Aufruhr(t)räume

Das Gegenteil von Grau Der Regisseur des Films Mietrebellen porträtiert in seinen neuesten Film nichtkommerzielle Projekte und Initiativen im Ruhrgebiet. Peter Nowak sprach mit Matthias Coers.

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1.) Wie ist der Kontakt mit den Inis im Ruhrgebiet entstanden?

Mit dem Film MIETREBELLEN habe ich Filmveranstaltungen im Ruhrgebiet gemacht. Dort bin ich in Kontakt gekommen mit Aktiven von Recht auf Stadt Ruhr, die vom Film MIETREBELLEN sehr angetan waren und gemeinsam haben wir überlegt, wie man für’s Ruhrgebiet auch eine Art Bewegungsfilm für das Recht auf Stadt machen kann. Es gibt zwar im Ruhrgebiet Mieter_inneninitiativen allerdings ist durch den Strukturwandel die Frage der Wohnkosten nicht so zugespitzt wie in Berlin. 2015 haben wir mit den Dreharbeiten begonnen und der Kontakt zu den verschiedensten Gruppen ist dann über die Stadtaktiven im Ruhrgebiet entstanden. Es gab zwar schon Kontakte wie zu den MieterInnen vom Zinkhüttenplatz aber so kam dann auch die Zusammenarbeit mit Freiraum- und Transition Town-Initiativen zustande. Meine Idee vom dokumentarischen Filmen ist nicht, über andere Filme zu machen, sondern mit ihnen. Und das ist bei diesem Projekt gut gelungen, denn die Fähigkeiten und Talente liegen ja besonders vor Ort.

2.) Der Film MIETREBELLEN handelte von Berlin, wo Du selber in der MieterInnenbewegung aktiv bist. War es schwierig, in einer Region einen Film zu drehen, in der Du nicht lebst?

Da ich das Ruhrgebiet gut kenne, auch selber dort schon gearbeitet habe, und zudem eine offenherzige Mentalität herrscht, war es eher einfach, in einen kommunikativen und filmischen Prozess einzutreten. Zwar sind im Vergleich zu Berlin die Menschen im Ruhrgebiet es weniger gewohnt, in einer Interview- oder Aufnahmesituation zu sein, doch ist das immer eine Frage ob man mit Intensität und echtem Interesse an die Menschen herantritt. Es geht ja auch darum, Ruhrgebietsinitiativen, die in den Nischen der Städte ihre Arbeit tun, zu sammeln und in einem Film vorzustellen. Voraussetzung dafür ist natürlich auch die Lust der Aktiven, sich an diesem Prozess zu beteiligen. Schließlich ist es das Thema des Films, wie sich jenseits des marktwirtschaftlichen Interesses verstetigt, organisiert und gearbeitet werden kann.

3.) Wo siehst Du die Gemeinsamkeiten der im Film vorgestellten Projekte und welches hat Dich besonders beeindruckt?

Was alle Projekte verbindet, ist, dass sie Pionierarbeit leisten in einer Region mit starkem Strukturwandel. Das Ruhrgebiet ist entstanden aus der Industriegesellschaft heraus und heute eine krisenhafte Dienstleistungs- und Freizeitgesellschaft. In den so entstandenen Stadtstrukturen herrscht eine gewisse Agonie, der von den Städten mit Eventkultur begegnet werden soll. Hingegen widmen sich die Initiativen, von denen im Film erzählt wird, scheinbar randständigen Themen, die aber zentral sind – solidarisches Miteinander, freies Assoziieren, kooperatives Produzieren, Aktivität im Stadtteil. Persönlich halte ich die Initiative kitev oder Refugees’ Kitchen für beispielhaft, da sie es kontinuierlich und mit Sichtbarkeit schaffen, zusammen mit Geflüchteten und Menschen aus ganz Europa auf lokaler Ebene temporäre wie dauerhafte Residence- und Arbeitsformen zu entwickeln. Dies ist in den neonationalen und neochauvinistischen Zeiten gar nicht hoch genug einzuschätzen.

4.) Auffällig ist, dass ArbeiterInnen, die ja immer mit dem Ruhrgebiet assoziiert wurden, im Film selten vorkommen, Zufall oder Absicht?

Die Kämpfe um Arbeitsplätze in Duisburg-Rheinhausen Anfang der 90er haben mich politisch geprägt und persönlich ist mir die Frage der Organisation von Arbeit zentral. Den Stadtaktiven im Ruhrgebiet aber, die tagtäglich mit der Debatte um den ewig neuen lokalen Strukturwandel konfrontiert sind, war es ein Anliegen, den Schwerpunkt auf neue Formen zu legen und nicht in Ruhrgebietskitsch abzugleiten. Das ist für diesen Film, der eher auf die Alltagswelt schaut, von seiner Konzeption her sinnvoll – auch andere anzuregen, nicht auf das Stadtmarketing zu warten, sondern selber die Stadtteile in die Hand zu nehmen. Das bedeutet für mich aber nicht, dass nicht auch dringend aktiv mit Dokumentarfilm und anderen Medien für die Rechte und Selbstorganisierungskräfte der Proletarisierten gearbeitet werden muss.

Matthias Coers

www.gegenteilgrau.de

DAS GEGENTEIL VON GRAU

Ein Dokumentarfilm von Matthias Coers und Recht auf Stadt Ruhr

Berlin 2017 | 90 Minuten | Original mit englischen Untertiteln OmeU

Regie und Kamera | Matthias Coers

Buch | Mila Ellee, Leonie Herrmann, Martin Krämer, Dennis Glückner

Schnitt und Ton | Grischa Dallmer

Premieren:

Do., 23.03., 19:00 Uhr: Premiere in Dortmund | Roxy Kino, Münsterstraße 95, Dortmund

Fr., 24.03., 19:00 Uhr: Premiere in Essen | Alibi, Gladbecker Straße 10, Essen

Sa., 25.03., 19:00 Uhr: Premiere in Oberhausen | kitev, Willy-Brandt-Platz 1, Oberhausen

So., 26.03., 19:00 Uhr: Premiere in Duisburg | Lokal Harmonie, Harmoniestraße 41, Duisburg

Mo., 27.03., 19:00 Uhr: Premiere in Bochum | Endstation Kino, Wallbaumweg 108, Bochum

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Peter Nowak

lesender arbeiter

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