Ob Harald Wolf wohl seine Marx-Lenin-Bände entsorgt hat? Als langjähriger trotzkistischer Aktivist hat er sie bestimmt besessen. Als Wirtschaftssenator von Berlin aber will er davon nichts mehr wissen.
Deswegen ärgert ihn auch die Kommunismusdiskussion, die seiner Linkspartei von einen gar nicht kommunistischen Text seiner Parteivorsitzenden Gesine Lötzsch aufgedrängt wurde.
Auf die Debatte angesprochen, erklärte Wolf im Taz-Interview (www.taz.de/1/archiv/print-archiv/printressorts/digi-artikel/?ressort=bl&dig=2011%2F01%2F25%2Fa0141&cHash=95e753720c), dass ihn diese „überflüssige Diskussion“ ärgere und er nur hoffe, dass sie bis zu den Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus beendet sein wird.
Damit bestätigt Wolf nur das Urteil seiner Kritiker. Wolf will nichts mehr sein als Arzt am Krankenbett des Kapitalismus und ist dort noch zuständig für die besonders bittere Medizin. Denn, so wie nur die Grünen Deutschland kriegsfähig machen konnten, so können Sozialdemokraten de unterschiedlichen Couleur natürlich besonders sozial verträglich kürzen und die eigene Basis beruhigen. Wolf hat mit dem Interview auch noch einmal deutlich gemacht, dass er mit seiner marxistischen Vergangenheit wirklich nichts mehr zu tun hat. Sonst hätte er ja argumentieren können, er muss als Finanzsenator im Rahmen des kapitalistischen Systems handeln und könnte bei jeden Sachzwang darauf hinweisen, dass man eben Wege aus dem Kapitalismus finden müsse, wenn man eben diese Grenzen überwinden will.
Die Klarstellung von Wolf, dass er nun wirklich keine Alternative zum Kapitalismus auch nur diskutieren will, bestätigt eine Erkenntnis, die schon die Linken in der Sozialdemokratie vor über 100 Jahren kannten. Der Reformismus wächst mit den Posten und wer sich erstmal in einem Amt eingerichtet hat, und sei es nur im Berliner Wirtschaftssenat, der verteidigt das System mit allen Mitteln. Doch es braucht nicht einmal ein Amt zur Anpassung. Auch Bernd Riexinger, Sprecher der Linkspartei Baden-Württemberg und eigentlich ein linker Gewerkschafter und Mitorganisator von Sozialprotesten, hat sich über die Kommunismusdiskussion geärgert, zumindest vor den anstehenden Wahlen in Baden-Württemberg (www.jungewelt.de/2011/01-22/068.php?sstr=Bernd%7CRiexinger). Was doch wieder einmal bestätigt, dass die Wahlen nun wirklich keine gesellschaftskritische Angelegenheit sind und die Linke mit ihrer Teilnahme an den Wahlen daran auch nichts ändern will. Damit aber manövriert sie sich selber in der Sackgasse. Da mag die Partei noch so sehr die „soziale Frage“ in den Vordergrund stellen, wie es im jW-Interview heißt, sie zeigt damit, dass sie bestenfalls auf der Höhe der Sozialdemokratie der Brandt-Ära ist. Dass sich zwischenzeitlich ökonomisch einiges verändert hat, dass der Fordismus de 60er und 70er Jahre ausgedient hat, wird dabei nicht mit berücksichtigt. Dabei könnte gerade die Veränderungen der Produktivkräfte, die immer mit dem Stichwort Internetrevolution beschrieben wurden, angeführt werden, um die Notwendig eines neuen Kommunismus zu begründen. Der hätte mit Stalin und Stasi nichts, viel dagegen mit einer vernünftigen Nutzung der Produktivkräfte und mit dem Übergang vom Reich der Notwendigkeit in das Reich der Freiheit zu tun.
Eine solche Debatte hätte in einer Zeit, in de viele Menschen nicht mehr wählen, weil sie kein Interesse an einer großen kapitalistischen Einheitspartei haben, durchaus Chancen, Gehör zu finden. In der gleichen Taz-Ausgabe, in der Wolf jeden Weg aus dem Kapitalismus ablehnte, schrieb der Journalist Ralf Hutter in einem Beitrag (www.taz.de/1/archiv/print-archiv/printressorts/digi-artikel/?ressort=me&dig=2011%2F01%2F25%2Fa0095&cHash=020184ffb9 ) zur Kommunismusdebatte:
„Der Partei Die Linke hätte es genützt, sich nicht auf die Gleichsetzung von Kommunismus und (Post-)Stalinismus festlegen zu lassen. Doch anstatt deutlicher auf die Vielfalt kommunistischer Agitation und Politik der letzten 150 Jahre hinzuweisen, flüchtet sich die Parteiführung nun in die Formel "demokratischer Sozialismus". Und in Regierungsposten, wo sie den Kapitalismus a la wie Harald Wolf verwaltet, muss man ergänzen.
