Dunkeldeutschland beim Berliner Lichterfest

Non-Citiziens Berlin Seit 4 Tagen befinden sich 25 Flüchtlinge vor dem Brandenburger Tor im Hungerstreik. Am Samstagabend waren sie der Witterung besonders ausgesetzt

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Dunkeldeutschland beim Berliner Lichterfest

Foto: Sean Gallup/Getty Images

Ein Herbstgewitter tobte am Samstagabend über Berlin. Selbst Schirme schützen kaum gegen die teilweise sturzbachartigen Regenfälle. Rund um das Brandenburger Tor war die Anzahl der Schaulustigen, die sich „Berlin leuchtet“ angucken wollten, wegen der Wetterverhältnisse deutlich kleiner als in den Vorjahren. Manche machten schnell ein Foto und rannten dann zu schützenden Dächern. Diese Möglichkeit hatten die ca. 25 Geflüchteten nicht, die am Pariser Platz seit letzten Freitag erneut in einen Hungerstreik getreten sind. „Non-Citizens sind zurück auf den Straßen“ lautete ihr in deutscher und englischer Sprache ausliegender Aufruf. Wenn er auch wegen des Dauerregens schwer lesbar war, hätte jeder, der es wollte, dort erfahren können, was die Menschen zu ihren Schritt veranlasst hat:

„Wir mussten jene Gebiete verlassen wegen dieser Besetzungen und den Attacken auf die Sicherheit dieser Länder. Um sicher zu sein, waren wir gezwungen, eine neue Region als unseren neuen Wohnort zu nehmen. Aber in diesen sogenannten sicheren Ländern mussten und müssen wir noch immer unsere Leben riskieren, auf Grund von Gesetzen, welche sich gegen die Menschlichkeit und die Menschenrechte stellen – verabschiedet von eben jener Regierung“, heißt es in der Erklärung. Die Non-Citizens erklären, dass sie mit ihren Hungerstreik dem langsamen Sterben in den Lagern ein Ende setzen wollen. Sie fordern die Aufhebung der Ungleichheit, also die Anerkennung ihrer Asylanträge. Das hätten die Schaulustigen erfahren können, wenn sie gewollt hätten. Doch die wenigsten wollten. Ein Großteil tat demonstrativ so, als existierte der Hungerstreik nicht. Andere konnten es sich nicht verkneifen, im Vorbeigehen noch mal als wahre Deutsche zu inszenieren. „Alle abschieben“, oder „für die sollen wir zahlen“, lauteten die Kommentare. Zwei Frauen standen ratlos vor den verpackten Säcken, wo einige Sitzgelegenheiten vor der Nässe geschützt werden sollten und rätselten, warum der Müll nicht vom Pariser Platz abtransportiert wird. Dabei brauchte man nicht zu den nassen Flugblättern zu greifen. Auf den Plakaten am Kopf- und Fußende des Platzes wurde in Deutsch und englisch auf den Hungerstreik hingewiesen. Kaum jemand sprach die Menschen und frage, wie sie es in dem Dauerregen ohne ein Zelt und Dach über den Kopf überhaupt aushalten konnten. Schließlich verbot die Ordnungsbehörde jeden anderen Regenschutz, nur Schirme sind erlaubt. Bereits im Dezember letzten Jahres gingen Bilder um die Welt, die zeigten, wie die Polizei bei Minusgraden vom Hungerstreik geschwächten Geflüchteten, die vor der Kälte schützenden Isomatten unter dem Leib wegzogen. Damals bildete sich bald eine kleine solidarische Öffentlichkeit, die sich mit den Geflüchteten solidarisierte. Am Samstagabend war die auf dem Pariser Platz nicht zu sehen. Wahrscheinlich war der Regen doch zu stark gewesen. Ein Mann aus dem Wedding machte sich Gedanken über die Auswirkungen des Wetters auf den Gesundheitszustand der Hungerstreikenden. Aber nicht um das Wohlergehen der Menschen war er besorgt. Er sinnierte über die Kosten, die ein Krankenhausaufenthalt „uns Steuerzahlern kosten würde, wenn die sich eine Lungenentzündung holten“. Man hörte aus seinen Worten raus, dass er sie auch dann am liebsten medizinisch unversorgt lassen würde. Es war ein Stück aus Dunkeldeutschland, das am Samstagabend anlässlich des Berliner Lichterfestes am Pariser Platz geboten wurde.

Peter Nowak

Infos zum Hungerstreik der Non-Citizens gibt es hier:

http://refugeestruggle.org/de/node/444

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Peter Nowak

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