Er sang nicht die Lieder der Macht

Michael Panser Der Potsdamer Antifaschist schloss sich der kurdischen Guerilla an und starb am 14.12.2018 bei einen türkischen Bombenangriff. Wir haben zwei Dokumente aus seinen Leben.

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

„Erinnern ist ein aktiver Prozess – es ist ein Kampf gegen das Vergessen, denn Erinnern lässt unsere Freundinnen und Freunde lebendig bleiben“

aus dem Video in Memoriam Michael Panser

Durch Zufall bin ich vor einigen Tagen auf ein Video über die Gedenkveranstaltung von Michael Panser gestoßen. Dabei entdeckte ich, dass ich Panser bei einer Veranstaltung vor mehr als als 10 Jahren begegnet bin. Ich schaute mir das Video über sein knapp dreißigjährigen Lebens mehrmals an. Manches in der pathetischen Wortwahl schienen mir zunächst befremdlich, machten mich aber auch neugierig."Er ließ das Gewand der Moderne wie selbstverständlich für immer zurück, sobald er sich ihrer Täuschung bewusst war.“ Was war wohl mit der Moderne gemeint, ein anderer Begriff für Kapitalismus? Antworten auf diese Fragen gab ein fast 30 minütiges Referat, das der dort als Historiker angekündigte Michael Panser zum Thema „Macht und Wahrheit – das Verständnis bei Öcalan und Foucault“ referiert. Er hielt den Input um Rahmen der Konferenz „Die kapitalistische Moderne herausfordern II“, die vom 3. - 5 April 2015 an der Universität Hamburg stattfand. Schon der Titel gibt einen Hinweis auf den Modernebegriff, der hier verwendet wird. Panser gelang es, einen Link zwischen der Theorie von Foucault und der von Öcalan ausgearbeiteten kommunalistischen Theorie herzustellen und auch so vorzutragen, dass sie Menschen, die davon wenig gehört haben, neugierig macht. Mich hat sein Vortrag auf jeden Fall beeindruckt, nicht weil ich mit allen einverstanden bin.. Doch man merkte, dass hier jemand referierte, der sich in die Thematik eingearbeitet hat und vorallem, Panser trug seine Thesen nicht im Gestus des Wahrheitsverkünders vor. Man merkte, dass er sich mit der zapatistischen Theorie und deren Motto „Fragend gehen wir voran“ nicht nur theoretisch beschäftigt hat.

Foucault, Öcalan und die Frage der Macht

Gern hatte ich ihn gefragt, ob ihn tatsächlich der Marxismus nur in einer so starren Form begegnet ist, dass er die These vertrat, der hätte so feste Begriffe, dass man damit die Welt nicht mehr erklären kann. Das liegt wohl eher an denjenigen, die Marx-Schriften noch immer wie eine Bibel behandeln, ganz im Gegensatz übrigens zu Marx, der bekundete, kein Marxist zu sein. Sehr anregend war Pansers Vergleich der Machtbegriffe bei Foucault und Öcalan. Mir scheint, dass die Betonung, dass Macht nicht das Böse ist, das den Menschen immer gegenübersteht, vor allem eine Kritik an einen bestimmen anarchistischen Machtverständnis bedeutet. Mit kommunistischen Vorstellungen scheint mir der von Panser vorgetragene Machtbegriff hingegen durchaus kompatibel. Auch die Bolschewiki sahen schließlich in der proletarischen Macht eine Möglichkeit zu handeln und betonten, dass es eben nicht reicht, die alte Macht zu stürzen. Man die Möglichkeit haben, wieder zurückkehren. Mich hätte interessiert, wie Panser diesen Zusammenhang gesehen hat.

Hatte er noch Gelegenheit, sein profundes Wissen, das in dem komprimierten Referat deutlich wird, weiterzuentwickeln? Doch reine Wissensvermittlung war nicht sein Ziel. Panser hat auch in dem Referat deutlich gemacht, dass es ihm um eine Theorie der Befreiung ging. Theorie war für ihn ein Teil der revolutionären Praxis, da gab es für ihn keine Trennung. Heute wissen wir, dass Michael Panser sich zwei Jahre, nach dem er das Referat an Hamburger Universtität gehalten hatte, der kurdischen Guerilla angeschlossen hat.

