„Things are happening across half of China:
volcanos erupting, rivers drying
Ignored political prisoners and fugitives
Six-tined elks and red-crowned cranes
hunted by ruthless rifles.“
Das ist eine Strophe des Gedichts "Crossing Half of China to Sleep with You" der chinesischen Lyrikerin Yu Xinhua, das über das Internet weltweit Verbreitung gefunden hat. Später wurde es von der Dichterin Ming Di ins Englische übersetzt. Der Berliner Choreograph Christoph Winkler hat nun um das Gedicht eine Performance kreiert, die in der letzten Woche in der Vierten Welt am Kottbuser Tor mehrmals aufgeführt wurde.
Ein ungewöhnlicher Ort für künstlerische Darbietungen, aber sehr empfehlenswert. Er liegt mitten im Leben und schon mal muss ein zu laut mit seinem Endgerät kommunizierender Anwohner zur Ruhe gerufen werden, weil die Stimme in den Raum schallt. Aber ein solcher Ort ist auf jeden wesentlich besser geeignet, als die vielen kulturellen Orte, in die garantiert keine Alltagsgeräusche die festliche Stimmung beeinflussen. So ungewöhnlich wie der Ort ist auch die knapp einstündige künstlerische Darbietung des Tänzers Naishi Wang, Der gesamte Raum ist seine Bühne, so dass das Publikum den Platz öfter wechseln muss, um dem Geschehen folgen. Es ist eine harte Körperarbeit, die Naishi Wang da vorführt, er windet sich , geht in die Knie, manchmal scheinen seine Hände gefesselt, er ringt mit sich, er windet sich und am Ende sitzt er wie abgekämpft an einer Wand. Manchmal hat man den Eindruck, da kämpft einer um sein Leben. Zunächst bleibt die Darbietung ohne Geräusche, was die Konzentration auf Wang und seine Pantomime konzentriert. Doch nach ca. 30 Minuten werden Geräusche eingesetzt, Schläge auf eine große Scheibe, die an einer Wand aufgehängt ist, sorgen für eine besondere Tonlage, die sich auch auf die Pantomime überträgt.
Sie schrieb um ihr Leben
Winkler ging es nun nicht nur darum, das Gericht in eine Pantomime zu übertragen. Er will dort auch den Prozess der Übersetzung mit einarbeiten, die er für ihn immer ein Scheitern ist. Und dann ist da noch die ganz persönliche Note, die Biographie von Yu Xinhua, der Dichterin. Nach Abbruch der Schule hat sie als Bäuerin gelebt und gearbeitet. Nach einer gescheiterten Ehe bleibt sie mit einen Kind allein zurück. Yu Xinhua schreibt Gedichte, um nicht an den Erlebnissen zugrunde zu gehen. So könnte man bei ihr sagen, sie schreibt um ihr Leben. Diesen existentiellen Druck konnte die Pantomime gut vermitteln.
Peter Nowak
Zum Gedicht Crossing Half of China to Sleep with You:
https://sesamepoetry.wordpress.com/2015/07/18/crossing-half-of-china-to-sleep-with-you/
Zur Aufführung in der Vierten Welt:
http://www.viertewelt.de/archiv/2016_17/crossing_half_of_china.html
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