Gewerkschaften und Militär

Malte Meyer Der Politikwissenschaftler legt eine materialreiche Studie über das Verhältnis der großen Gewerkschaften in Deutschland zum Militär vor

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

»Friedenspolitik war in vergangenen Jahrzehnten für die Gewerkschaftsbewegung ein zentrales Anliegen«, behauptete der Vorsitzende der Linkspartei Bernd Riexinger Anfang März in einem Interview mit der Tageszeitung junge Welt. Damit steht der linke Sozialdemokrat nicht allein. In großen Teilen des friedensbewegten Reformismus wird die These, dass Gewerkschaften in Deutschland Teil antimilitaristisch sind, wie ein Mantra. Oft versucht man gar nicht erst, die These mit Fakten zu. belegen. Malte Meyer hat in seinem in der Edition Assemblage herausgebenen Buch mit dem bezeichnenten Artikel "Lieber tot als rot" die historischen Fakten untersucht und kommt zu einem Ergebnis, dass Riexinger und Co. so gar nicht gefallen wird.

Meyer untersucht das Verhältnis der großen Gewerkschaften (ADGB in der Weimarer Republik und DGB in der BRD) in Deutschland zum Militär in den letzten 100 Jahren. Ihre Integration in den Staatsapparat und die Übernahme der Staatsraison, wozu der Antikommunismus gehört, seien der Grund dafür gewesen, dass diese Gewerkschaften die Armee vollständig akzeptierten, so die These des Autors. In der noch immer gültigen gemeinsamen Erklärung von DGB und Bundeswehr aus dem Jahr 1981 bezeichnen sich beide als unverzichtbare Säulen des Staates. Es ging eben nicht nur um die Verteidigung von Arbeitsplätzen in der Rüstungsindustrie, was linke Gewerkschafter_innen gerne anführen, betont Meyer. In einem Interview spricht Meyer die eigentlichen Grund dafür an, dass die großen Gewerkschaften in Deutschland seit mehr als 100 Jahren im Zweifel auf Seiten des Militärs stehen. "Ich sehe ihn in der Integration der sozialdemokratisch dominierten Einheitsgewerkschaften in den Apparat des kapitalistischen Staates. Damit haben sie auch dessen antikommunistische Staatsräson übernommen. Und sie akzeptierten den systemerhaltenden Charakter des Militärs." Die Gewerkschaften wollen mit ihren Bekenntnis zum Militär also immer auch deutlich machen, dass sie auch vollständig in den kapitalistischen Staat integriert sind und ihm auch alle Instrumente geben wollen, mit dem er sich verteidigt. Hier wäre ein Exkurs zum Verhältnis des DGB zur Polizei und deren Gewerkschaft angebracht. Seit Jahren fordern linke Gewerkschafter_innen "Polizeigewerkschaft raus dem DGB". Schließlich könnte ja die Situation entstehen, dass die "Polizeikolleg_Innen" gegen streikende Gewerkschafter_innen eingesetzt werden. In den letzten Monaten hat sich die Polizeigewerkschaft auch immer wieder eingemischt, wenn andere DGB-Gewerkschaften bzw. ihre Jugendorganisationen Antifabündnisse eingingen bzw. die Polizeigewalt beim G20-Gipfel kritisierten. Befeuert von rechten Internetseiten hat die Polizeigewerkschaft dann gefordert, solchen linken Treiben in Gewerkschaftsräumen Einhalt zu gebieten und mit Austritt aus dem DGB gedroht. Linke Gewerkschafter_innen erklärten, dann soll die Polizeigewerkschaft doch den DGB verlassen. Doch der DGB-Vorstand wird alles tun, um das zu verhindern. So, wie gute Beziehungen zum Militär ist auch die Kooperation mit der Polizei für den DGB ein Zeichen für die Intergration mit dem bürgerlichen Staat. So kann man den Ansatz von Malte Meyer also noch ausweiten.

Kritik auch an linken Gewerkschafter_innen

Auch an der kommunistischen Strömung kritisiert er einen Geist von Disziplin und Unterordnung, der historisch oft ein Einfallstor für Militarismus war. Meyer tritt für eine bessere Kooperation der kleinen antimilitaristischen Szene ein und bezieht sich auf die vor allem in Deutschland minoritäre antiautoritäre Strömung in der Arbeiterbewegung. Dabei spricht sich Meyer nicht gegen eine Zusammenarbeit mit den DGB-Gewerkschften aus. Aber er gibt zu bedenken: "Wer mit DGB-Gewerkschaften kooperiert, sollte nicht der Illusion aufsitzen, diese Gewerkschaften großartig nach links drängen zu können. Dazu haben sie sich viel zu eindeutig als Ordnungsfaktor positioniert. Antimilitaristische Energie scheint mir bei einer gewitzten Aktion gegen die Bundeswehr deshalb besser aufgehoben als in Bemühungen um eine Friedensresolution auf einem Gewerkschaftstag. Mit seinem Buch liefert er dazu wichtige historisch unterfütterte Argumente.

Peter Nowak


Malte Meyer: Lieber tot als rot, Gewerkschaften und Militär in Deutschland seit 1914. Edition Assemblage, Münster 2017, 335 Seiten, 19,80 EUR.

Veranstaltungshinweis zum Buch:

Diskussion mit Malte Meyer: Lieber tot als rot

Dienstag, 24. April 19:00 – 21:00
Baiz
Schönhauser Allee 26a, 10435 Berlin

https://www.rosalux.de/en/event/es_detail/news_38518/lieber-tot-als-rot/

Link. zum Buch:

https://www.edition-assemblage.de/lieber-tot-als-rot/

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Peter Nowak

lesender arbeiter

Avatar

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden