Deutsche Patrioten in Dresden unter sich

Einheitsfeier Pegida Zu den Einheitsfeiern am 3. Oktober gehören Rechte von Anfang dazu, Mittlerweile organisieren sie sich nicht mehr nur in der Union sondern auchbei Pegida oder AFd

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Was solln die Nazis raus aus Dütschland?
Was hätte das für ein Sinn?
Die Nazis können doch net naus, denn hier jehörn se hin

(Goldene Zitronen, „Flimmern“)

Die Pöbeleien einiger Hundert Rechter aus dem Umfeld der zerstrittenen Pegida-Bewegung, die Merkel, Gauck und andere geladenen Gäste der Dresdner Einheitsfeier als Volksverräter geschimpften und mit Trillerpfeifen auspfiffen, sorgt für Schlagzeilen. Während selbst das zivilgesellschaftliche Bündnis Atticus (http://atticus-dresden.de/ ) vor dem Vorkommnissen des 3. Oktober statt von Rassismus und rechten Populisten zu sprechen nur moniert, dass Respekt und Anstand immer weniger Geltung besitzen würden, erwähnte die Zeit immerhin, wer auch am 3. Oktober die eigentlichen Opfer deutscher Patrioten waren(http://www.zeit.de/wirtschaft/unternehmen/2016-10/dresden-pegida-proteste-attacke-politiker):

„Ein dunkelhäutiger Mann, der zum Gottesdienst wollte, wurde mit "Abschieben"-Rufen empfangen.“

Schon im Vorfeld der turnusmäßig rotierenden Einheitsfeierlichkeiten wurde diskutiert, ob es klug ist, diese in Dresden, der Stadt von Pegida, zu begehen oder abzusagen (http://www.taz.de/!5340395/). Besonders nach den Anschlägen gegen eine Moschee und ein Kongresszentrum, das zunächst linken Gruppen untergeschoben werden sollte, wurde die Kritik am Austragungsort Dresden lauter.

Doch selbst die Gegner_innen dieses Ortes stellten nicht die Einheitsfeierlichkeiten in Frage, sondern beeilten sich zu betonen, dass man eigentlich niemand das Feiern vermiesen soll. Genau darin liegt das Problem. Am3.Oktober wird nämlich genau jene „Wir sind ein Volk-Bewegung“ gefeiert, die im Herbst 1989 mit schwarzrotgoldenen Fahnen und Deutschland-Deutschland-Rufen von Sachsen ausgehend die Straßen und Plätze der ehemaligen DDR überrollte. Schon damals waren die wenigen Menschen, die nicht ins deutsche Reinheitsgebot passten, beispielsweise Vertragsarbeiter_innen aus Vietnam, Angola oder Mozambique, zur Zielscheibe der deutschen Patriot_innen. Opfer dieser deutschen Patriot_innen wurden auch schnell die Kräfte in der DDR-Opposition, die gegen die autoritäre SED-Herrschaft auf die Straße gingen und für eine demokratische DDR aber nicht für eine Wiedervereinigung kämpften. Das Wort von den Wandlitzkindern machte schnell die Runde, weil manche dieser Oppositionellen aus Familien kamen, die nach dem 2. Weltkrieg in der DDR eine neue Republik aufbauen wollten. Die Patriot_innen wurden im Herbst 1989 nicht nur mit Fahnen und Infomaterial aus der BRD gesponsert. Daran beteiligten sich rechte Parteien wie die Republikaner, die durchaus als AfD-Vorläufer gelten kann. Aber auch die Unionsparteien hatten ein großes Interesse in Ostdeutschland eine nationalistische Bewegung aufzubauen, die statt einer erneuten DDR den schnellen Anschluss an die BRD favorisieren. Dafür gehen die Unionsparteien das Bündnis mit der ultrarechten Deutschen Sozialen Union (http://www.dsu-deutschland.de/) ein, von deren Kadern der ersten Stunde sich viele in weiteren rechten Kleinstgruppen und heute in der AfD wiederfinden. Wenn am 3. Oktober die deutsche Einheit gefeiert wird, dann wird auch der Sieg über die DDR-Opposition gefeiert, die genau diese Einheit abgelehnt hatte. Der Runde Tisch der DDR hatte unter maßgeblicher Federführung dieser Gruppen den BRD-Parteien verboten, sich in den Wahlkampf für die Volkskammer im März 1990 einzumischen. Von allen BRD-Parteien wurde dieser Beschluss ignoriert. Wenn heute oft behauptet wird, die Einheitsfeiern wären eine Sache der DDR-Opposition, wird nur deutlich, wie gründlich die deutschen Patriot_innen gesiegt haben. Sie haben die Geschichte der DDR-Opposition der ersten Stunde und ihrer Ziele weitgehend verdrängt. Allerdings muss auch erwähnt wurden, dass sich manche von ihnen den Sog zur Einheit nicht versagten konnten oder wollten und stillschweigend ihrer ursprünglichen Ziele revidierten. Doch es gibt noch immer kleine Gruppen der DDR-Opposition, die an den Ursprungszielen festhalten . Für sie ist der 3. Oktober kein Feiertag sondern der Endpunkt einer Niederlage.

