Der Kampf um Entschädigung der Iris K.

Polizeigewalt Berlin Iris K. ist anerkanntes Opfer von Polizeigewalt. Doch der Kampf um Entschädigung geht weiter.

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Wenn ein Polizeibeamter von Demonstranten im Würgegriff genommen und so geschlagen wurde, dass er eine Halswirbelverletzung davon trägt und erwerbsunfähig ist, wäre das ein Top-Thema für die Boulevardpresse. Politiker aller Parteien würden härtere Strafen fordern, Fahndungsaufrufe würden bundesweit verteilt und Augenzeugen ermittelt. Doch Iris K. ist eine Polizistin. Die Wissenschaftlerin hat sich am 20.4.1995 in Berlin an einer antifaschistischen Demonstration beteiligt. Kurz vor der Auflösung stürmte ein Trupp der berüchtigten 23.Polizeieinheit in die Menge und schlug auf die Demonstranten ein. Iris K. wurde in den Würgegriff genommen und auf Rücken und Nieren geschlagen. Die uniformierten Täter wurden nie ermittelt, obwohl Iris K. sofort Anzeige stellte. Es gab keine öffentlichen Fahndungsaufrufe. Die Polizeieinheit musste keine Zeugenbefragungen über sich ergehen lassen und in der Boulevardpresse wurde nicht über die Verschärfung von Gesetzen gegen Polizisten diskutiert, die Gewalt im Dienst verüben. Doch die Zivilklage von Iris K. hatte Erfolg. Der Berliner Senat musste ihr schließlich bescheinigen, dass sie Opfer von Polizeigewalt geworden ist und entschädigt werden muss. Der Wortlaut der der Jungle World vorliegenden Erklärung des Finanzsenats von 2010 ist eigentlich unmissverständlich. „Frau K. hat am 20.04.1995 durch einen Polizeieinsatz Verletzungen erlitten, für deren Folgen das Land Berlin einzustehen hat“ Damit war nicht nur die einmalige Zahlung eines Schmerzensgelds gemeint. Heißt es doch in dem Schreiben: „Frau K. erhielt im Jahr 1998 für die bis zu diesem Zeitpunkt bekannt gewordenen Schäden einen Ausgleich durch das Land Berlin. Darüber hinaus hat sich das Land Berlin verpflichtet, auch für künftige Schäden einstehen“. Diese Folgeschäden waren bald so stark, dass Iris K. eine Stelle Wissenschaftlerin nicht antreten konnte. Als sie die zugesagte Entschädigung einforderte, erlebte sie eine böse Überraschung. Die zuständige Berliner Finanzbehörde beauftragte einen neuen Gutachter, der feststellte, dass die gesundheitliche Beeinträchtigung nichts mit der Polizeigewalt zu tun hat.

Diffamierung des Opfers von Polizeigewalt

„Dabei hat sich der Gutachter lediglich mit den Würgegriff nicht aber mit den Schlägen der Polizisten auseinandergesetzt“, kritisiert der Berliner Rechtsanwalt Helmuth Meyer-Dulheuer, der Iris K. in der Zivilklage vertritt gegenüber der Jungle World. Besonders infam findet es der Jurist, dass der Gutachter seiner Mandantin eine „Rentenneurose“ unterstellte und ihr vorwarf, bewusst oder unbewusst nicht wieder gesund werden zu wollen. „Um die Kosten nicht tragen zu müssen, versucht das Land Berlin ein Opfer von Polizeigewalt als psychisch krank zu diskreditieren“, kommentiert Meyer-Dulheuer. Zudem weisen Traumatologen daraufhin, welche Belastung es für die Betroffenen ist, wenn sie sich wegen dieser jahrelangen gerichtlichen Auseinandersetzungen immer wieder mit der gegen sie verübten Gewalt beschäftigen müssen. Der Kampf um Entschädigung endete Ende März Woche für Iris K. erneute in einer juristischen Niederlage. Die Zivilkammer des Landgerichts wies ihre Klage ab. Ob die Frau in Berufung geht, hängt auch davon ab, ob ihr weiterhin Prozesskostenhilfe bewilligt wird. Voraussetzung dafür ist, dass die Berufung Aussicht auf Erfolg hat. Für den Unterstützerkreis von Iris K. ist es unverständlich, dass die Berliner Senatsverwaltung eher bereit ist, Geld für jahrelange juristische Auseinandersetzungen auszugeben, als ein Opfer von Polizeigewalt zu entschädigen. Bemerkenswert ist auch, dass die Abwehr der Entschädigungsansprüche vom Senat unabhängig von der politischen Zusammensetzung praktiziert wird. Mit dieser Blockadehaltung solle wohl ein Präzedenzfall verhindert werden, so der Jurist. Schließlich gibt es zahlreiche Opfer von Polizeigewalt auch in Berlin. Es war nur eine absolute Ausnahme, dass Iris K. durch ihre Zivilklage die Anerkennung als Opfer von Polizeigewalt mit Entschädigungsanspruch gelungen ist. Dass sie 23 Jahre nach dem Polizeiangriff deswegen erneut vor Gericht ziehen muss, hätte sie damals nicht für möglich gehalten. Die Sprecherin des Berliner Finanzsenats Eva Henkel erklärte, dass ihre Behörde sich zu laufenden Verfahren prinzipiell nicht äußere.

Peter Nowak

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Peter Nowak

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