Die Schöne und das Nazibiest

Ausstellung Noch bis zum 12. Januar wird im Museum der bildenden Künste in Leipzig eines Nazikünstlers gedacht. Widerspruch duldet das Museum nicht

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Eine nackte Frau räkelt sich auf wilden Tieren. Mit solch Motiven wird für eine Ausstellung geworben, die unter dem Titel „Die Schöne und das Biest“ noch bis zum 12. Januar 2014 im Museum der bildenden Künste (MdbK) in Leipzig zu sehen sein wird. Doch ein Protestbündnis forderte die vorzeitige Schließung. Seit der Eröffnung Mitte Oktober reißt die Kritik an der Exposition nicht ab. Zu sehen sind dort Werke von drei Künstlern, die in völlig unterschiedlichen Kontexten arbeiteten. Der US-Popart-Künstler Mel Ramos, der Modemacher Wolfgang Joop sowie der Dresdner Maler und Kunstprofessor Richard Müller sind in Leipzig mit ihren Arbeiten vertreten.

In einer Pressemitteilung des MdbK wird eine „provozierenden Gegenüberstellung der drei Künstler“ beworben. Für antifaschistische Gruppen in der Stadt ist die Ausstellung und ihre Darbietung in der Tat eine Provokation. Sie werfen dem Museum vor, sexistische Kunst gepaart mit Naziästhetik auszustellen. Dabei verweisen sie auf die Frauendarstellungen der Künstler. So kommentiert eine Kritikerin Müllers großformatiges Bild „Weib­li­cher Akt mit Schirm, eine Schild­krö­te ab­weh­rend“ so: „Die­ser Titel wäre lus­tig, wenn man die Ge­schich­te aus­blen­den könn­te. Wesen und nicht nur ein As­pekt die­ser Ge­mäl­de ist der of­fen­kun­di­ge Ver­such, die Frau als ge­fähr­li­che Ver­füh­re­rin zu stig­ma­ti­sie­ren und der phan­ta­sier­ten männ­li­chen Angst vor die­ser in der Be­herr­schung Aus­druck zu ver­lei­hen“.

Otto Dix wurde denunziert

Ein zentraler Kritikpunkt ist der Umgang des Museums mit der Nazivergangenheit von Richard Müller. In dem Pressetext des MdbK heißt es, Müller habe nach 1933 eine „unrühmliche Rolle im Windschatten der nationalsozialistischen Kulturpolitik“ gespielt. So war er maßgeblich an der Vorbereitung der Ausstellung „Entartete Kunst“ im Lichthof des Neuen Rathauses in Leipzig beteiligt, die als Vorläufer der berüchtigten Exposition mit dem gleichen Titel gilt, die 1937 in München gezeigt wurde. Zudem hat sich Müller, der bereits vor 1933 NSDAP-Mitglied war, an der Denunzierung von Künstlern wie Otto Dix beteiligt, die nicht in das NS-Kulturbild passten. Genau um jenen Otto Dix, gab es in den letzten Jahren in seiner Geburtsstadt Gera heftige Diskussionen. Ein aufgeschlossener Teil der Bevölkerung wollte sich auch aus touristischen Gründen, Dix in seiner Geburtsstadt besser würdigen. Sein Geburtshaus wurde rekonstruiert. Doch ein anderer Teil hielt eine solche Ehrung für einen von den Nazis verfolgen Künstler für entbehrlich. Die Stadt habe dafür kein Geld und Touristen würden deswegen auch nicht angelockt, lautete die Begründung. Nach der letzten Kommunalwahl hatte diese Position eine Mehrheit in den städtichen Gremien. So war es auch kein Zufall, als vor einigen Wochen wegen Geldmangel neben vielen anderen städtischen Institutionen auch das Otto-Dix-Haus in Gera für einen Tag nicht zuständig war.

Solche Probleme gibt es in Leipzig nicht. Für den Dix-Denunzianten Richard Müller geht dem MdbK das Geld nicht aus. In der Leipziger Regionalpresse wies der Direktor des MdbK Hans-Werner Schmidt die Kritik an der Ausstellung zurück. Man habe die NS-Vergangenheit Müllers nicht verschwiegen. Doch die gezeigten Bilder seien vor 1933 entstanden, erklärt er in der Leipziger Volkszeitung (LVZ). Das MdbK rechnet es sich als Verdienst an, einen in der DDR Verfemten wieder entdeckt zu haben. In der Pressemittelung des Museums heißt es: „Nach 1945 ließ die Kunst- und Kulturpolitik unter Einfluss von Künstlern und Kulturhistorikern wie Hans Grundig und Fritz Löffler den als „Nazikünstler Verfemten“ in Vergessenheit geraten“. Diese Formulierung stößt bei der Ausstellungskritikerin Monika Schneider auf Unverständnis. „Ausgerechnet der NS-Widerstandskämpfer Hans Grundig, der mehrere Jahre im KZ verbrachte und dessen Werke in der Ausstellung „Entartete Kunst“ zu sehen waren, wird der Vorwurf gemacht, einen NS-Künstler als solchen bezeichnet zu haben“.


Warum nicht die Bilder Müllers markieren?

Schneider wirft dem MdbK vor, auf die Proteste mit der Einschaltung des Sicherheitsdienstes zu reagieren. „Die Securitys stürmten auf uns los, rissen das Transparent nach wenigen Sekunden kaputt, schoben uns weg und begannen, uns rauszuschleifen“, berichtete sie. Auf Nachfragen war das MdbK zu einer telefonischen Stellungnahme nicht bereit. Es gab nur die Bereitschaft, gemeinsam die Bilder der Ausstellung anzusehen. Die Museums-Verantwortlichen haben die NS-Vergangenheit von Müller kurz erwähnt und wollen sich nun mit seinen Bildern völlig wertfrei beschäftigen. Das verweist auch auf die Problematik einer Auseinandersetzung mit NS-Künstler_inen in einer Zeit, wo es nicht mehr darum geht, deren braune Vergangenheit zu enttarnen. Nein, die weren nicht mehr verschwiegen, aber eben als nebensächlich abgetan. Wenn man dann eine Schließung einer solchen Ausstellung fordert, wird man schnell mit dem Vorwurf der Zensur konfrontiert. Daher wäre es an der Zeit, sich künstlerische Interventionen zu überlegen, die während der Ausstellung den Nazikünstler und Denunzianten Müller markieren. Dass könnte mit Transparenten und Plakaten in der Nähe des Museums geschehen. So haben kritische Künstler_innen auf die braunen Quellen der Flick-Connection reagiert. Dass könnte aber durchauch mit einer Markierung der Bilder geschehen. Dort könnte durch eine schnelle Intervention durchaus die braune Biographie des Künstlers eingeschrieben werden. Dann würde sich auch ein Besuch im MdbK wieder lohnen.

Peter Nowak

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Peter Nowak

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