Ein anderes Europa ist möglich

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Die Wahlen zum Europäischen Parlament zeigen nur einmal mehr: das ProjektEU ist in einer Sackgasse.Das liegt an den Gründungsfehlern. Die EU war nie mehr als die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft, die sie in den Anfangsjahren noch im Namen trug.Vor 1989 war sie mehr oder weniger Juniorpartner der USA mitdurchaus eigenständigenAmbitionen. Doch in den letzten 20 Jahren wurde sie zu einem eigenen Wirtschaftsraum in Konkurrenz zu den EU.Die Pläne für eine Militärmacht liegen nicht mehr nur in der Schublage sondern sind schon längst in politischer Vorbereitung. Die aktuelle Debatte um die EU dreht sich nur darum, wie dieseWirtschaftsmacht ausgestaltet werden soll.Es ist nicht verwunderlich, dass viele Menschen dabei tatsächlich oder vermeintlich unter die Räderkommen. Der Aufstiegrechter oder rechtspopulistischer Bewegungen und Parteien in Ost- und Westeuropa ist ein Ausdruck von der Unzufriedenheit vieler Menschen mit dem Elitenprojekt EU. Doch die Sehnsucht nach dem alten Nationalstaat ist eine gleichfalls regressive wie hilflose Reaktion.

Eine emanzipatorische Antwort müsste die rhetorische Figur des vereinigten Europas ernst nehmen. Natürlich ist zu begrüßen, wenn die alten Landesgrenzen, genauso wie die alten Währungen verschwinden. Es war kein geringerer als Karl Marx, der im Kommunistischen Manifest die segensreichen Folgen der Globalisierung beschrieben hat. Doch nichteine Wirtschafts- und Militärmacht Europasondern die Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa müsstendas Ziel sein. Dafür traten schon vor mehr als 100 Jahren Sozialisten in verschiedenen Ländern ein.

Für manche wird es wie eine Utopie klingen. Doch natürlich gibt es nicht um die bloße Proklamation eines sozialistischen Europas. Es muss in sozialen Kämpfen aufgebaut werden. Genau hier aber fehlt es noch an allem. Schien es um das Jahr 2001, als würde eine länderübergreifende globalisierungskritischeBewegung entstehen,muss man heute sagen, es war in erster Linie eine große Illusion. Es gab viel Wortgeklingel um die Bewegung der Bewegungen, doch Substanz gab es kaum.

Realistischer wäre eine länderübergreifende Bewegung gegen Prekarisierung, gegenDumpinglöhne und für europäische Arbeiterrechte. Hier ist aber noch viel zu tun.

Dabei agieren dieGewerkschaften durchaus schon auf europäischer Ebene, wie die Sozialwissenschaftlerin Stefanie Hürtgen in ihrer im Dampfboot-Verlag erschienene Studie feststellt. Das hatallerdings nicht zu einer Internationalisierung von Streiks und Klassenkämpfen sondern zu einer Ausweitung der Politik des Co-Managements auf europäischer Ebene beigetragen.

Europäische Betriebsräte gerieren sich eher als Standortlobbyisten, denn als kämpferische gesamteuropäische Aktivisten. Damit liefern sie die Begleitmusik zu dem europäischen Wirtschaftsraum, so wie viele Gewerkschaften auch auf nationalstaatlicher Ebene Standortpolitik betrieben haben.


Von den USA lernen


Eine solche länderübergreifende soziale Bewegung könnte der Baustein für ein ganz anderes Europa sein, das kein Elitenprojekt und keine Festung gegen Menschen aus anderen Kontinenten mehr wäre.

Ein Vorbild dafür gibt es schon, in den USA. Die kriegsbedingte Zwangsvereinigung war ebenfalls ein dem Wirtschaftsinteressen dienendes Elitenprojekt. Doch die politische und soziale Trennung war damit nicht aufgehoben.

Erst die US-Bürgerrechtsbewegung der 60er Jahreschuf eine soziale Bewegung, die von unten her die USA neu gründeten wollten, damit aber auch scheiterten, weil es an einen konsequenten Antikapitalismus gefehlt hat. Auch aus diesen Fehlschlägen sollten wir lernen, wenn es um die Neuschaffung der Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa geht.


Peter Nowak




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Geschrieben von

Peter Nowak

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