Geschichten aus K.

Land ohne Worte Nach Aufführungen auf allen Kontinenten gab es in der letzten Woche eine deutschsprachige Neuinszenierung - ein künstlerisches Statement zur Weltlage.

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Eine Frau berichtet, wie sie in K., einer Stadt in Asien von einem Vater mit einem kleinen Mädchen regelrecht verfolgt wird und Angstzustände bekommt. Dabei sind die beiden nicht etwa aggressiv. Doch sie umkreisen die Frau und als das Mädchen dem Schleier von ihren Gesicht zieht, sieht sie ein vernarbtes von einer Brandwunde entstelltes Gesicht. Besonders gespenstisch ist die Szene, in der das Mädchen die Finger zu ihren Mund führt, in dem kein einziger Zahn zu finden ist.

Was für eine Sprache? Man kann sogar im temporären Kunstquartier Mica in der Neuköllner Sonnenallee 145. Noch bis Mitte April werden in dem ehemaligen Wohnhaus neben dem Neuköllner Heimathafen Theateraufführungen gegeben. Vom 27. bis 29. März wurde dort die Neuinszenierung von Dea Lohers „Land ohne Worte“ in einer Inszenierung von Lydia Ziemke gespielt. In dem 70mininütgen Monolog hat es eine Künstlerin nach Kabul verschlagen, wo sie im Auftrag einer Stiftung den Autochthonen die Vorzüge der westlichen Kunst beibringen will. Doch in K., wie die Stadt fortan genannt wird, beginnt die Frau an der zivilisatorischen Eigenschaft der Kunst zu zweifeln. Die Bilder über den Alltag des Lebens der Menschen in K. lassen wenig Raum für eine Kunstbetrachtung.

Mark Rothko als Prototyp des depressiven Künstlers

Dafür sinniert die Künstlerin über den Maler Mark Rothko nach, den Prototyp des depressiven Künstlers, der sich mit 67 Jahren in seinem Atelier erschoss.

Die Inszenierung entstand in Edinburgh und London und ist seit dem durch all Kontinente getourt. In Berlin lagen auf einen Informationstisch Schriften von Adopt the Revolution über die syrische Revolution vor ihrer Islamisierung. So wurde so deutlich, dass K. auch Damaskus der Kigali sein kann oder eine andere Stadt, die durch die krisenhafte Entwicklung kurzzeitig in den medialen Fokus gerückt werden.

Ein wichtiger Schlüsseltext zum Verständnis des Stückes ist die zehnseitige Rede (http://city-of-peace.de/fileadmin/www/dat/07ku/brechtpreis/pdf/Brecht_Rede_Dea_Loher.PDF), die Deal 2006 bei der Verleihung des Berthold Brecht Preises in Augsburg gehalten hat und an den Wänden des Theterraums platziert war. . Dort ging sie auf die Verstörung ein, die ein Theaterkurs in Kabul auf sie ausübte, den sie im Auftrag des Goethe-Instituts mit afghanischen Studierenden machte. „Die Afghanistanerfahrung ist deshalb so radikal für mich, weil einerseits die wirkliche Wirklichkeit so übermächtig war, sie ließ keine Form von fiktionaler Literatur zu – was meine Aufgabe gewesen wäre -, und weil anderseits der Sinnverlust so grundsätzlich war, dass er jede Form des Schreibens vernichtete, auch den Versuch „nur“ berichten zu wollen. Es ist, ich kann es nicht anders beschreiben, eine Sinnlosigkeit, die auch in Worte eindringt, und sie bedeutungsleer zurücklässt.“

Wenn eine verschleierte Frau an eine Katze im Sack erinnert

Es ist aber nicht nur eine künstlerische Leerstelle, die hier angesprochen. Es geht auch um die Frage, ob und wie die Kunst des Westens in Ländern wie Afghanistan verstanden wird. Studierende verwahren sich gegen ausländische Einmischung durch den Theater-Workshop. In einem der Sprachbilder des Stücks geht es um eine verschleierte Frau, die bei der Künstlerin Assoziationen an eine Katze im Sack auslöste. So geht es in dem Stück auch um den europäischen Blick und die Entwertung des Lebens von Millionen Menschen im globalen Süden.

Peter Nowak

Link zu dem Stück:

http://heyevent.de/event/1430359513923310/land-ohne-worte-dea-loher-berliner-wiederaufnahme-auf-deutsch-berlin-premiere-in-german

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Peter Nowak

lesender arbeiter

Avatar

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden