Brecht das ab

Schäuble am BE Claus Peymann inszinierte sich als Kritiker der Vehältnisse, heute gibt er Rechtspopulisten und Minstern eine Bühne und ist Anlass linker Proteste

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„Ab 10 Uhr vor dem Berliner Ensemble, Protestkultur und Tugendterror“, stand auf dem Flyer, mit dem Besucher des Berliner Ensembles (BE) am 27. April begrüßt wurden. Am Theatervorplatz hatten sichca. 70 Menschen eingefunden, die gegen eine Diskussionsveranstaltung im BE protestierten. Ein antinationales Bündnis hatte mobilisiert. Anlass war eine Debatte unter dem Motto „Die Kunst des Führens“ im BE debattierte Finanzminister Wolfgang Schäuble mit demDirigenten Daniel Barenboim. Die Gesprächspartner wurden vom BE als „zwei Schlüsselfiguren, die auf ihren Gebiet jeweils den Takt angeben“ beschrieben. Die linken Kritiker_innen monierten, dass nur wenigeWochen nach einem Auftritt von Thilo Sarrazin im BE nun Schäuble eine Bühne geboten wurde.In einem Redebeitrag betonte die Gruppe „andere zustände ermöglichen (aze), dass nicht die Person von Schäuble sondern die Politik einer Bundesregierung kritisiert wird, „die wirtschaftliche Stärke rücksichtslos in politische Macht ummünzt“.Die wesentlich von Deutschland forcierte Krisenpolitik habe zur massenhaften Verelendung und einem Zerbrechen gesellschaftlicher Mindeststandards in den Ländern der europäischen Peripherie geführt.
„Schäubles Kunst: Menschen in die Armut führen“, Das ist keine Kunst, das ist Gewalt lauteten einige der Parolen auf den Schildern der Demonstranten.
An der regen Diskussion mit den Theaterbesuchern beteiligte sich für kurze Zeit auch BE-Direktor Claus Peymann. „Brecht das ab“ war ebenfalls eine sehr passende Parole vor dem BE, dass sich noch immer etwas auf die Historie mit Brecht und Heiner Müller zu gute hält.

Claus Peymann – Pausenclown der Herrschaft

Viele waren der Meinung, Claus Peymann werde diese soviel beschworene Tradition fortsetzen und
das Theater für Herrschafts- und Staatskritik öffnen.
Schließlich verstand es Peymann viele Jahre lang
sich als Widerständler zu inszenieren, der mitten in
der Terrorismushysterie des Deutschen Herbstes in
den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts Geld für
einen Zahnersatz für das inhaftierte RAF-Mitglied
Gudrun Ensslin sammelte und danach Ziel eines
noch nicht virtuellen Shitstorms von deutschen Mob
und Politik wurde. Doch die Zeiten sind lange vorbei.
Kritische Debatten in Berliner Theatern finden sich in
den drei Häusern des HAU, in der Schaubühne,
neuerdings auch dem Gorki-Theater oder kleinen Bühnen.
Im BE hingegen wird statt Herrschaftskritik ein
Minister zur Debatte eingeladen und schon im
Ankündigungstext wird deutlich, dass es nicht
darum geht, ihn zu demaskieren. Wenige Wochen
zuvor war am BE die Bühne frei für
rechtspopulistische Lautsprecher Sarrazin.
Engagierte Zuhörer_innen war es zu verdanken,
dass dieses Stück vorzeitig abgebrochen wurde und
Peymann und Co. klagten die „intolerante Linke“ an,
die noch nicht im deutschen Mainstream mit
schwimmt, der endlich wieder sagen dürfen will,
was man von Menschen hält, die in Deutschland
schon immer unbeliebt waren.

Rechtsruck des Bürgertums

Dass im BE nicht etwa die Geflüchteten, die monatelang
in Berlin für ihre Rechte kämpfen, eine Bühne geboten wurde, sondern einen ehemaligen Spitzenmanager und Spitzenpolitiker und Liebling der Bildzeitung zeigt den Bankrott des Intellektuellen Peymann, der wie viele, die als Kritiker_innen der Verhältnisse einst angetreten ist und diese heute rechts überholt. Es ist aber auch ein Zeichen für den Rechtsruck in der Intelligenz und in der bürgerlichen Klasse insgesamt.
Bereits 2012 konnte man wissen, was von dem Kritiker der herrschenden Verhältnisse Peymann
übriggeblieben ist. Damals befanden sich BE-Beschäftigte im Bereich Technik und Requisite im Kampf um einen Tarifvertrag. Solidarische Theaterbesucher_innen, die sich das „Grollen im Zuschauermagen“ nannten organisierten bei der Premiere von Dantons Tod in der Pause eine
Sonder-Aufführung um die Kolleg_innen zu unterstützen. Tatsächlich sorgte die Aktion dafür, dass der Tarifkampf in der Öffentlichkeit bekannter wurde. Peymann drohte zunächst mit Anzeige wegen Hausfriedensbruch und bezeichnete sich kokett in den Medien als größten Ausbeuter. Spätestens da war klar, der Mann ist Teil des
Systems geworden.

Peter Nowak

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Geschrieben von

Peter Nowak

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