An linke Geschichte Afghanistans erinnern

April-Revolution Kaum noch bekannt ist, dass vor 40 Jahren eine linke Bewegung in Afghanistan gab, die sogar für einige Jahre die Regierung bildeten. Es wird Zeit, dass sich das ändert.

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Der (vorläufige) Siegeszug der afghanischen Taliban ist auch ein Sieg der globalen rechten Kräfte. Mag es auch etwas verdeckt sein, weil natürlich fast alle Rechten den Islamismus als Feindbild erklärt haben.

Doch zahlreiche Rechte haben immer wieder betont, dass sie der Islamismus nur in Europa stört. Nach den ethnopluralistischen Weltbild vieler Rechter sind die Taliban Teil der afghanischen Kultur - und folglich können sie das Land beherrschen. Tatsächlich teilen die Taliban wie übrigens auch die Hamas und die Hisbollah viele Elemente der Rechten. Der Kampf gegen Frauenrechte und Minderheiten aller Art findet durchaus Sympathien bei anderen Rechten in aller Welt, auch wenn sie als islamistisches Feindbild dienen. Ein anderes gemeinsames Feindbld von Taliban und anderen Rechten sind die Linken, vornehmlich die Kommunist*innen bzw. solche, die sich als solche verstehen.

Erinnerung an Taliban-Opfer Mohammed Nadshibullah

So dürfte sehr strittig sein, ob Mohammed Nadshibullah ein Kommunist war. Jedensfalls war er der letzte Präsident, einer Epoche, als sich eine als links verstehende afghanische Regierung noch die Frauenrechte in den Mittelpunkt stellte, Bildung für Alle und ein Gesundheitssystem für Alle propagierte. Er versuchte mit den Islamisten zu verhandeln, scheiterte und blieb auch im Land, als sich die verschiedenen islamistischen Warlords gegenseitig bekämpften und die Bevölkerung zu Geiseln nahmen. Als die Taliban 1996 das erste Mal nach Kabul einmarschierten, holten sie Nadshibullah aus seinen Wohnhaus, folterten und kastrierten ihn, bevor sie ihn öffentlich aufhängten. Das sollte auch allen öffentlich deutlich machen, dass sich unter der Taliban-Herrschaft alle Linken Tote auf Urlaub sind. Nadshibullah war der letzt Exponent jener Phase in Afghanistan, als dort Regierungen gab, die zumindest nominell für Frauenrechte eintraten. Leider ist heute weitgehend vergessen, dass es auch in Afghanistan einmal eine linke Bewegung gab, die sich für die Emanzipation der Frauen stark machte, für Bildung und für ein Gesundheitssystem für Alle eintrat, die den alten Clan-Strukturen mit ihrer unterdrückerischer Praxis den Kampf ansagten. Nach der Aprilrevolution von 1978 versuchte die afghanische Linke diese Ziele auch im Land umzusetzen und traf auf enormen Widerstand der islamistischen Reaktion. Zum geopolitischen Zankapfel wurde das Land, nach dem die Linksregierung, weil sie im Land in der Defensive geraten war, die Rote Armee zur Hilfe holte. Es ist sicher richtig, über den Voluntarismus zu reden, der viele Maßnahmen der linken Regierung prägte. Es ist aber falsch, wie Emran Feroz im Jahr 2018 pauschal von einen kommunistischen Putsch und einer kommunistischen Terrorherrschaft zu sprechen. Vielmehr wäre es eine sinnvolle Aufgabe, über diese linke Bewegung in Afghanistan zu informieren und natürlich auch ihre verheerenden Fehler zu erwähnen. Doch dabei sollte auch nicht vergessen werden, wer weltweit damit im Kampf gegen die afghanische Linke und die sie unterstützende Rote Armee sich auf die Seite der Islamisten stelle.

Auch Jürgen Todenhöfer war auf der Seite der afghanischen Islamisten

Das waren die Regierngen der sogenannten westlichen Welt, allen voran die USA. Das waren aber auch die verschiedenen Kalten Krieger*innen n Deutschland. Einer davon kann aktuell als Spitzenkandidat des Team Tödenhöfer auf den Wahlplakaten zu betrachten. Er gibt als konservativer Weltgereister, der gegen jeglichen Extremismus auftritt. Dabei sollte er mal gefragt werden, wie er es heute beurteilt, dass er in den frühen 1990 Jahren auf Seiten der Islamisten nach Afghanistan eingedrungen ist, um seinen Beitrag zur Bekämpfung der afghanischen Linken zu leisten. Wenn er sich heute als Taliban-Versteher gibt, steht er ganz in dieser Traditon. Die Rechten aller Länder können also mit dem erneuten Machtantritt der Taliban einen Sieg verbuchen. Es wäre an der Zeit, wenn sich die Linke kritisch mit der afghanischen Linken auseinandersetzen würden. Es muss doch noch einige Zeitzeug*innen geben, die damals in den Reihen der afghanischen Linken kämpften. Sie könnten am besten über die Fehler, die Versäumnisse, auch die Verbrechen, aber auch die damaligen Erfolge reden. Als vor einigen Jahren Jürgen Wagner und Claudia Haydt von der Tübinger Informationsstelle Militarismus die jüngere afghanische Zivilgesellschaft nach Deutschland einlud, waren Fragen über die April-Revolution und die nachfolgenden Regierungen unerwünscht, diese Diskussionen wollte man der jungen afghanischen Zivilgesellschaft nicht zumuten. So überlässt man linke Geschichte dem Vergessen und die Rechten in Gestalt der Taliban bestimmen dann sogar über die Deutung der Vergangenheit.

Peter Nowak

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Geschrieben von

Peter Nowak

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