Wie ein Mythos kreiert wird

Es empfiehlt sich, Pansers Referat neben dem Gedenkvideo anzuhören. Denn in Letzteren geht es natürlich auch um das Kreieren eines Mythos, was ist gar nicht als Kritik zu verstehen. Es geht darum, disparaten Ereignissen einen Sinn zu geben. Konkret heißt dass, es wurden mit Foto, Musik und Ton ein Bild von Michael Panser gezeichnet, der mit 14 Jahren begann, sich in linken und antifaschistischen Initiativen zu organisieren, sich von früher Jugend mit politischer Theorie beschäftigte, dem ein immenser Lesehunger und eine große Diskussionsbereitschaft bescheinigt wird. Seine Suche nach einer Theorie und Praxis der Befreiung hatte mit dem Anschluss an den kurdischen Befreiungskampf ein Ende gefunden, so könnte man die Aussgabe das Video interpretieren. Dazu sind die Bilder auch optisch so ausgewählt, dass ein jugendlicher, suchender Genosse in den letzten Lebensjahren an Entschlossenheit und Stärke gewonnen hat. Doch, da bleibt eine Leerstelle. Gab es keine Enttäuschungen und Niederlagen in Pansers politischen Leben, keine Zeit des Zweifelns? Gab es nicht vielleicht auch Enttäuschungen über die politischen Zusammenhänge, in denen er über Jahre aktiv war, die ihn bewogen haben, den Schritt zur kurdischen Guerilla zu gehen? Es gab in vor in der Zeit von Panser Politisierung in Potsdam Kämpfe um den Erhalt von linken Jugendclubs wie dem Spartacus, zahlreiche Hausbesetzungen und Räumungen, sowie eine längere Prozessserie gegen Antifazusammenhänge in der Stadt. War er in diesen Kämpfen aktiv und organisierte sich auch am Arbeitsplatz bzw. im Studium? Auffällig ist, dass man über Pansers Leben jenseits der Politik gar nichts erfährt. In seinen Referat gibt es eine kurze Stelle, wo Panser seine Enttäuschung über die Art der Wissensvermittlung an deutschen Universitäten zum Ausdruck bringt und dabei ausdrücklich auf seine eigenen Erfahrungen an der Hochschule verweist. Die Studierenden wollen lernen, aber nicht so wie in den kapitalistischen Hochschulen der Gegenwart, betonte er. Kurze Zeit später erklärt er im Referat, dass ihm am kurdischen Befreiungskampf weniger die Ökonomie fasziniert, von der er ehrlich sagt, dass sie noch wenige sozialistische Elemente enthält. In der Art, wie in der kurdischen Bewegung der Kanon des Wissens verändert wird, sieht er hingegen eine wesentliche Spur, die die kurdische Revolution hinterlassen könnte. Das ist eine sehr voraussetzungsvolle These, die ein tiefes Verständnis sowohl von Foucault als auch von Öcalan voraussetzt. Was hat er damit gemeint? Das ist eine der Fragen, auf die es vielleicht keine Antwort mehr geben wird. Oder vielleicht doch? Die Freund*innen und Genoss*innen von Michael Panser haben im letzten Jahr in dem Video angekündigt, dass sie seine nachgelassenen Texte und Schriften auswerten wollen. Da sei noch Einiges von ihn zu hören, wurde angekündigt. Darf man vielleicht noch ein Buch erwarten, in dem einige seiner Gedanken und Überlegungen schriftlich niedergelegt sind? Ich würde es lesen wollen. Das Video, mehr noch das kompakte Referat, haben mich neugierig gemacht. Sie zeigten mir einen Militanten, für den revolutionäre Theorie und Praxis keine Gegensätze waren. Im Gegensatz zu vielen anderen linken Intellektuellen, die diesen Anspruch auch haben, bemühte sich Panser allerdings auch, in die Vermittlung der Theorie, die Praxis immer mit einzubeziehen. Ich kenne wenige, denen das gelungen ist.

Kampf um die Erinnerung

Ich hatte schon formuliert, dass ich zu Manchen, der im Video getätigten Äußerungen viele Fragen habe. Sehr treffend fand ich aber die Formulierung, dass Erinnern ein lebendiger Prozess und ein stetiger Kampf gegen das Vergessen notwendig ist. Gerade in der Zeit des digitalen Kapitalismus, wo die Menschen täglich von einen Müll an Belanglosigkeiten förmlich überschwemmt werden, gilt das umso mehr. Der Tod von Michael Panser, der sowieso nur eine kleine Öffentlichkeit erreichte, rückt dann noch weiter weg. An seinen Kampf zu erinnern ist dann tatsächlich auch ein Teil des Widerstands in einer Gesellschaft, die alles zu Ware und Event machen will. Es ist natürlich in erster Linie der Kampf der Menschen, die Michael Panser als gekannt haben. Aber auch Menschen, die sich wie ich, nur an eine kurze aber tiefe Diskussion mit ihm erinnern, können einen kleinen Teil dazu beitragen, dass sein Kampf nicht vergessen wird. Aber auch Menschen, die Michael Panser nie gekannt haben, die sich aber durch sein Leben, beeindrucken lassen und Fragen stellen, können ein Teil gegen das Vergessen sein. Das wird von den Staatsapparaten sehr wohl als Bedrohung gesehen. Ein Artikel in der Lokalzeitung Potsdamer Neueste Nachrichten (PNN) nach der Gedenkveranstaltung für Michael Panser im Dezember 2019 machte das deutlich. Der Verfassungsschutz warnte, dass angeblich naive junge Leute dazu motiviert werden könnten, ihr Leben sinnlos in Gefahr zu bringen. Da merkt man die Angst, dass Menschen sehen, wie sinnlos sie täglich ihr Leben wegwerfen für kurzfristige Events, Vergnügungen, Zerstreuungen, weil sie es nicht mehr aushalten in einer Welt, in die Produktivkräfte ein schönes Leben für Alle garantieren würden, während gleichzeitig die Verelendung immer mehr wächst, nicht nur am materialen Gebiet, sondern vor allem auch durch die immense Zerstörung widerständiger Milieus und Subjektivität, der gerade im digitalen Kapitalismus zugenommen hat. Das geschieht oft nicht durch direkte Repression. Die Zerstörung der proletarischen Milieus als Antwort auf die Arbeiter*innenkämpfe seit der 1970er Jahre ist nur ein Beispiel.

