Greif zur Feder, Genossin

Ina Wudtke Die Berliner Künstlerin widmet sich der Bewegung der Arbeiterschriftsteller*innen und besonders Brechts Ko-Autorin Margarete Steffin

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Mit dem Schlagwort von den Goldenen 20er Jahren wird ein liberales Bild von der Weimarer Republik aufgebaut, das die individuelle Freiheit einer kleinen Mittelschicht in den Großstädten in den Mittelpunkt stellt. Der proletarische Blick hingegen richtet das Augenmerk auf die Freiheiten, die sich damals vor allem der linke Flügel der Arbeiter*innenbewegung kollektiv erstritt. Dazu gehört der Kampf um die Bildung und Kultur, von der die arbeitenden Menschen vorher weitgehend ausgeschlossen waren. Das ist seit Jahren das Thema der Künstlerin Ina Wudtke, die sich der Ausstellung „Greif zur Feder“ in der Berliner Galerie Futura mit der Bewegung Arbeiterschriftsteller*innen auseinandersetzte. Wie die Arbeiterfotograf*innen, denen das Berliner Bröhan-Museum eine interessante Ausstellung unter dem Titel "Der proletarische Blick" widmete, wollten auch die Arbeiterschriftsteller*innen das Leben der Proletarier*innen zeigen, indem sie notierten, was sie an ihren Arbeitsstellen oder ihren oft beengten Wohnungen erlebten.

Brechts Koautorin

Ina Wudtke befasste sich bereits sich in früheren Arbeiten mit Margarete Steffin, die auch biographisch diesen Prozess der Selbstermächtigung durch die Aneignung der Kunst verkörperte. Sie verdiente als ungelernte Arbeiterin bei AEG in Berlin ihren Lebensunterhalt. Mittlerweile ist in der Literaturwissenschaft Steffins Rolle als Koautorin vieler wichtiger Romane von Bertold Brecht unstrittig. Während seines dänischen Exil sei Steffin „zur Stimme der Arbeiter im Werk von Brecht“ geworden, sagt Wudtke. So habe sie für das Werk „Furcht und Elend des Dritten Reiches“ Materialen über das Leben der arbeitenden Bevölkerung im Nationalsozialismus gesammelt. Doch Steffins Name wird bisher lediglich im Innenteil der Bücher genannt. Darauf zielte Wudtke mit ihrem Kunstprojekt „Vorschlag für eine zukünftige Ausgabe“ in der Ausstellung Greif zur Feder, Genosse. Auf einen Holztisch platziert sie die Cover mehrerer Bücher im Stil der Suhrkamp-Ausgaben. Doch neben Brecht ist dort Margarete Steffin als Koautorin aufgeführt. Wäre es nicht an der Zeit, dass alle künftigten Auflagen dieser Bücher die Autor*innennamen Margarete Steffin/Bertold Brecht tragen?


Peter Nowak

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Peter Nowak

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