Am vergangenen Samstag hat die Linke in Dresden mit der Verhinderung des Neonaziaufmarsches einen realen und nicht nur, wie beispielsweise bei den Blockaden in Heiligendamm im Jahr 2007, einen symbolischen Erfolg errungen.
Der rechte Aufmarsch in Dresden war in den letzten Jahren der zentrale Termin in ihrer politischen Agenda. Denn viele andere langjährige Aktionen, wie der Rudolf-Hess-Gedenkmarsch, waren durch die antifaschistischen Proteste und die darauf reagierenden staatlichen Maßnahmen nicht mehr durchführbar.
Während in Berlin schon am 8.Mai 2005 ein Bündnis aus Antifaschisten und Zivilgesellschaft einen Neonaziaufmarsch durch Blockaden verhinderte, konnten die Rechten bis zum vergangenen Samstag in Dresden marschieren. Denn die politisch Verantwortlichen hatten bisher mit ihrem Agieren gegen „linke und rechte Extremisten“ in Wirklichkeit den Rechten den Rücken freigehalten. Zudem wird das Anliegen des rechten Aufmarsches, die Dresdner Bevölkerung als wahre Opfer des 2.Weltkrieges zu stilisieren, auch von Teilen der Dresdner Bevölkerung geteilt, die sich nicht öffentlich auf der rechten Demo zeigen würden. Diese Gemengelage hat dazu geführt, dass bisher in Dresden die Antifaschisten als größere Gefahr als die Rechten gesehen wurden. Das war das Klima, in denen die Nazis marschieren konnten und die Linken isoliert waren.
Dass sich in diesem Jahr der Wind gedreht hat, liegtan dem Bündnis zwischen der größten Teil der aktiven antifaschistischen Szene und Teilen der Dresdner Zivilgesellschaft, die sich nicht länger mit symbolischen Aktionen a la Friedensgebeten und Menschenketten begnügen wollten. Diese Aktionen haben den Naziaufmarsch nicht verhindert und das war auch gar nicht ihr Ziel. Die politisch Verantwortlichen von Dresden haben sich noch in der letzten Woche mit demVerbot des rechten Aufmarsches, das juristisch so gehalten war, dass es abgelehnt werden mußte, blamiert. Dass die Rechten nicht marschieren konnten, ist allein den aktiven Gegendemonstranten zu verdanken.
Mit dem Blockadekonzept wurde eine Aktionsform gefunden, auf die sich alle Akteure einigen konnten.Als die Polizei vor mehr als 3 Wochen mit Razzien und der Beschlagnahme von Mobilisierungsmaterialen auf den Blockadeaufruf reagierte, hatte das Bündnis seine entscheidende Bewährungsprobe zu bestehen. Schnell zeigte sich, dass sich aus dem Bündnis niemand distanzierte. Vielmehr war die Bereitschaft nun erst recht den Rechten entgegenzutreten noch gewachsen.
Nur auf dieser Grundlage war der Erfolg vom Samstag möglich. Hätte die Blockade nur aus Antifas und radikalen Linken bestanden, wäre sie wohl von der Polizei geräumt worden. Aber alte Frauen, Menschen mit Gewerkschaftsfahnen und Mandatsträger verschiedener Parteien abzuräumen, damit die Nazis marschieren können, das war für die Staatsapparaten ein zu hoher Preis.
Für die linke Bewegung sollte die Lehre aus Dresden sein, solche Bündnisse für die Durchsetzung ganz konkreter Ziele in Zukunft öfter anzustreben. Das bedeutet nicht, dass die Bündnispartner die Position der Linken akzeptieren müssen. Konkret für Dresden war es nicht nötig, eine einheitliche Meinung über die Sinnhaftigkeit der alliierten Bombardements zu haben, um sich den Nazis entgegen zu stellen.Das bedeutet aber auch nicht, dass die linken Aktivisten in dem Bündnis aufgehen und die Partner nicht mehr kritisieren dürfen.
Gegen jede Totalitarismustheorie
Wie nötig eine inhaltliche Auseinandersetzung ist, zeigte sich noch wenige Tage vor dem Dresdener Aufmarsch. Da erweist sich Christian Demuth von dem zivilgesellschaftlichen Verein „Bürger.Courage e.V.“ als Nachbeter der sächsischen Totalitarismustheorie, die besagt, dass man die Nazis nicht kritisieren kann, ohne sich nicht mindestens genau so vehement von der DDR zu distanzieren.
