Der Preis der Ware Arbeitskraft fällt

God's Entertainment Der Wiener Theatergruppe gelingt es, die bringt die heutigen Ausbeutungsverhältnisse realistisch darzutsellen. Der Groteil des Teams sind Arbeitsmirgrant_innen.

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„Arbeiterstrich“, dieser Begriff hat sich in den letzten Jahren in unseren Wortschatz eingeschlichen. Er bezeichnet und hat es schon zu einem Wikipedia-Eintrag gebracht. Damit wird ein Ort bezeichnet, in der Lohnabhängige frühmorgens ihre Arbeitskraft meistbietend anbieten. Sie stehen auf Plätzen oder an einer Straße und die potentiellen Käufer_innen der Lohnarbeit fahren oder gehen an ihnen vorbei und verhandeln über den Preis. In den letzten Tagen mussten alle Theaterbesucher_innen an einen solchen „Arbeiterstrich“ vorbei, wenn die das Stück „Cleaning, babysitting, I help in the house – 7 Euro“ im Berliner HAU2 besuchen wollten. Der lange Titel ist Programm, nur ging es dann nicht mehr um 7 Euro. „Heute 50 Prozent“ reduziert, lautete eines der Schilder, dass die Beschäftigten sich um den Hals gehängt haben. Oft wurde der Preis noch weiter gedrückt. In Zeiten des Ein-Euro-Jobs sinken natürlich die Ansprüche.

Die Klasse spielt sich selber

Die österreichische Theatergruppe God`s Entertainment inszenierte das 90minütige Stück mit zahlreichen Lohnabhängigen aus der ganzen Welt und mit den unterschiedlichsten Aufenthaltsstatus. Geflüchtete aus Afrika waren darunter, die nach Berlin gekommen sind, weil sie für ein Bleiberecht und ein Recht auf Arbeit kämpfen. EU-Bürger_innen aus Osteuropa, die in Deutschland auf der Suche nach einem etwas besseren Leben sind. Aber auch Menschen aus der europäischen Peripherie, aus Spanien und Griechenland bieten hier ihre Arbeitskraft an. Auch hier ist die Realität dem Theater schon voraus. Vor wenigen Wochen wurde bekannt, dass 120 spanische Bürger_innen mittellos in Erfurt gestrandet waren. Private Arbeitsvermittler_innen hatten ihnen Sprachkurse und eine geregelte Lohnarbeit versprochen. In Deutschland stellte sich das dann als großer Bluff raus und es ist längst kein Einzelfall mehr. Die von Deutschland forcierte Austeritätspolitik bedeutet eine Verarmung in vielen Ländern der europäischen Peripherie. Dann ist für viele Menschen selbst eine Lohnarbeit für 1 Euro schon ein Ausweg aus der Misere


Durch die EU hypnotisiert?

Das ist der gesellschaftliche Kontext, in dem das Stück spielt und ist somit verdammt aktuell. Es ist lobenswert, dass God’s Entertainment diese Thematik aufgegriffen hat und dabei sehr realistisch geblieben ist. Dafür sorgen wahrscheinlich auch die vielen Darsteller_innen, die eben keine Schauspieler_innen sind sondern die ihren Alltag spielen. Die Bühne ist eine große Baustelle, auf der Gerüste auf- und abgebaut werden, auf der gehämmert und gesägt wird. Einige Gruppe aus dem Publikum, sie wurden nach der Sitzplatznummer aufgerufen, waren sogar zur Baustelleninspektion eingeladen. Sie wurden mit Schutzhelm und kundigen Guide über die Bühne geführt. Währenddessen beichteten einige der Arbeiter_innen ihre Vergehen. Die bestanden vor allen Dingen darin, dass sie undokumentiert gearbeitet haben. Im Theater wurde noch konsequent von „Schwarzarbeit“ gesprochen Ein Beschäftigter aus Asien, der auch seine Familie samt Kindern mit ins Theater gebracht hat, wollte sich mit einer Spende von der Sünde freikaufen. Allerdings könne er mehr als 20 Euro nicht erübrigen, betonte er. Witzig dass hier der alte katholische Ablasshandel wieder Urständ feiert, die schon Martin Luther als Beweis für die Notwendigkeit der Reformation anführte. Bald kam ein dünner Mann auf die Bühne, der seine Hypnosekünste an den Lohnabhängigen ausprobierte. Auf der Bühnenwand leuchteten die EU-Sterne auf. Ist vielleicht die gesamte EU eine Hypnose und die Hoffnung so vieler Menschen in Deutschland tatsächlich ein besseres Leben zu finden? Diese Frage konnte nach Ende des Stücks Theaterbesucher_innen gemeinsam mit den Schauspieler_innen und den Arbeiter_innen bei Bier, Wasser, Brot und Obst erörtern. Am Ende wurden alle zu einem kleinen Imbiss eingeladen.

In Erwägung, dass wir hungrig bleiben…“

Es ist zu hoffen, dass dieses sehr aktuelle und realistische Theaterstück noch in vielen Städten und vielleicht auch auf Theaterfestivals gespielt wird. Nur ein kleiner Kritikpunkt bleibt am Ende. „Das Lied von der Unzugänglichkeit des menschlichen Lebens“ von Brecht scheint für diese Thematik doch etwas zu harmonisch. Denn nicht dass alles Streben Selbstbetrug ist, sollte die Quintessenz dieses Abends sein. Eine bessere Erkenntnis wäre das Realisieren, dass es gesellschaftliche Strukturen gibt, die die Ausbeutung stabilisieren und schützen, also auch Verhältnisse, wie sie 90 Minuten gezeigt werden und dass diese Verhältnisse veränderbar sind. Ich würde vorschlagen, die „Resolution“ von Brecht zu verwenden.

In Erwägung: es will euch nicht glücken

Uns zu schaffen einen guten Lohn

Übernehmen wir jetzt selber die Fabriken

In Erwägung: ohne euch reicht's für uns schon.

Peter Nowak

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Geschrieben von

Peter Nowak

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