Nährboden für neuen Rechtsterrorismus lag auch im Vereinigungspathos

Der Sozialwissenschaftler Samuel Salzborn hat in einem Gastbeitrag (http://www.kontextwochenzeitung.de/gesellschaft/287/gefaehrliche-toleranz-3904.html ) für die Zeitschrift Kontext die Entwicklungen der Rechten in den frühen 1990er Jahren mit der aktuellen Situation verglichen und kommt zu einem alarmierenden Befund:

„Analysiert man die historische Konstellation, dann drängen sich Parallelen zu den frühen 1990er-Jahren und einer innenpolitischen Entwicklung auf, in der der Nationalsozialistische Untergrund (NSU) entstand und mindestens zehn Morde und eine Reihe weiterer Straftaten begangen hat. Dieser Blick zurück zeigt: Die Situation heute ist in mancherlei Hinsicht noch bedrohlicher – und die Entstehung neuer rechtsterroristischer Netzwerke mehr als wahrscheinlich.“

Dabei geht Salzborn auch auf die Verantwortung des „Vereinigungspathos“ für das damalige rechte Klima ein und bezieht sich dabei auf die Arbeiten des Sozialwissenschaftlers Wolfgang Kreutzberger.

"Geprägt von einem, so Kreutzberger, "Vereinigungspathos", zeigten sich die Maßnahmen gegen Rechtsextremismus nicht nur pädagogisch weitgehend hilflos, sondern die Justiz operierte auch strafrechtlich mit vergleichsweise milden Urteilen gegen rassistische Gewalttäter, obgleich es auch zu neuen Vereinigungsverboten kam. Wesentliche Rahmenbedingungen waren hierbei auch, dass im Kontext der deutschen Einheit die Toleranz für rassistische Gewalttaten in der Bevölkerung zunahm und überdies mit den Stimmen fast aller Parteien das Asylrecht drastisch eingeschränkt wurde.“

Es ist also völlig verfehlt, die „unpolitische Einheitsfeier“ und ihre rechten Pöbler_innen als Gegensätze zu sehen. Nur im Unterschied von vor 26 Jahren organisieren sich die Rechten heute nicht mehr unter dem großen Dach der Allianz für Deutschland mit ihren ultrarechten Flügel, der DSU sondern haben längst eigenständige Ziele und Strukturen

"Kommen Sie gut durch den 3.Oktober"

Für alle Nichtdeutschen, aber auch für Menschen mit deutschen Pass aber ohne patriotischen Anwandlungen gilt der Wunsch, mit dem der Schauspieler Robert Stadlober am Sonntagabend seine Lesung aus dem Romam Ästhetik des Widerstand" im Rahmen des Festiaval "Peter Weiss 100" (http://www.hebbel-am-ufer.de/programm/festivals-und-projekte/2016-2017/peter-weiss-100/ ) im Berliner HAU beendete:

"Kommen Sie gut durch den morgigen Tag". Wenn man den Hass sieht, mit dem der grüne Politiker Matthias Oomen in rechten Netzwerken verfolgt wird, weil er einen Bombenfund aus dem 2. Weltkrieg mit dem Tweet :

#Dresden ist #FliegerbombeDD in den Trends? Das lässt ja hoffen. Do! It! Again!"

kommentierte, erahnt, dass für manche Stadlobers Wünsche für den 3.Oktober lebenswichtig sind.

Peter Nowak

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Geschrieben von

Peter Nowak

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