Ein Riff sagt mehr als 1000 Worte

Heavy-Psych-Fest 2019 Es ist den Veranstaltern mit dem „Heavy-Psych“–Label gelungen, ein musikalisches Spektrum abzudecken, das die verschiedensten Geschmäcker progressiver Rocksounds trifft

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Giöbia
Giöbia
Foto: Presseabteilung des Heavy-Psych-Festivals

André de Vos

Mit donnernden Soundwellen von der italienischen Heavyrockband „1782“ endete am Samstagabend in Berlin im „Bi Nuu“ der zweite Tag des „Heavy-Psych-Fest“, das am 6.12. in Berlin in der „Zukunft am Ostkreuz“ begann und insgesamt 11 Bands beherbergte. Parallel über Kreuz spielten darüber hinaus in Dresden in der „Chemiefabrik“ die Gruppen aus europäischen Ländern wie Griechenland, Dänemark, England, Deutschland und vor allem Italien. Gemäß der Klangphilosophie des römischen „Heavy-Psych-Records“ – Labels bestand ein Abend aus einer Abfolge an unterschiedlichsten Rockbands zum Beispiel von Stoner über Psychedelia bis Doom. Die 700 Zuschauer an beiden Abenden in den Berliner Clubs erhielten so auf diese Weise einen guten Überblick, was heutzutage an Heavysounds - grundsätzlich unterhalb von Metal - so angesagt ist. Das konnte eher monotoner und repetitiver Riffrock wie bei den schwedischen „Monolord“ sein, verspielter psychedelisch-grooviger Spacerock mit Bouzouki-Klängen bei „Giöbia“ oder am Freitagabend zum Schluss rollende Stonerrock-Brecher der griechischen „Planet Of Zeus“, die sich mittlerweile schon ein treues Publikum erspielt haben, so dass ihre Landsleute da geballt in den ersten zwei Reihen auftauchten, mitsangen und abfeierten. Mit „Alunah“ und „Dead Witches“ sind zwei Gruppen mit Frontfrauen dabei, die jeweils wie verführerische Priesterinnen mit Tanz und Gestik ihr Publikum in den hypnotischen Sound zwischen Doom und Hardrock hineinzogen. Leichtfüßigere Klänge zwischen Sixties, Westcoast und mit etwas John Lennon-Flair versprühten „The Sonic Dawn“ aus Dänemark, die sich ein „1969 für immer“ zurückwünschten, ohne einem Hippie-Dasein der alten Zeit frönen zu wollen. Diese Zeit, die eine Aufbruchsstimmung einer ganzen Generation verkörperte, hat auch heute noch nicht seinen Einfluss auf jüngere Musiker mit den ganzen unterschiedlichen Musikfeldern eingebüßt, die sich damals entwickelten.

Auch relativ locker, aber schnell und rockig sind „Wedge“ aus Berlin am Freitag, die auch schon eine neue Platte ankündigten. Aber so schnell wie sie aufbauten, waren sie auch nach einer halben Stunde wieder von der Bühne. Und wie sich ekstatischer Hardrock mit einer unübersehbaren Rifffolge anhört und anfühlt, das bewies die dreiköpfige Combo „Gorilla“ aus England, die mit ihrem Sänger und Gitarristen Johnny Gorilla jemanden in ihren Reihen hat, der obendrein auch noch wie Lemmy klingt. Während die italienischen „Black Rainbows“ volltönend und spacig klangen, war ihr Gesang doch zu weit zurückgemischt, war verwaschen, was der Stimmung aber keinen Abbruch tat. Vom Volumen und Power her gesehen, sind die beiden italienischen Bands „Tons“ und „1782“ hervorstechend, machte erstere schon mit Wucht, Schwere und Aggressivität ihrem Namen alle Ehre, während letztere als Headliner des zweiten Abends die wildeste Version darstellte, was es in der heutigen „Post-Black-Sabbath-Ära“ zu hören gibt. Ein dröhnender Bass, ein splitterndes Riffgewitter aus zwei Boxentürmen rechts und links auf der Bühne sowie ein explodierendes Schlagzeug sorgten dafür, dass kein Zentimeter des Veranstaltungsortes am Samstag erschütterungsfrei blieb. Der Gesang ist live überdreht wie bei Ted Nugent und fast unverständlich, und es soll sich bei einem Lied um „Einsamkeit, Abhängen und ‚Rauchen’“ handeln, so Sänger Marco Nieddu. Aber egal, ein Riff sagt mehr als 1000 Worte. Die Abende zeigten, dass es das „Heavy-Psych“ – Label geschafft hat, ein musikalisches Spektrum abzudecken, das die verschiedensten Geschmäcker progressiver Rocksounds trifft und dabei den Stand der aktuellen musikalischen Entwicklung umfassend dokumentiert.

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Geschrieben von

Peter Nowak

lesender arbeiter

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