Es geht um die Abschaffung der Menschen

andcompany&Co. Warum ein Lektüreabend dieses Performancetrios beim Heiner Müller Festival im Berliner HAU Verständnis für das Unsichtbare Komitee weckt.

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„Was jetzt passiert, ist die totale Besetzung der Gegenwart“. Hört sich irgendwie schrecklich intellektuell an ist aber irgendwie auch banal. Ein echter Müller eben. Es ist eines der vielen Zitate, die über vor 20 Jahren verstorbenen Allround-Künstler Heiner Müller im Umlauf sind. Zurzeit finden sie sich in Berlin auf vielen Plakaten, Sie werben für ein Heiner Müller Festival, das noch bis Mitte März im Theater für Gegenwartskunst Hebbel am Ufer in Berlin über die Bühne geht. Es ist die neueste Drehung der Müller-Maschine, die immer wieder befeuert wird durch die vielen Zitate zu allem und jeden, die Müller im Laufe seines Lebens rausgehauen hat. Es sind eine Art Kalenderweisheiten für das liberale Bürger_innentum. Sie hören sich oft intellektuell an, sind aber doch in der Regel banal, wie das Eingangszitat.

Auf dem Müller-Festival kann man stundenlang solchen Müller-Zitaten lauschen. Eine ganze Telefonanlage ist dort installiert, wo ein Schauspieler nur so um die Wette müllert. Dass ganze ist interaktiv. Der Hörer kann wählen, ob er Müller zu Themen der Kunst, der Ökonomie oder der Technik hören will. Dann kann er auch noch ab die Null und die Eins drücken, wenn einer Aussage zustimmt oder sie ablehnt. Dem entsprechend variieren die Müller-Zitate. Diese Telefonanlage ist eigentlich eine passende Präsentation der Müller-Maschine. Er wird so zu dem Gebrauchskünstler, der Sinnsprüche für alle Gelegenheiten produzierte. So hat natürlich Müller auch noch die Entwicklungen im Bereich der IT-Technologien mitbekommen. Dass er kein Romantiker und Technikfeind war, kann man sich denken und so findet sich auch ein Spruch, der sinngemäß erklärt, dass relevante Kultur sich der modernsten Technik bedienen muss.

Wenn die Technik die Menschen überflüssig macht

Daran knüpft das Theatertrio andcompany&Co. mit seiner 45minütigen Perfomance „Müller in Metropolis“ an. Eine leicht derangiert wirkende Müller-Figur thront auf den Tisch, den Alexander Karschnia , Nicola Nord und Sascha Sulimma, die das Trio bilden während der Vorstellung nicht verlassen. Auf der Leinwand ist dann das Bild des realen Heiner Müller als Cyborg zu sehen. Sonst dient Müller als Zitatenspender. Zudem wird sein Todesjahr verbunden mit dem Jahr, als das Internet zum Massenprodukt geworden war. Daraus hat das Trio einen informativen und unterhaltsamen Dialog über die Überflüssigkeit des Menschen im Zeitalter der intelligenten Maschinen gemacht. Auch gesellschaftskritische Sentenzen sind in dem Stück erhalten. „Europa gegen den Rest den Welt“, heißt es da. Und dass sich vor der Tür die Anarchie des Weltmarkts abspielt kann als Kommentar zur aktuellen Migrant_innenenbewegung verstanden werden. Auszüge aus dem Film Metropolis werden gezeigt eingeblendet und plötzlich sind wir beim Burning Man-Festival, das Freizeitvergnügen der IT-Elite samt Anhang. Mit diesen Charaktermasken des modernen, Kapitalismus, der sich aus dem Geist der 68er Bewegung speist, beschäftigt sich andcompany&Co. nicht nur in diesem Stück. Sie berichten über die Bewegung der Transhumanist_innen, die durchaus mehr als eine Sekte innerhalb des modernen Kapitalismus sind. Ihnen geht es um nicht weniger als die Abschaffung der Menschen, weil sie nicht für die Kapitalakkumulation überflüssig geworden sind. Lassen wir uns von deren esoterischen Phrasen nicht täuschen. Diese Bewegung der Transhumanist_innen ist eine zeitgenössische faschistische Bewegung, die eine Ausmerzung der Überflüssigen auf der Höhe der Zeit plant. Und sie wird unterstützt und gefördert von Kapitalist_innen wie Raymund Kurzwell und Al.

Leerstelle Widerstand

Eine Leerstelle bleibt, Kann der Klassenkampf im Marx*schen Sinne dieser neuen kapitalistischen Elite und ihren Projekten Grenzen setzen? Aber muss gegen eine kapitalistische Elite, die sogar die Überflüssigkeit der Menschen planen, nicht mit ganz anderen Mitteln gekämpft werden? Das Unsichtbare Komitee hat in ihren Schriften wie "Der kommende Aufstand" Vorschläge gemacht, die Ströme, die diesen ganzen neuen Kapitalismus am Laufen hält zum stocken zu bringen. Klar ist, wenn die Internetverbindungen sowie die Energieströme rund um den Globus unterbrochen würden, säße diese neue kapitalistische Elite im wahrsten Sinne im Dunkeln und wäre isoliert und abgekoppelt. Nach dem Lektüreabend mit andcompany&Co. wächst das Verständnis für eine solche Notbremsung in den Lauf der Geschichte, bevor Kurzwell und Co mit ihren Plänen der Abschaffung der Menschen im Interesse des Kapitalis Ernst machen.

Peter Nowak

Link zum Heiner Müller Festival.

http://www.hebbel-am-ufer.de/programm/spielplan/andcompany-co-mueller-in-metropolis/

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Geschrieben von

Peter Nowak

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