Peter Nowak
Kommentare 13
Danke schön für diesen beitrag!
Man muss mal abwegen:
Die Linke ist keine Kommunistische Partei!
Sie vereinigt in sich viele Strömungen die per Bundestag eine Verbesserung des Kapitalismus betreiben,ausgenommen die kommunistische Plattform.
Kann man so sehen,muss man aber nicht!
Ich für meinen Teil halte von Lenin noch jede Menge.
Denn wenn sich eine Möglichkeit ergeben sollte,diese Staatsmacht abzulösen,müsste ich bescheuert sein,wenn ich diese Möglichkeit mir entgehenlassen würde.
Mein Bruder ist Hartz 4 Empfänger und leidet u.a.an Neurodermitis.
Wenn selbst er sagt,das es ohne Revolution nicht besser wird,und darüberhinaus auch an bewaffneten Kampf gedacht werden müsste-so utopisch es scheint-dürfen wir Lenin nicht vergessen!
Die letzte Rosa Luxemburgkonferenz war die,meiner Ansicht nach,Beste der letzten Jahre.
Zur In Info:
Moshe Zuckermann hatte schon um 11.00 Uhr ein grandioses Referat gehalten.
Die Flucht in diese ebenfalls negativ besetzte Formel ist doch gut, so kann die Partei zumindest keinen Schaden anrichten.
Jedenfalls sind da Revolution und Gewaltanwendung nach Vorbild des Massenmörders Lenin nicht zu befürchten.
Ist schon ein hartes Schicksal- Hartz 4 Empfänger und noch dazu Neurodermites. Das rechtfertigt natürlich den gewaltätigen Kampf gegen das neoliberale Regime. Genossen zu den Waffen!
Danke lieber Peter für den Beitrag.
Ist Harald Wolf nicht Anfang der 90er von der AL gekommen, weil die sich doch so nach rechts entwickelt hat?
@Tania ad 28.01.2011 um 17:39
Ja, die Revolutionen scheinen sich derzeit aber Richtung Süden zu verlagern und ob sie wirklich sozialistisch sind ist die Frage. Aber immerhin haben sie wohl auch eine soziale Komponente.
@ForenBoy ad 28.01.2011 um 17:52
Dem Blog-Radar des virtuellen McCarthy scheint aber auch nichts zu entgehen. Überleg' Dir doch mal, was Dir das denn bringt.
Peter, auch meinen Dank für diesen Bericht aus Berlin. Ist Harald Wolf nicht jener welcher das Berliner Wasser, eine öffentliche Daseinsvorsorge privatisiert hat?
Diese Überlegung stellt sich erst gar nicht, da ich im Gegensatz zu einigen "Linken" hier nicht materialistisch eingestellt bin.
Oh Mann, ist das peinlich. Ein ganz kurzer Blick in die Wikipedia hätte genügt, aber lieber plappert man die Gerüchte nach, die einem am besten gefallen …
Die Teilprivatisierung der BWB fand 1999 statt. Der damalige PDS-Fraktionsvorsitzende Harald Wolf hat dagegen Verfassungsklage eingereicht. Das Gericht gab ihm inhaltlich recht, ließ aber die Privatisierung aus formalen Gründen durchgehen. Das ist ein kleines Stück von dem Scherbenhaufen, den der Diepgen-Landowsky-Strieder-Senat Berlin hinterlassen hat.
Als jemand, der es bis 1998 bei den Grünen ausgehalten hat, hast Du natürlich leicht spotten.
Ja Harald Wolf gehörte einst zum gemässigt linken Flügel der AL, lebte mit seinen ebenfalls linken Bruder Udo und Michael Prütz gemeinsam in einer linken WG. Udo und Harald Wolf sind heute in der Linkspartei, Michael Prütz gehört zu den Kritikern der auch der rot-roten Regierung.
Das sind halt die berühmten Sachzwänge. Wenn Wolf wirklich eine Veränderung wollte, würde er sagen, okay Leute, mehr kann ich im kapitalistischen Rahmen nicht erreichen. Deshalb ist gerade die Kommunisdebatte so wichtig. Aber Wolf lehnt diese Debatte ab, was eben zeigt, er will über die kapitalistische Verwaltung nicht hinaus.
@Peter Nowak ad 30.01.2011 um 21:54
Hier mal noch der Link zu meinem Blog "Antikommunismus 2.0 -Vom Versuch, eine Idee zu delegitimieren", wo in zahlreichen Beiträge einige Fragen erörtert werden, die auch hier interessant sein könnten: tinyurl.com/6bacc6n