So behauptet Demuth in einem Interview mit der Taz im Zusammenhang mit der alliierten Bombardierung Dresdens: „ Die DDR hatte die Propaganda aus dem Goebbels-Ministerium im Grunde dankbar aufgenommen, um gegen die angloamerikanischen Imperialisten Stimmung machen zu können.“
Dass die DDR die alliierten Bombardements auf Dresden im kalten Krieg instrumentalisieren ist bekannt und beschämend. Zu behaupten, sie hätte dabei die Goebbels-Propaganda fortgesetzt ist eine Geschichtsfälschung, die man auch bei Personen nicht durchgehen lassen sollte, mit denen man gemeinsam gegen die Nazis auf die Straße geht.
Peter Nowak
Kommentare 10
sehr gut auf den punkt gebracht - danke
Dito.
der dank der dresdner obm an die blockierer steht noch aus, doch derweil melden sich andere zu wort, die die dichotomie der oberbürgermeisterin unterstützen, so der chemnitzer politologe Eckhard [url=http://nachrichten.lvz-online.de/nachrichten/mitteldeutschland/chemnitzer-politologe-kritisiert-blockierer-von-neonazi-aufmarsch/r-mitteldeutschland-a-16174.html]Jesse[/url], der gegenüber dpa u.a. ausführte:
Chemnitz. Die Verhinderung des Dresdner Neonazi- Aufmarsches am Samstag durch tausende Blockierer ist nach Ansicht des Chemnitzer Politologen Eckhard Jesse „eine Niederlage für den Rechtsstaat“. Damit hätten sich die Neonazi-Gegner „über Recht und Gesetz hinweg gesetzt“, sagte Jesse am Montag in Chemnitz. Wenn Gerichte den Rechtsextremen einen Aufmarsch gestatten, müsse dieser gewährt werden.
Jesse geht nicht davon aus, dass die Blockaden auf die Neonazi- Szene eine „abschreckende Wirkung entfalten - im Gegenteil“. Den Rechtsextremen verhelfe auch die vermeintliche Schmach, dass sie erstmals überhaupt in Dresden nicht aufmarschieren konnten, zu einem Gemeinschaftserlebnis: „Ihre Bunkermentalität wird bestätigt.“ Zu erwarten sei deshalb, dass sie in den kommenden Jahren „erst recht“ nichts unversucht lassen werden, in Dresden aufzulaufen. „Der 13. Februar in Dresden ist ein Symbol, das geben sie nicht her.“ Jesse lobte zugleich die friedlichen Demonstranten auf der anderen Elbseite. Dies sei ein würdiges, stilles Gedenken gewesen, zu dem man den Organisatoren um Oberbürgermeisterin Helma Orosz (CDU) nur gratulieren könne. Dass die Menschenkette den Neonazi-Aufmarsch nicht verhindert habe, sei kein Manko: „Sie hat für eine klare Trennung zwischen friedlichen Demonstranten auf der einen und Blockierern auf der anderen Elbseite gesorgt.“
Indes müßte er nur einmal die drei ersten unter dieser nachricht geposteten kommentare anschauen ...
mein firefox-add-on scheint gar nicht zu funktionieren, deshalb hier noch mal der link zum lvz-artikel: nachrichten.lvz-online.de/nachrichten/mitteldeutschland/chemnitzer-politologe-kritisiert-blockierer-von-neonazi-aufmarsch/r-mitteldeutschland-a-16174.html
@kantaufhebend: man pickt sich natürlich zum zitieren raus, und dazu noch aus einem absolut privaten thread bei facebook, was dazu geeignet ist, hier eine person und gleich damit noch die linke zu denunzieren. An einer anderen stelle in der gleichen quelle, nämlich gestern und also aktueller, hat Uwe Schaarschmidt in diesem zusammenhang geäußert: "Ich habe doch nichts gegen ein breites antifaschistisches Bündnis. Das war ja auch da, rund um den Bahnhof Neustadt. Es hätte meinetwegen auch noch breiter sein können. Sich allerdings auf der anderen Elbseite für ein kurzes Geläut an den Händen zu fassen und dann zu behaupten, man habe den Nazis die Stirn geboten, ist einfach lächerlich und angesichts der Rhetorik gegen die Blockierer im Vorfeld des Tages schlicht eine Unverschämtheit." (habe die erlaubnis zum zitieren eingeholt)
Und diesen unmut kann ich ganz gut nachvollziehen, denn nach wie vor hat die obm sich nicht zur blockade positioniert, in der presseerklärung des dresdner rathauses findet sich keinerlei hinweis auf das erfolgreiche agieren der nazigegner auf neustädter seite. Da hat man das gefühl, von der stadt nicht vertreten zu werden.
