Deutsche Christen gegen Roma

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Zu Pfingsten wird die St.-Marien-Liebfrauen-Kirche in Berlin-Kreuzberg sicherlich gut gefüllt sein. Die guten Christen werden ihren Herrn dafür danken, dass er ihnen den Mut gegeben hat, mit eigener Hand diejenigen vor die Tür zu setzen, die nicht in die Kirche zum Beten gekommen waren. Schließlich war ihr Pfarrer Olaf Polossek an vorderster Stelle mit dabei, als es darum ging die ungebetenen Gäste vor die Tür zu setzen.


Es handelte sich um eine Gruppe von Roma, die in Berlin seit mehr als einer Woche gemeinsam mit antirassistischen Gruppen für menschenwürdige Unterkünfte gekämpft hat. Die Roma waren zunächst in einem Kreuzberger Park Polizeischikanen ausgesetzt. Schließlich hatten Bewohner eines linken Hausprojekts kurzfristig den Menschen ein Dach über den Kopf geboten. Seit mehr als einer Woche wurde mit den zuständigen Berliner Senatsstellen über eine Unterkunft verhandelt, die in der Nähe der Stadt und den Menschen auch zumutbar ist.


Letzter Ausweg Ausreisezentrum


Schon von Anfang an wurde von Seiten des Senats das Ausreisezentrum in der Motardstraße, einem Spandauer Industriegebiet, als Unterkunft angeboten worden. Das lehnten die Betroffenen aus mehreren Gründen ab. Sie wollten nicht soweit außerhalb der Stadt in einer völlig unattraktiven Gegend leben. Zudem fordern Flüchtlinge und antirassistische Gruppen seit Langem eine Schließung dieses Ausreisezentrums. Hinzu kommt noch, dass die rumänischen Roma als EU-Bürger rein rechtlich auch in Deutschland Freizügigkeit genießen. Weil es zu keiner Einigung mit dem Senat kam, hatte ein Teil der Roma die St.-Marien-Liebfrauen-Kirche besetzt. Damit sollte der Druck auf den Senat erhöht werden. Mit einer öffentlichkeitswirksamen Besetzung sollte auch signalisiert werden, dass sich die Menschen nicht still und heimlich aus der Stadt verbannen lassen. Gegenüber dem Pfarrer ist immer deutlich gemacht worden, dass sich die Besetzung nicht gegen die Gemeinde richtet. Die Menschen hatten im christlichen Sinne die Kirche als einen Schutz für Verfolgte betrachtet.



Am Ende blieben nur Lügen


Doch sie haben nicht mit der Mentalität dieser Deutschen Christen gerechnet, für die Nächstenliebe, Solidarität und die 10 Gebote Lippenbekenntnisse sind, die sie immer dann benutzen, wenn sie selber nicht betroffen sind. Während der Pfarrer den Roma noch versichert hatte, dass sie über Pfingsten in der Kirche bleiben können, hat sich längst ein Kreis von christlichen Aktivbürgern zusammen gefunden, die die ca. 20 noch verbliebenen Roma in den frühen Abendstunden des Freitag aus der Kirche drängten. Eine Gruppe von 28 Roma hatte nach massivem Druck vorher eingewilligt, doch in die Motardstraße zu ziehen. Am Tag danach wird aus der Räumung ein freiwilliger Abzug. So heißte es in einer von einigen Zeitungen verbreiteten Meldung von dpa:


„Die 20 verbliebenen Roma haben am Freitagabend die Besetzung der St.-Marien-Liebfrauen-Kirche in Berlin-Kreuzberg beendet. Nach Auskunft des «Unterstützerinnenkreises Roma-Familien» hätten die Roma das Gebäude nach Aufforderung durch den Pfarrer verlassen. Die Polizei teilte mit, dass die Aktion aus ihrer Sicht ruhig verlaufen sei. Im Ringen um eine Bleibe hatten 50 Roma die Kirche seit Donnerstag besetzt gehalten und dauerhafte Unterkünfte gefordert. Bereits am Freitagnachmittag hatten sich 30 von ihnen in ein vom Senat angebotenes Asylbewerberheim begeben.“


Dass die deutschen Christen selber mit Hand an gelegt haben, wird gar nicht erwähnt, obwohl Roma und Unterstützer wenige Stunden nach der Räumung eine Pressekonferenz einberufen hatten.

Die christliche Ordnung ist wieder hergestellt in der Kreuzberger St.-Marien-Liebfrauen-Kirche. Die frommen Menschen brauchen an Pfingsten nicht auf ihren Gottesdienst im gewiss blank geputzten Kirchenraum zu verzichten. Sie werden sicher noch eine Extrakerze dafür anzünden, dass die Räumung so glatt über die Bühne gegangen ist. Dass sie dafür auch mal ein Gebot übertreten mussten, indem sie beispielsweise den Roma gegenüber erklärten, sie können bis nach Pfingsten bleiben, werden sich die deutschen Christen gewiss schon längst vergeben haben. Schließlich stehen sie da in einer langen Tradition von Brüchen der eigenen Grundsätze, wenn es nur zum eigenen Vorteil ist.

Und die Roma, die eigentlich Schutz erhofft hatten, sind jetzt dort, wo sie nicht hinwollten: im Abschiebezentrum Motardstraße.

Dafür noch ein zusätzliches Hallejullah, Deutsche Christen.






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Geschrieben von

Peter Nowak

lesender arbeiter

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