Der Film beeindruckt heute noch

Nacht und Nebel Der Film über das deutsche KZ-System zeigt die Gräuel der Verfolgung, die Leichenberge, die Haare, Schuhe und Brillen der Ermordeten.

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Ein 18jähriger Klimaaktivist und Kandidat der Linken für die Bürgerschaftswahlen in Hamburg machte diesen Tage Schlagzeilen, weil er zum Holocaust-Gedenktag in sehr unglücklichen Formulierungen auch an die Umweltkrise erinnern wollte. Dann verwandte er noch den Begriff des Klima-Holocaust und schon empören sich alle in allen möglichen Medien. Die Kritik ist wahrlich berechtigt. Doch dass die Linke dann ihr vorhergehätscheltes Jungmitglied gleich aus der Partei ausschließen will, ist wahrlich ein politisches Trauerspiel. Da versucht man nicht, junge Linke politische Bildung beizubringen. Den Problemkandidaten ausschließen und dann ist Ruhe, lautet die Devise.

Da könnte die Partei ihren Junggenossen tatsächlich mal etwas historisches Wissen angedeihen lassen. Empfehlenswert wäre ein Besuch des Films Nacht und Nebel (https://www.imdb.com/title/tt0048434/) des französische Regisseur Alain Resnais. Mitgewirkt haben an den Film Künstler*innen aus verschiedenen Ländern, darunter der später berühmte Regisseur Chris Marker und der antifaschistische Musiker Hanns Eisler. Paul Celan hat „Nacht und Nebel in die deutsche Sprache übersetzt. Es war einer der ersten Filme über die Shoah. Er war so eindringlich, dass die damals mit Altnazis durchsetzte westdeutsche Botschaft in Frankreich gegen den Film intervenierte. Er führt gleich zu Beginn mitten in den deutschen Alltag. Es werden die Namen der Orte gezeigt, die mit den deutschen Vernichtungslagern verknüpft sind. Doch es werden nicht die Lagerzäune und –türme gezeigt, sondern die Wiesen und die historischen Gebäude, die es dort auch gibt. Damit wird auch deutlich, der Terror war nicht das Gegenteil von deutscher Gemütlichkeit und Idylle. Im Gegenteil, es war ihr Bestandteil.Mitten im Konzentrationslager Buchenwald wurde die Goetheeichesorgsam gepflegt von den KZ-Bewachern und ihren Anhang. Viele Wege führten in das Konzentrationslager. Auch ein heimeliger Marktplatz oder ein blühendes Feld konnten in der NS-Zeit Wege in die Konzentrationslager sein. Deshalb hat der französische Regisseur Alain Resnais solche scheinbar idyllischen Aufnahmen am Anfang seines preisgekrönten Dokumentarfilms gestellt. Der Film über das deutsche KZ-System zeigt die Gräuel der Verfolgung, die Leichenberge, die Haare, Schuhe und Brillen der Ermordeten. Er dokumentiert die Blicke der Deportierten in den Waggons, bevor sich die Türen schlossen. Eine der im Film gezeigten Frauen war eineSintesa auf dem Weg nach Auschwitz.Der Film zeigt aber auch die Täter. Der Weg in das KZ-System begann 1933, was Resnais mit einem Platz einer unbekannten deutschen Stadt visualisierte, in der Hitler-Anhänger*innen die Machtübertragung feierten. Es hätte jede beliebige deutsche Stadt sein können.

„Da sind wir noch“

Eine Aufführung des Filmes vor wenigen Tagen in der Berliner Volksbühne (https://www.volksbuehne.berlin/de/programm/9689/nacht-und-nebel) machte deutlich, dass der Film auch heute nichts von seiner Eindringlichkeit verloren hat. Noch 30 Minuten nach dem Film, standen die Zuschauer*innen in Gruppen vor der Volksbühne und diskutierten über das, was sie dort gesehen und gehört hatten.Die Stärke des Filmes ist es,dass er den Terror und die deutsche Vernichtungspolitik zeigt, ohne künstlerische Schockelemente zusätzlich einzufügen. Wir werden aber viele solcher Aufführungen gerade mit der jüngeren Generation brauchen, um zu verhindern, dass die Shoah und der Holocaust zu Worten werden, an die sie einmal im Jahr am 27. Januar erinnern, wie andere an Weihnachten Ende Dezember. Der Film „Nacht und Nebel“ macht deutlich, für die Shoah waren die „ganz normalen Deutschen“ verantwortlich. Unterstützt wurden sie von Herrschaftsstrukturen die es noch immer gibt.

Der Film wurde zehn Jahre nach dem Ende des NS gedreht, endete mit dem Verweis auf die Menschen, die überlebt.Da sind wir noch, heißt es in Bezug auf diese Überlebenden. Auch 2020 stimmt diese Aussage noch. Im großen Saal der Volksbühne spielte das Jewish Chamber Orchestra Munich die Filmmusik live. Vor der Vorführung führte der Dirigent David Grossmann ein Gespräch mit Eva Umlauf, die als Kleinkind in Auschwitz leben musste.Ihr Vater und viele ihrer Verwandten wurden Opfer der deutschen Vernichtungspolitik. Eva Umlauf berichtete über ihre behütete Kindheit.

Peter Nowak

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Peter Nowak

lesender arbeiter

Avatar

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden