Ein ganzes Universum in 27 Minuten

Redemption Ein Film wirft in 27 Minuten Fragen aus dem Bereich von Kultur, Philosophie und Geschichte auf.

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Der portugiesische Filmemacher Miguel Gomes war 2012 hierzulande zumindest bei Cineasten durch den Film „Tabu – eine Geschichte von Liebe und Schuld“ bekannt geworden, der auf sehr persönliche Art und Weise die portugiesische Kolonialgeschichte zum Thema hat. Mit Redemption hat Gomes jetzt einen Kurzfilm gedreht, den Freund_innen der Filmkunst sehr anempfohlen ist. In Deutschland ist er bisher nur in wenigen Kinos gelaufen, am Mittwoch war er im Kino Arsenal zu sehen. Das Filmhaus am Potsdamer Platz ist eine wichtige Adresse, wenn man Filme jenseits des Mainstreams sehen will. Gomes gelingt es in Redemption in 27 Minuten gleich vier Episoden sehr dicht zu erzählen.

Ohne spezielle Kennzeichnung oder Erklärung begann ein Kind auf Portugiesisch einen Brief vorzulesen, das es seinen in Angola lebenden Eltern geschickt hatte. Das Kind lebt nördlich von Portugal und beklagt sich über das traurige Portugal. Im italienischen Teil gedenkt ein alter Mann seiner Jugendliebe Alessandra gedenkt, die er lange nicht mehr gesehen hat. Dazu sieht man Bilder von der Hinrichtung Mussolinis und seiner engsten Mitarbeiter. Dazu erinnert sich der alte Mann an seine Jugendzeit, als er mit Steinen in der Hand gegen die Faschisten kämpfte und damit auch gegen die Familie seiner Jugendfreundin.

Auch im dritten Teil über Frankreich schreibt der Vater an seine Tochter warum er kein guter Vater sein konnte. Im vierten Teil über Leipzig in den 80er Jahren erinnert sich eine Frau an ihren Hochzeitstag. Sie ist Sozialistin und will die DDR mit aufbauen, verzweifelt aber an der SED-Bürokratie. Gleichzeitig mag sie Wagner-Oper und fragt sich, es sie die DDR damit verrate. Dann kommt sie zu dem Schluss, dass die Revolution tagtäglich durch die Fehler der SED-Bürokraten mehr verraten werde, als durch ihre Wagner-Sympathien. Was für eine Fragestellung? Was für ein Film? In 27 Minuten werden Fragen aufgeworfen, die weit in den Bereich von Philosophie, Geschichte, Politik und Gesellschaft reichen. In einer Zeit, wo es ein Film schon unter Ideologieverdacht steht, wenn sich seine Handlung nicht auf seichte Beziehungsdramen reduzieren lässt, ist Redemption eine künstlerische Revolution. Es bleibt zu hoffen auch gelegentlich in Kinos zu sehen ist und die Aufführung im Arsenal keine Ausnahme war.

Peter Nowak

Die Homepage zum Film:

http://www.komplizenfilm.de/d/redemption.html

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Geschrieben von

Peter Nowak

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