Ein afrikanischer Blick

Med Hondo Gleich an mehreren Orten in Berlin sind Arbeiten des mauretanischen Regisseurs zu entdecken

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„Absolut nervenraubend, explosiv und atemberaubend ist dieser Film…...atemberaubende Kinominuten warten in Berlin auf alle Anhänger von Thriller.“ So reißerisch und verkürzt wird der Film "Lumiere noire - Black Light" in einen Filmlexikon beworben. Er hatte 1994 in Frankreich Premiere und lief in Deutschland nur in wenigen Kinos. Nicht erwähnt wird dort, dass derin Mauretanien geborene Regisseur Med Hondo zu den Pionieren der afrikanischen Filmkunstgehört,die sich mit Kolonialismus und Rassismus auseinandersetzt. Wie diese Themen in Hondos Arbeiten eingeschrieben sind, zeigt sich in dem Film Lumiere noire. Er ist einerseits ein klassischer Triller, bei dem viel gemordet wird. Gleich zu Beginn kommt es auf dem Pariser Flughafen zu einem Shutdown, ein Mann wird von der Polizei erschossen. Die offizielle Version, dass es sich um Notwehr gehandelt habe, soll mit allen Mitteln aufrechterhalten werden.Staatsbeamte setzen den Freund desToten unterDruck, der offiziellen Version zuzustimmen. Erwill schon klein beigeben, bis ihm seine Frau aufrüttelt, die ihm mit Trennung droht, wenn er die Lügen der Polizei unterstützen sollte. Der Mann stellt fest, dass es weitere Augenzeugendes Schusswechsels gibt. Es sind Flüchtlinge, die auf dem Weg zur Abschiebung die Ereignisse gesehen haben. Aufihrer Suche reist der Mannquer durch Mali, bekommt schließlich auch die Aussage. Aber die staatlichen Institutionen haben längst den Gegenschlag vorbereitet undwerden sich schließlich auf ganzer Linie durchsetzen. Denn am Ende lebt niemand mehr, der die offizielleVersion des Tathergangs am Pariser Flughafen bezweifeln könnten.Insofernist der Film also sehr klassischer Triller.

Der afrikanische Gefangenen-Chor

Doches ist eben ei n besondererafrikanischer Blick in Hondos Filme, der ihn sehenswert macht. Die Aufmerksamkeit liegthier auf dem Pronomen. Es gibt nicht einen afrikanischen Blick, wie es auch keinen europäischen Blick gibt. Doch gerade die afrikanische Kultur wird immer wieder zu vereinheitlichen versucht, was schon wieder ein kolonialistischer Blick ist. Es gibt viele afrikanische Blicke und die von Hondo gehören natürlich dazu. Sehr gut lässt das an den Filmszenen beobachten, wo der europäische Rassismus gegen Schwarze Menschen thematisiert wird. So gibt es eine Szene auf der Fahrt im Bus zur Abschiebung, wo die gefangenen Migranten, es sind ausschließlich Männer,trotz ihrer auf den Rücken gefesseltenHände und Arme, sich mit großer Hingabe im Rhythmus der Musikzu bewegen versuchen und dabei afrikanischeLieder singen. Es ist ein Zeichen von Würde und von Selbstbewusstsein, das diese Menschen selbst im Zustand derRepression ausstrahlen. Mit ihrer Musik zeigen die Gefangenen ihren Wächtern, dass sie sich nicht unterkriegen lassen.

Eine weitere Szene des Films führt in die französischenVorstädte, wo sich Schwarze Menschen mit prekären Jobs über Wasser halten. Dazu gehört die Reinigung vonPlakaten der Pornoindustrie. Da sehen wir einen älteren SchwarzenMann, der sichdie Hände vor die Augen hält, um die nackte Frau auf dem Plakat nicht sehen zu müssen, die er von Staub befreien muss. Kann er den Anblick nicht mit seiner Religion und Kultur vereinbaren? Die Szene erinnert auch an die moderne Form der kolonialistischen Arbeitsteilung, wo Menschen aus dem globalen Süden für Niedriglöhne das Internet von gewaltverherrlichenden und pornografischen Inhalten reinhalten sollen. Sie werden so ungeschützt mit den Ausflüssen der Kulturindustrie des globalen Nordens konfrontiert. Viele solcher Anspielungen finden sich in denn Filmen von Hondo. Noch bis morgen haben Menschen in Berlin und Umgebung die Gelegenheit seine Arbeiten kennenzulernen.

HIer Infos zur Hondo-Retrospektive im Kino Arsenal:

http://www.arsenal-berlin.de/kino-arsenal/programm/einzelansicht/article/6162/2803.html

und hier geht es zum Ausstellungsprogramm, in dem Arbeiten von Hondo gezeigt werden:

AUSSTELLUNG

Cours, cours, camarade, le vieux monde est derrière toi - The Cinema of Med Hondo

Eine Ausstellung von Sebastian Bodirsky and Guy Woueté

Im Rahmen eines gemeinsamen Projekts von Arsenal – Institut für Film und Videokunst e.V., Archive Kabinett, silent green Kulturquartier und SAVVY Contemporary

26. August – 3. September 2017 | täglich 14- 19h (Montags geschlossen)

SAVVY Contemporary | Gerichsstraße 35 | 13347 Berlin

http://savvy-contemporary.com/index.php/exhibitions/cours-coursdt/

Peter Nowak

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Geschrieben von

Peter Nowak

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