Als Subkultur und proletarische Politik zusammenkamen

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Die Frauen saugen nachts die Teppichböden großer Büros, reinigen die Schreibtische und die Toiletten und können von ihren Gehalt kaum überleben. Doch wie sollen sie sich wehren, wenn sie doch unorganisiert sind. Alltag im Kapitalismus des 21. Jahrhunderts? Doch der Film, der die schwierigen Organisierungsprozesse von Nachtarbeiterinnen dokumentiert, heißt Nightcleaners wurde vom Berwick Street Film Collective erstellt und kann als Beispiel eines avantgardistischen ArbeiterInnenfilms gelten. Der Film wurde 1975 gedreht und sollte die Putzkräfte zu gewerkschaftlicher Organisierung mobilisieren. Immer wieder kommen die Frauen zu Wort, erzählen, dass das Geld nicht reicht, um sich und die Kinder zu ernähren und dass sie oft nicht mehr als drei Stunden schlafen können. Immer wieder werden die Gesichter der Arbeiterinnen herausgehoben als Heldinnen des Alltags. Der Film ist in Deutschland kaum bekannt und auch nicht in die deutsche Sprache übersetzt. Er ist Teil der Ausstellung „Goodbye London – Radical Art und Politics in the Seventies“, die noch bis Sonntag in der Berliner NGBK zu sehen ist. Schon um Nightcleaners zu sehen, lohnt sich der Besuch der Ausstellung. Sie hat aber auch sonst einiges zu bieten. Dort sind politische Plakate aus den 70er Jahren von feministischen Kämpfen, vom Widerstand gegen Kriege und Solidarität mit der iranischen Bevölkerung. Eine Parole, die auch heute noch verdammt aktuell ist, damals ging der Kampf gegen die Schahdiktatur, heute gegen das Mullah-Regime.

Doch in der Diktion der Aufrufe und Plakate finden sich große Unterschiede zu heute. Damals wurden die Teilbereichskämpfe immer als Teil des Widerstands gegen den Kapitalismus verstanden und das wurde auch so formuliert.

Miners und Gay-AktivistInnen zusammen

Zahlreiche Fotoserien finden sich in der Ausstellung. Fotos von besetzten Häusern und von großen Brachen in der Londoner Innenstadt , die deutsche Bomber hinterlassen haben. Aber es gibt auch viele Fotos von längst vergangenen Kämpfen. Wer erinnert sich noch den Grunwick-Streik, der 1977 auch in deutschen Zeitungen große Beachtung fand? Es war der längste Ausstand in London und die Streikenden waren überwiegend Frauen aus Asien, die eigentlich schwer zu organisieren waren. Solidarität bekamen sie von den neuen linken Bewegungen, die Mitte der 70er Jahre auch in London am Wachsen waren. Aber auch Arthur Scargill kam zur Unterstützung, der militante Vorsitzende der Bergarbeitergewerkschaft. Die Ausstellung zeigt Dokumente aus einer historisch kurzen Zeitspanne als Subkultur und der radikale Flügel der fodistischen Arbeiterbewegung kooperierten. Scargill und Gay-AktivistInnen beteiligten sich gemeinsam an der Solidarität mit dem Grunwick-Streik. Diese Zusammenarbeit setzte sich noch bis zum großen Bergarbeiterstreik fort, der Mitte der 80er die letzte große Schlacht gegen den Neoliberalismus war und verlorenging. Der Streik machte Arthur Scargill weltbekannt. Der Kampf gegen den Bergarbeiter wurde von der Pinochet-Freundin Margreth Thatcher als innerer Bürgerkrieg geführt. Mit der dunklen Thatcher-Epoche endet jene Kooperation zwischen Subkulture und ArbeiterInnenbewegung, die die Ausstellung wieder lebendig macht. Seitdem sind die Subkultur und die verschiedenen Minderheitenaktivitäten nur Teil der Repräsentanz im Neoliberalismus und die Arbeiterbewegung entmachtet.

Peter Nowak

Ausstellung: "Goodbye London. Radical Art and Politics in the Seventies", Neue Gesellschaft für Bildende Kunst (NGBK) Berlin, bis 15. August: www.ngbk.de

(Foto: Nick Wates Associates)


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Peter Nowak

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