Mal wieder sehr bösartig: Im TAZ Interview, wenn man es nicht einseitig bösartig interpretiert) steht: "Die DDR hat die Propaganda aus dem Goebbels-Ministerium IM GRUNDE dankbar aufgenommen". D.h. nicht, dass "sie Goebbels-Propaganda betrieben hat" (was natürlich Blödsinn ist), sondern dass sie die hohen Opfer-Zahlen aus dem Goebbels-Ministerium reproduziert habenallerdings nur in den 50er und 60er Jahren.
Siehe folgenden Antifa-Seiten:
dresden1302.noblogs.org/post/2008/11/30/zur-rezeptionsgeschichte-des-13.-februar-1945-in-dresden
209.85.135.132/search?q=cache:KxKJxdJqkMYJ:venceremos.antifa.net/13februar/onlinedoku/moretext.html+DDR+%2213.+Februar%22+%22anglo%22=8=de=clnk=de=firefox-a
Ich finde das immer irritierend, dass diese Tatsache auf linker Seite relativiert wird mit Worten wie (siehe Blog), "es ist beschämend". NEIN. Die DDR hat mit dafür gesorgt (zusammen mit rechtsradikalen Geschichtsdeutungen nach 1990), dass solche Deutungsmuster in Dresden bestehen, wie sie bestehen.
Die Instrumentalisierung der allierten Maßnahmen zur Niederschlagung des NS-Regimes gab es in der Ära des Kalten Krieges in Ost und West. Ein einseitiger Vorwurf an die DDR ist deshalb Unsinn. Im Westen war beispielsweise die Rote Armee bald der Inbegriff des Bösen, verbal und visuell. Die CDU verwendete Plakate über die "Russen", die sich von denen von vor 1945 kaum unterschieden, z.B. das Plakat "Alle Wege führen nach Moskau". Also könnte man auch hier davon sprechen, dass r die NS-Propaganda fortgesetzt wurde. Aber das wäre auch in diesem Fall ein vereinfachtes Bild, wie eben auch im Fall Dresdens und der DDR.
Das Problem bei der DDR-Führung, die ja in den Arbeiten von Heiner Müller thematisiert wurde, bestand darin, dass überwiegend NS-Gegnern an der Spitze einer Bevölkerung gegenüberstand, die zumindest mitgelaufen ist, wenn sie nicht sogar aktiv an den Verbrechen in der NS-Zeit beteiligt war. Um die Bevölkerung zu gewinnen, ging die SED-Führung bald dazu über, diese Tatsache zu vertuschen und nur dem Monopolkapital die Verantwortung für den NS zuzuschreiben. Das war ein großer politischer Fehler. Auch die Haltung zu Dresden resultiert daraus. Hierin besteht das eigentliche Versagen der DDR-Führung.
Aber gerade bei den Opferzahlen gab es keinen Anschluss an die NS-Propaganda. Während die Nazis wie ihre heutige Epigonen von Hunderttausenden Toten sprachen, wurde in der DDR von 35000 Toten gesprochen. Das ist wesentlich näher an den heute von ernstzunehmenden HistorikerInnen vertretenen Zahl von 25000 Toten als an den Nazizahlen, die übrigens auch in Westdeutschland in vielen Medien ungeprüft verbreitet wurden.
Zudem wurde in der DDR immer betont, dass die Zerstörung Dresdens die Folge der NS-Politik war, wo aber eben (siehe oben) nicht die Verantwortung der Bevölkerung thematisiert wurde.
Die Frage, ob Dresden auch bombardiert wurde, weil es in der SBZ liegt, also ob hier praktisch der Kalte Krieg schon begonnen hat, war keine Marotte der DDR-Historie, sondern immer noch Gegenstand von historisch-wissenschaftlichen Kontroversen.
Dazu hat der linke, aber nicht DDR-freundliche Hamburger Historiker Karl-Heinz Roth ebenso gearbeitet wie der nichtkommunistische US-Kulturhistoriker Mike Davis.
Für die politische Beurteilung des Dresden-Zirkus ist das weniger relevant, weil es hier darum geht, dass es die kollektive Nationaltrauer ist, die im Fokus der Kritik stehen sollte und nicht in erster Linie die Frage, ob die Bombardierung sinnvoll waren oder nicht.
