiative auf dem Verdi-Bundeskongress zur Diskussion, in der ein Arbeitstag von 4 Stunden bei vollen Lohn- und Personalausgleich gefordert wird. Den Initiator*innen war klar, dass sie dafür keine Mehrheit finden werden. „Wir rufen den Gewerkschaftsrat und den Bundesvorstand von Verdi dazu auf, in den nächsten vier Jahren eine sowohl innergewerkschaftliche als auch gesellschaftliche Debatte über radikale Arbeitszeitverkürzung anzustrengen“, erklärte Christopher Hilbert von der 4-Stunden-Liga. Die Initiative ist nicht erst auf dem Bundeskongress mit diesem Anliegen aktiv. Bei der 2016 gegründeten 4-Stunden-Liga handelt es sich um eine Initiative überzeugter Gewerkschafter*innen.

„Wir haben in den letzten 1,5 Jahren bei den ver.di-Organisationswahlen Anträge zur Arbeitszeitverkürzung auf den verschiedenen Ebenen eingebracht, sowohl in Ortsgruppen, im Bezirk, im Land und jetzt auf Bundesebene“, beschreibt Hilbert den Marsch der 4 Stunden-Liga durch die gewerkschaftlichen Institutionen.

Vorbild Wooblies und August Spiess

Gegründet wurde die Liga in Kassel als Reaktion auf die Propaganda von Arbeitgeberverbänden und Politiker*innen, die immer wieder zu einer Flexibilisierung der Arbeitszeit aufgerufen haben, weil der Achtstundentag nicht mehr zeitgemäß sei, erinnert sich Hilbert an die Motivation zum Engagement. Die Aktivist*innen hielten den Achtstundentag auch nicht mehr zeitgemäß, aber sie wollten nicht eine Verlängerung, sondern eine radikale Verkürzung der Arbeitszeit. „Für uns war ganz klar, der Unternehmerpropaganda kann man nur mit einer wirklich progressiven Forderung in die Suppe spucken, die sich wenig von den Zumutungen des Zeitgeists beeindrucken lässt“, erinnert sich Hilbert. „Die 4-Stunden-Liga war geboren und die dazugehörige Losung ausgegeben: Seid einig in der 4-Stunden-Forderung!“ Mit den ungewöhnlichen Namen beziehen sich die Aktivist*innen auf historische Vorbilder einer radikalen gewerkschaftlichen Praxis.

„Die Idee einer Liga haben wir uns von der Achtstundenbewegung in den USA der 1880er Jahre geborgt, wo die Achtstundenliga in verschiedenen Städten als Organisationsform für diverse progressive gesellschaftliche Akteure fungierte. Die 4-Stunden-Forderung finden wir in Kampagnen der „International Workers of the World“(IWW), einer global agierenden Gewerkschaft, die vor 100 Jahren vor allem in den USA eine starke Basis hatte. Die 4-Stunden-Forderung hat die feministische Sozialistin Frigga Haug in ihren theoretischen Arbeiten aufgestellt. Sie entwickelt schon vor mehr als Jahren unter dem Titel Vier-in-einem-Perspektive das Konzept einer radikalen Arbeitszeitverkürzung und -umverteilung. Es hat in letzter Zeit wieder mehr Interesse in unterschiedlichen Zusammenhängen gefunden. Leider hat sich bisher kein griffigerer Titel durchgesetzt, denn „Vier-in-einem-Perspektive“ klingt sperrig und nicht gerade mobilisierend. Trotzdem ist das Konzept auch heute lesenswert . Hier gibt Frigga Haug eine Einführung: http://www.inkrit.de/frigga/documents/DA291_fh.pdf. Es ist natürlich positiv, dass die 4-Stunden-Liga auf diesen feministischen Ansatz zurückgreift.

Geschichtsbewusstsein zeigten die Aktivist*innen schon als sie sich Brigade August Spies nach einen in Kassel geborenen Gewerkschaftler benannte, der in der USA für den Achtstundentag kämpfte und im November 1887 für ein Attentat hingerichtet wurde, dass er nicht begangen hatte. Mittlerweile hat die 4-Stunden-Liga Ortsgruppen in Kassel, Frankfurt/Main und Berlin und wird zu Diskussionsveranstaltungen eingeladen. „Das zeigt, dass wir mit unserer Forderung einen Nerv getroffen waren“, ist Hilbert mit der bisherigen Resonanz zufrieden.

Weitere Infos gibt es hier: www.4hour-league.org

Peter Nowak

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Geschrieben von

Peter Nowak

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