Er sang nicht das Hohelied der Offenen Gesellschaft

Es ist die Antwort des Kapitals, nicht der einzelnen Kapitalist*innenm auf die zunehmende Arbeiter*innenautonomie. Der Kapitalismus hätte endgültig gesiegt, wenn es ihm gelänge ,eine Welt zu kreieren, in der diese Arbeiter*innenautonomie vernichtet ist. Das Projekt des Faschismus richtete sich gegen einen Gedenken, der seit dem Roten Oktober und der Rätebewegung der 1918er Jahre in der Welt war, dass in es keine Herren und keine Knechte mehr geben soll. Heute soll mit dem ideologischen Konzept der Offenen Gesellschaft grundsätzliches revolutionäres oder nur antagonistisches Denken auf der Welt getilgt werden. Die Suche nach einer Alternative zum Spätkapitalismus soll als verrückt, absonderlich angesehen werden.. Die Staatsapparate arbeiten zunächst mit Ideologie, mit einem gigantischen Dauerbeschuss von kapitalistischer Propaganda, der wir 24 Stunden im Tag ausgesetzt sind. Dass hört sich zunächst zivil und freundlich an, doch im Hintergrund haben die Staatsapparate der Offenen Gesellschaft noch immer ihre Panzer, Kanonen, ihre Gefängnisse und als neue Intervention ihre Killerdrohnen, wenn die Propaganda der Brew New World nicht zieht. Waren es solche Drohnen, die auch Michael Panser und seine Genoss*innen in den kurdischen Bergen aufspürten, damit sie sie auslöchen konnten. Die Ideologie der Offenen Gesellschaft zielt auf die Geschichte der Kämpfe der Unterdrückten. Sie sollen gelöscht und zerstört werden. Es soll gar keine Vorstellung mehr geben von einer Geschichte, die von Menschen kollektiv gemacht wird. Die Ideologie der Offenen Gesellschaft kennt nur das Momentum und keine Geschichte. Es dar natürlich auch mal protestiert werden, wenn es nur darum geht, die Staatsapparate noch moderner, noch innovativer zu machen. Bekannte Figuren des Protestes können dann gerne kooptiert werden, wie es beispielsweise bei der Occupy-Bewegung geschehen ist. So will sich der Kapitalismus noch unverwundbarer machen. Was aber in der Offenen Gesellschaft eliminiert werden soll, ist die Vorstellung, dass Menschen ihre Geschichte selber machen, dass sie aus Kämpfen und Niederlagen lernen, sich weiterentwickeln und ihre Konsequenzen ziehen. Im Gedenkvideo wird an einer Stelle gesagt, Michael Panser zeigte, dass Menschen ihre eigene Geschichte machen können. Es ein ganz wichtiger Gedabje. Michael Panser, der unter den Kampfnamen Xelîl Viyan gestorben ist, sang nicht das Hohe Lied der Macht und der Offenen Gesellschaft, wie es heute auch mehr und mehr (Ex)Linke tun. Wenn sie nicht so laut, die Verteidigung der Offenen Gesellschaft sängen, würden sie die Kanonen hören, die sie auf die Armen und Unterdrückten der Welt richten. Daher ist es so wichtig, an seinen Kampf zu Erinnern. Dieser Beitrag soll ein kleiner Beitrag dazu sein.

Peter Nowak

Link zum Erinnerungsvideo an Michael Panser von seinen Freund*innen und Genoss*innen:

https://internationalistcommune.com/in-gedenken-an-michael-panser/#

Referat von Michael Panser zum Thema Foucault und Öcalan

https://michel-foucault.com/2015/05/29/michael-panser-foucault-und-ocalan-2015/

Er hat es gehalten im Rahmen der Konferenz "Die Kapitalistische Moderne herausfordern", der Anfang April 2015 an der Hamburger Universität stattfand

(http://www.networkaq.net/2015/2015/CallForPapers_DE.pdf)

und

(https://komun-academy.com/de/2020/04/27/macht-und-wahrheit-machtanalytik-und-nomadisches-denken-als-fragmente-einer-philosophie-der-befreiung/)

Die Redebeiträge der Konferenz sind in dem Buch "Die kapitalistische Moderne herausfordern II" veröffentlicht, das hier als pdf runtergeladen werden kann.

In dem Buch "Das freie Leben aufbauen", das im Herbst 2019 im Unrast-Verlag erschienen istm setzen sich linke Theoretiker*innen aus verschiedenen Ländern, darunter Michael Panser, mit der kommunalistischen Theorie von Abdullah Öcalan auseinander.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Peter Nowak

lesender arbeiter

Avatar

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden