Da sind wir aber immer noch

Nische Das Festival Musik und Politik bot lange Zeit eine Plattform für linke Debatten und politische Liedkultur. Doch sein Fortbestehen ist brüchig

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"Was liegt in meinen Kräften" singen die Liedermacher "Berlinska Dróha" und machen damit auf eine Anti-Kohle-Ketten-Aktion im Sommer 2014 aufmerksam
"Was liegt in meinen Kräften" singen die Liedermacher "Berlinska Dróha" und machen damit auf eine Anti-Kohle-Ketten-Aktion im Sommer 2014 aufmerksam

Foto: Screenshot, Vimeo

Die Location "Wabe" ist regelmäßigen Festival-Besucher_innen gut bekannt. Seit 15 Jahren veranstaltet der Verein Lied und soziale Bewegungen e.V. das Festival Musik und Politik, auch dieses Jahr wieder in der hier. Es hat sich schon in den letzten Jahren abgezeichnet, dass das Angebot kleiner wird, nun ist es gar auf der Homepage angekündigt. Die Zeiten, in denen große Konzerte in der Volksbühne oder in der Kulturbrauerei im Rahmen des Festivals stattfanden, sind vorbei. Auch die Versuche, sich mit aktueller politischer Jugendkultur jenseits der Liedermacher_innenszene zu vernetzen, scheint erst einmal ad acta gelegt.

Das diesjährige Programm las sich stellenweise so, als wäre es eine Neuauflage der Rotzfrechen Asphaltkultur, ein ein Zusammenschluss von linken Straßenmusiker_innen, Theaterleuten und anderen Kleinkünstler_innen. Doch es wäre schade, wenn sich das Festival in diese Nische zurück ziehen würde. Sicherlich sind die objektiven Zwänge groß. Es ist schwierig, das Festival zu finanzieren, zudem wird im neoliberalen Kapitalismus die Zahl der Menschen, die ohne Geld für die Realisierung eines solchen Festivals arbeiten, nicht größer. Tatsächlich ist es nur diesem Engagement zu verdanken, dass es das Festival überhaupt noch gibt. In den letzten Jahren gab es sicher viele Momente, in denen nicht klar war, ob es im nächsten Jahr ein neues Festival geben wird.

Sag mir wo Du stehst?

Ich gehöre zu denen, die in den letzten zwei Jahrzehnten das Festival regelmäßig besuchten. Ich kann mich noch an das Ladenlokal in der Oderbergerstraße erinnern, in dem unter dem Namen Zwischenweltfestival die nächsten Gigs geplant wurden. Es gab zwei Movens, die das Festival am Leben hielten und für Interesse sorgten.

Da ging es die Selbstvergewisserung der politischen Singerbewegung in der DDR, welche die Wurzel des Festivals war. Da ging es um die Erforschung des widersprüchlichen Verhältnisses zwischen Kultur und Macht. Ein schlichtes Schwarz-Weiß-Denken, wie es in Bezug auf die Geschichte der DDR hierzulande lange Zeit üblich war, war da fehl am Platz, wie sich schnell zeigte, wenn man sich die Geschichte genauer ansah. Es war sicher ein großes Verdienst des Festivals, dass es hier gelungen ist, eine differenzierte Sichtweise durchzusetzen. Die Tradition des politischen Liedes hätte es verdient, auch hier und heute fortgesetzt zu werden.

Sag mir wohin Du gehst?

Damit komme ich zu dem zweiten Grund, warum auch immer wieder junge Leute, die überhaupt nichts von der DDR-Tradition wussten, das Festival besuchten. Ich kann mich an lebhafte Diskussionen im Rahmen des Festivals erinnern. Es ging um die Positionierung zur Nation um die Frage, ob es eine progressiven Bezug auf Heimatmusik geben kann und wann Pop populistisch wird?

Damals waren die Räume oft gut gefüllt, es wurde mit Leidenschaft gestritten. Nur eine geplante Veranstaltung über die antideutsche Antifa konnte leider nicht stattfinden. Eine Stärke des Festivals bestand darin, dass eben nicht nur engagiert gestritten wird und danach alle nach Hause gingen. Nach der Debatte ging es in den Konzertsaal und oft hatten sich Bandmitglieder an der Diskussion beteiligt. Ich habe in den letzten zwei Jahrzehnten auf dem Festival viele Debatten erlebt, die es wohl sonst an keinen anderen Ort gegeben hätte. Das Festival hat sich so einen eigenen Markenkern erarbeitet, war damit unverwechselbar geworden.

Das ist besonders wichtig in einer Stadt wie Berlin, wo es fast an jeden Wochenende zahlreiche Festivals gibt. Es ist all jenen zu danken, die es bisher ermöglicht haben. Und es stellt sich allen, die bisher davon partizipiert haben, die Frage, wie es in Zukunft so gestaltet werden kann, dass wieder debattiert und gestritten wird. Denn gerade dieser Markenkern ist heute wieder gefragt. Es gibt zahlreiche junge Bands, die mit klar gesellschaftskritischem Anspruch antreten. Dazu gehören HipHoper_innen, Liedermacher_innen, aber auch Formationen wie, die sich in keine dieser Schubladen einordnen lassen. Bands wie Berlinska Droha. Es müsste gerade in Berlin möglich sein, solche Bands für ein Wochenende zusammen zubringen für Debatten und Auftritte. Damit es auch in zwei Jahrzehnten noch heißt: "Da sind wir aber immer noch".

Peter Nowak

Link zum diesjährigen Festival:

http://www.musikundpolitik.de/festivalinformationen/festival-musik-und-politik-2015/

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Geschrieben von

Peter Nowak

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