Ein Film vom Scheitern einer Beziehung

Die Geträumten Der Briefwechsel zwischen Paul Celan und Ingeborg Bachmann zeigt auch die Schwierigkeit eines Juden nach der Shoah zu überleben.

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Die Erwartungen an den Paris-Besuch waren groß bei der jungen Ingeborg Bachmann. In ihren Briefen an Paul Celan, mit dem sie sich dort treffen wollte, kann die Ungeduld deutlich herausgelesen werden. Mit diesen Briefwechsel in den Jahre 1950 und 1951 beginnt der Film „Die Geträumten“, in dem der Briefwechsel zwischen Celan und Bachmann in dem der Briefwechsel zwischen dem in Paris lebenden Literaten und der aufstrebenden Schriftstellerin, die zwischen Wien, München und Zürich pendelt aus mehr als zwei Jahrzehnten im Mittelpunkt steht? Wie schafft man es, einen Film, in dem hauptsächlich aus Brieffragmenten gelesen werden, so zu gestalten, dass er nicht langweilig wird. Die Regisseurin Ruth Beckmann löst dieses künstlerische Problem sehr überzeugend, in dem die beiden Schauspieler_innen Anja Plaschg und Laurence Rupp, die Bachmann und Celan spielen, immer wieder aus ihrer Rolle heraustreten und über die Briefe reden, sich auch mal manche Formulierungen lustig machen oder darüber nachsinnen, wie sich die Autor_innen gefühlt haben, als sie die Zeilen schrieben. Der Film spielt überwiegend im Aufnahmestudio und am Eingang, wenn beide in der Pause eine Zigarette drehen.

Sie konnten zusammen nicht kommen

Schnell wird deutlich, dass die Beziehung zwischen Bachmann und Celan mehr als fragil ist. Die Erwartungen an den Paris-Besuch scheinen von beiden Seiten so hoch gesteckt, dass nur die Enttäuschung folgen konnte. Zunehmend bestimmen gegenseitige Vorwürfe die Korrespondenz. Als Celan dann den Ring zurückfordert, den er Bachmann geschenkt hat, ist die Entfremdung von beiden deutlich erkennbar. Und es wird auch deutlich, was die beiden auseinandertreibt. Es ist die Unfähigkeit von Ingeborg Bachmann, die in einen NS-Haushalt sozialisiert wurde, sich in die Ängste von Paul Celan reinzuversetzen, dessen Familie in den NS-Vernichtungslagern ermordet worden war. Der erste Kontakt bricht nach wenigen Jahren ab sowohl Bachmann als auch Celan liieren sich mit andere Partner_innen. Doch als sie die beiden nach 8 Jahren auf einer Literaturtagung wieder trafen, ging die Korrespondenz weiter und wieder beginnt schnell die Phase der Entfremdung. Höhepunkt ist ein Hilferuf von Celan, als seine Todesfuge von einem deutlich antisemitischen Ton im Berliner Tagesspiegel verrissen wurde und noch dazugesetzt wurde, dass sich der Autor wegen seiner Herkunft einiges erlauben könne. Während Celan in diesem Pamphlet die Sprache der deutschen Antisemt_innen erkennt und sich von Bachmann Unterstützung und Verständnis erhofft, kommt erst einmal ein Schweigen. Denn Bachmann ist auf einer Literaturtagung und als sie zurückkommt, antwortet sie Celan, er solle sich nicht aufrege, er sei doch berühmt genug, um eine solche Kritik wegzustecken Doch was für Bachmann der Neid auf einen erfolgreichen Literaten ist, bedeutet für Celan den Angriff auf seine ermordete Mutter, der der die Todesfuge gewidmet hat. Der Bruch war nicht mehr zu kitten und die Briefe zwischen beiden werden immer seltener. Immer öfter hat Bachmann auch einen Brief, in dem sie ihre eigene Verletztheit beschreibt, gar nicht abgeschickt.

Der Briefwechsel endet mit Celans Selbstmord 1971. Nur wenige Monate später stirbt Bachmann an schwere Verbrennungen, die sie sich in ihrem Haus in Rom zugezogen hat. Ob es ein Unfall oder Selbstmord war, ist bis heute ungeklärt. Im letzten Brief, den Bachmann vor ihrem Tod scheibt, geht sie auf den Selbstmord von Celan ein und spricht davon, dass er auf Transport ertrunken ist und sie seitdem auch schon gestorben ist. Es scheint, dass Bachmann nach seinen Tod etwas von den Ängsten verstanden hat, mit denen Celan immer leben musste.

Vielleicht hat sie dann auch begriffen, was Celan ihr sagen wollte, wenn er ihr schrieb, dass sie doch eigentlich keinen Grund zur Klage habe. Dier beeindruckende Film lässt erahnen, warum soviel über den deutsch-jüdischen Dialog gesprochen wird, der die Juden schon mal aus Deutschland ausgliedert und warum dieser Dialog so oft scheitert.

Peter Nowak

Die Geträumten:

Österreich 2016, 89 Min., DF/OmeU, DCP, Farbe, Regie: Ruth Beckermann, Kamera: Johannes Hammel, Buch: Ina Hartwig, Ruth Beckermann, Ton: Georg Misch, Schnitt: Dieter Pichler, Casting: Lisa Oláh, Produktionsleitung: Hanne Lassl

http://grandfilm.de/die-getraeumten/

Der Film läuft Mitte Februar 2017auf dem Berlinale Forum:

13.02. 16:45 OmEU Akademie der Künste
14.02. 20:00 OmEU Kino Arsenal 1
16.02. 20:00 OmEU Cubix 9
21.02. 19:00 OmEU Delphi Filmpalast

http://www.arsenal-berlin.de/de/berlinale-forum/programm-forum/hauptprogramm/die-getraeumten.html

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Geschrieben von

Peter Nowak

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