Der Blick des Kriegers

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Deutsche Waffen, deutsches Geld morden mit in aller Welt, hieß ein beliebter Demoslogan der 80er Jahre. Das war die Zeit, als Deutschland noch nicht in aller Welt mit Soldaten auftreten konnte. Dafür sorgten die deutsche Vergangenheit und die Bedenken der deutschen Nachbarn. Doch das hat sich spätestens in dem Augenblick geändert, wo es der rot-grünen Bundesregierung gelang, deutsche Soldaten gerade wegen der Vergangenheit wieder in alle Welt zu senden. Begonnen hatte man sinnigerweise in Jugoslawien, dem Land, das sich schon historisch besonders vehement den großdeutschen Kriegsplänen widersetzt hatte. In Jugoslawien starben immer wieder Zivilisten bei der Bombardierung von Brücken, Zügen, Fabriken und Städten. Deutsche Soldaten waren dabei, mindestens bei der logistischen Vorbereitung. Insofern ist es auch ein wenig heuchlerisch, wenn jetzt so getan wird,als ob die Bundeswehr in Afghanistan das erste Mal nach dem zweiten Weltkrieg für tote Zivilisten verantwortlich sind. Jugoslawien war der Anfang eines Wegs, der Deutschland als selbstbewusste Nation nach Afghanistan führte. Tote Zivilisten gehören einfach dazu.

Da mag das Bild von den deutschen Soldaten in Afghanistan als bewaffnete Aufbauhelfer auch noch so oft gepflegt worden sein. Jeden Kenner der Verhältnisse war klar, die Unterscheidung in kriegerische US-Soldaten und der Bundeswehr als bewaffnete Amnestie International war Propaganda. Spätestens nach der von der Bundewehr angeordneten Bombardierung zweier Tanklastzüge ist dasendgültig klar. Man braucht in diesen Tagen nur Radio hören und Zeitungen lesen, um festzustellen, dass man auch dort endgültig begriffen hat, dass Deutschland kriegsführende Macht ist. Dann sind die Toten der anderen Seite immer zuerst der Feind, der gar kein Lebensrecht besitzt. Wenn immer wieder erklärt wird, bei den Toten in Afghanistan handelt es sich ausschließlich oder überwiegend um Taliban, wird der Blick und die Sprache des Kriegers hörbar. Er entscheidet, wer ein Lebensrecht hat und wer nicht. Taliban ist die Sprachregelung für alle die Menschen in Afghanistan, denen kein Lebensrecht zugesprochen wird. Dass es dabei nicht um die Bezeichnung einer Organisation handelt wird schnell klar. Taliban sind im Zweifel alle, die in Afghanistan von Natotruppen erschossen werden und auf jeden Fall alle Aufständischen. Auch die Menschen, die in den Regionen leben, in denen die Taliban agieren, werden oft selber dazu gezählt. So erklärte ein Militär a.D. im Deutschlandfunk, dass die Toten auf jeden Fall aus Dörfern kommen, in denen die Taliban agieren. Dass allein scheint sie so verdächtig zu machen, dass sie zumindest an ihren Tod selber schuld sind. Wer denkt da nicht an die besonderen Methoden der deutschen Feindbekämpfung im 2.Weltkrieg, der viele Dörfer zum Opfer führen. Auch damals reichten vermeintliche Kontakte zum Feind.

Hier kehrt er wieder, der Blickdes Kolonialisten auf den Kolonisierten. Er war in der Propaganda schon immer verschlagen, grausam undbrutal, mit einem Wort unzivilisiert. Man braucht nur die Kolonialpropaganda während des sogenannten Hottentottenaufstand vor über 100 Jahren zu lesen und wird erstaunliche Parallelen finden. Heute ist der Taliban die Sammelbezeichnung für einen rückständigen, religiös verblendeten armen Irren. Ihm gegenüber stehen die Träger der Freiheit und der Zivilisation, die Natosoldaten aus aller Welt. Die Bundeswehr ist ein Teil davon. Spätestens nach der Bombardierung der Tanklastzüge scheint das endgültig geklärt. Künftig werden die Meldungen über noch mehr tote Taliban sicher einen wesentlich geringeren Umfang einnehmen. Der Gewöhnungseffekt setzt schnell ein. So wie das tägliche Sterben afrikanischer Flüchtlinge an den Grenzen Europas achselzuckend zur Kenntnis genommen wird, so wird man über die täglichen Toten in Afghanistan schweigen. So wie in den 60er Jahren all zu viele zu den toten Vietnamesen geschwiegen haben. Das änderte sich in dem Augenblick, als linke Organisationen „Bring the War Home“ zur zentralen Antikriegsparole machten.

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Geschrieben von

Peter Nowak

lesender arbeiter

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