Bizim M99

M99, Hans Georg Lindenau Heute wird in Berlin-Kreuzberg gegen die drohende Zwangsräumung des Gemischtladens mit Revolutionsbedarf M99 demonstriert.

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Schwarzrote Fahnen finden sich neben Antifaaufklebern. In Regalen finden sich Plakate und Flugblätter zu verschiedenen Themen der außerparlamentarischen Linken. Im Gemischtwarenhandel mit Revolutionsbedarf in der Manteuffelstraße 99 kann man den Geist des rebellischen Kreuzbergs der späten 80er Jahre noch spüren. Doch zum 31. Dezember soll damit Schluss sein. An diesen Tag soll der Ladeninhaber Hans Georg Lindenau, den alle nur HG nennen, die Räume besenrein zu übergeben. an die Idema Immobilien- und Verwaltungsgesellschaft übergeben, die das Haus in der vor einigen Jahren erworben hat. Es ist der 8 Hauseigentümer, seit Lindenau 1984 den Laden eröffnet hat. Damals waren Kreuzberg zahlreiche Häuser besetzt. Noch viel mehr Wohnungen standen in der Nähe der Berliner Mauer leer, Dafür wurde der Stadtteil für Linke, Alternative und Aussteiger immer Beliebter. Sie waren die Kunden und Nutzer des Ladens. Lindenau legt Wert darauf ab, dass er sich nicht als Geschäftsmann versteht. Bis heute ist der Laden Anlaufpunkt für Menschen aus aller Welt, die dort noch etwas von den Flair des alten Kreuzberg mitzubekommen wollen. In den nächsten Tagen ist die Gelegenheit dazu besonders günstig. Denn Lindenau und seine Unterstützer bereiten sich den Widerstand gegen die Zwangsräumung vor. „Ich gehe hier nicht freiwillig raus“, betont Lindenau, der bei einer Räumung nicht nur den Laden sondern auch seine Wohnung verlieren würde, die er nach einer Querschnittslähmung in den hinteren Räumen rollstuhlgerecht eingerichtet hat.

Anlaufstelle für die Nachbar_innen

Doch der Laden ist nicht nur ein linker Szenetreffpunkt sondern auch eine Anlaufstelle für die Nachbar_innen in Kreuzberg, die durch die Gentrifizierung, die nach der Maueröffnung an Fahrt aufgenommen hatte, an den Rand gedrängt werden. Immer mehr preisgünstige Wohnungen und nicht kommerzielle Läden werden verdrängt, weil sie die gestiegenen Mieten nicht mehr zahlen können.

Deshalb beteiligt sich am Widerstand gegen die Zwangsräumung des M99 auch das Bündnis bizim Kreuzberg (Wir sind alle Kreuzberg. Mittlerweile taucht das Motto Bizim M99 auf vielen Plakaten und Aufklebern auf.. Die Parole ist an die Kampagne »Bizim Bakkal« angelehnt, mit der sich vor einigen Monaten Nachbar_innen für den Erhalt eines gekündigten Gemüseladens in der Kreuzberger Wrangelstraße engagierten. Die Kündigung wurde zurückgenommen. Mittlerweile kämpft die Bizim-Initiative gegen die Verdrängung von Mieter_nnen und kleinen Läden in ganz Kreuzberg. Sie engagiert sich auch für den Erhalt des M99. »HG ist kein profitorientierter Geschäftsmann, sondern sieht sich und seine Arbeit als einen Teil der Kultur von unten. Deshalb gibt es auch eine Freebox – hier kann jeder geben und nehmen, was er kann und möchte«, begründete eine Aktivistin der Bizim-Bewegung das Engagement für den Erhalt des Ladens. Der sei ein Anlaufpunkt für die Nachbarschaft, die nicht zu der kaufkräftigen Zielgruppe der neuen Läden. Vor einigen Jahren war bereits im Nachbarladen des M99 ein Casion eingerichtet. Da blinkte die helle Casino-Werbung neben den bunten Utensilien des Gemischtwarenladens M99. Besser konnte das alte und das neue Kreuzberg optisch gar nicht dargestellt werden. Jetzt wird sich zeigen, ob sich zumnindest an einen Eck in Berlin das alte Kreuzberg noch halten kann. Aussichtslos ist der Kampf nicht, wie die Rücknahme der Kündigung des Gemüseladens in der Wrangelstraße gezeigt hat. Warum soll nicht auch der 9 Hausbesitzer der Manteuffelstraße 99 feststellen, dass HG und sein Revolutionsbedarf sowie das Unterstützer_innennetzwerk, das ebenso viel Revolutionsbedarf hat, eine relevante Investorenbrtembse sind?

Peter Nowak

Hier gibt es Infos zur Geschichte des Gemischtladens mit Revolutionsbedarf M99 und seines Inhabers Hans Georg Lindenau (HG):

http://www.bizim-kiez.de/blog/2015/09/19/m99-von-raeumung-bedroht/

Vor zwei Monaten gab es ein Porträt von Hans Georg Lindenau im Freitag:

https://www.freitag.de/autoren/rotebrezel/revolution-ist-erst-mal-nichts-positives

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Peter Nowak

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