Herr Nowak, ist keine Antwort. Nur zu sagen, "Die anderen haben es auch gemacht", ist doch recht billig.
Übrigens entspricht die Antwort nicht den Tatsachen: Der stellvertretende Vorsitzende des Ministerrates der DDR, Hans Loch, klagte im Jahre 1955 die Westalliierten des Mordes an 300.000 Dresdnern an. Und auf dem Schild am Zwinger (gebaut in den 70er Jahren) steht immer noch: "von anglo-amerikanischen Bomberverbänden" bombardiert [wenngleich in der Mehrzahl in offiziellen Reden von 35.000 die rede war, das ist korrekt].
Noch am 13. Februar 1988 (!!!) hat etwa die Zeitung "Junge Welt" Demonstrantinnen und Demonstranten aus der Oppositionsbewegung angegriffen, die in Dresden ein Transparent in die Höhe hielten, auf dem folgendes stand: „Vernichtet nicht die Menschenrechte wie einst Dresden“. Die „Junge Welt“ kommentierte damals: „Und auch das Gedenken an die Bombardierung und die Toten war dieser Handvoll Faulenzer und Vorbestrafter, auf Kosten anderer Lebender und krimineller DDR-Verräter, (…) alles andere als heilig. (…) Wer die Opfer und ihre Erben beleidigt, findet die Verachtung aller hier, die wollen, dass die Steine die letzten bleiben, die uns mahnen“.
GENAU DAS HAT BIS HEUTE DIESEN MYTHOS DRESDEN erhalten!!!!
Überhaupt, wie erklären Sie sich den die Entwicklung des Mythos Dresden, ohne dass er sich in der DDR aufgebaut hätte (oder wenigstens nicht verhindert wurde)? Mythen entstehen als soziale Konstruktionen von Wirklichkeit in Jahrzehnten. Die DDR hat das reproduziert/unterstützt. Wer das leugnet, verteidigt zwar die DDR, eröffnet eine an dieser Stelle eine Pseudodebatte über Totalitarismus, aber es erklärt nicht die Stärke des Mythos - der genau in den letzten Jahren (neben vielen anderen Dingen) die Gegenwehr gegen die Nazis verhindert hat.
Ich erkläre den Dresden-Mythos in dem Fortbestand nationalistischen und völlkischen Denkens in großen Teilen der Bevölkerung, dem aus unterschiedlichen Gründen weder in Ost noch in West entgegengetreten ist. Der Dresden-Mythos der offenen Rechten speist sich vor allem aus Büchern, wie das des britischen David Irving, mittlerweile allgemein als Revisionist bezeichnet, der mit seinem Buch "Der Untergang Dresdens" die Bestsellerlisten füllte und im Westen als seriöser Historiker galt. Der Dresden-Mythos wird von Historikern in neuer Zeit forgesetzt.
Einen guten Beitrag zur Debatte liefert. Martin Blumentritt:
www.comlink.de/cl-hh/m.blumentritt/dresdenl.pdf
Die Nationalkommunisten in der SED hatten insofern durchaus ihren Anteil am Dresden-Mythos, weil sie eben "volksnah" sein wollten und nicht dagegen unternahmen.
Nur in dem Kontext kann eine Kritik an Staat, Nation und auch am Nationalkommunismus sinnvoll geführt werden, ohne in Totalitarismustheorien abzugleiten.
Ach so, dass sind also aufeinmal die "Nationalkommunisten in der SED". Die waren aber
1) eben auch Teil der Führungsriege der DDR.
2) Ist "Volksnahheit" keine Entschuldigung für die negativen Folgen (das könnte ja sonst jeder Populist beanspruchen);
3) Ging es gegen die "anglo-amerikanischen Bomberverbände", um sie im kalten Krieg zu nutzen, wie Sie selbst geschrieben haben.
Es war also mitnichten nur David Irving. Wieder wird damit die Verantwortung der DDR von Ihnen für den Mythos relativiert. Natürlich haben David Irving und Konsorten AUCH eine zentrale Rolle gespielt. Da stimme ich ja zu! Aber die DDR wars eben auch. Sie hat "volksnahe" Stimmungen aufgenommen, um die DDR-Legitimation zu erhöhen (wie Sie auch selbst schreiben) und den amerikanischen Imperialismus zu diskreditieren.
Ich finde es dann schon patholgisch, das nicht zugeben zu können und gleichzeitig solche Aussagen wie meine als quasi rechtsradikal zu diffamieren.