Initiatve lehnte aus Protest Preis ab

Extremismustheorie Der Antifaschistische Ratschlag Thüringen verzichtet auf Preisgeld und gibt damit einer Diskussion neue Impulse

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Elf Projekte sollten am Donnerstagnachmittag im Rathaus von Chemnitz für ihr zivilgesellschaftliches Engagement ausgezeichnet werden. Ausgewählt wurden sie im bundesweiten Wettbewerb „Aktiv für Demokratie und Toleranz“. Doch eine der ausgezeichneten Initiativen sorgte bei der Preisverleihung für eine Überraschung. Das Bündnis „Antifaschistischer und Antirassistischer Ratschlag Thüringen “ begründete in einer kurzen Erklärung, warum es den Preis von 4000 Euro nicht annimmt.

„Einen Preis, der unter dem politischen Kampfbegriff Extremismus vergeben wird, können wir deshalb nicht annehmen.“, begründete eine Sprecherin des Ratschlags die Entscheidung. Wer im Extremismus das Problem sehe, könne die Ursachen für Ausgrenzung in der Mehrheitsgesellschaft nicht in den Blick nehmen. Bereits 2010 hatte das AkuBIZ in Pirna die Annahme des sächsischen Demokratiepreises abgelehnt, weil er mit der Extremismusklausel verknüpft war (http://www.heise.de/tp/blogs/8/148729). Damals war der Preis mit der Akzeptierung einer Klausel verbunden gewesen, in der sich nicht nur die ausgezeichnete Gruppe sondern auch deren Bündnispartner von jeglicher “extremistischer Tätigkeiten enthalten sollten. Bei der Preisverleihung am Donnerstag stand eine solche Klausel nicht zur Debatte.

Der Antifaschistische Ratschlag ist ein Bündnis von mehr als 30 thüringischen Vereinen, Antifagruppen und Einzelpersonen, die sich seit 22 Jahren in dem Bundesland gegen Neonazismus, Antisemitismus aber auch Alltagsrassismus engagiert. „Wehret den Zuständen“, lautete das Motto des Ratschlags in Jena im Jahr2000. Für die Aktivisten ist dieser Slogan noch heute aktuell. “Eine Einteilung in engagierte Bürgerinnen und Bürger einerseits und 'gefährliche Linksextremisten' andererseits lehnen wir ab“, begründete ein Aktivist des Ratschlags. Er erinnert daran, dass die Arbeit des Ratschlags noch vor einigen Jahren vom Verfassungsschutz beobachtet wurde und auf Druck der Behörden eine Schule aus Treffpunkt verweigert wurde. Einer der langjährigen Aktivisten des Antifaschistischen Ratschlages war der Thüringer Vorsitzende der Gewerkschaft HBV Angelo Lucifero. Neonazis des Thüringischen Heimatschutzes, darunter V-Leute des Verfassungsschutzes, organisierten eine verdeckte Kampagne zur Diskreditierung des engagierten Gewerkschafters (http://jungle-world.com/artikel/2012/37/46227.html).

Keine Berührungsängste zur Rechten

Damals war Helmut Roewer Präsident des Thüringischen Verfassungsschutzes. Er gehörte in den letzten Jahren zu den Referenten des Veldensteiner Kreises, einer Gesprächsrunde des Dresdner Hannah-Ahrendt-Instituts für Totalitarismusforschung in Dresden. Stellvertretender Leiter ist der Politikwissenschaftler Uwe Backes, der am Donnerstag die Preise übergeben hat. Das war für den antifaschistischen Ratschlag ein weiterer Grund für die Ablehnung. „Die Preisübergabe durch einen der einflussreichsten Propagandisten der Extremismustheorie ist für uns nicht akzeptabel“, heißt es in der Erklärung. Backes habe zu Exponenten der Neuen Rechten keine Berührungsängste, erklärte der Ratschlag-Aktivist. So komme im Jahrbuch des HAIT unter Anderem Hans-Hellmuth Knütter zu Wort, der sich den Kampf gegen Links (http://www.links-enttarnt.net/?link=startseite) verschrieben hat und ist nach Recherche des Magazins Panorama in Organisationen der Ultrarechten aktiv ist. Der Ratschlag kritisiert zu dem, dass das HAIT auch die Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus in gute und schlechte Demokraten einteile. So habe ein HAIT-Mitarbeiter unterstützt von Backes dem Hitler-Attentäter Georg Elser den gesellschaftlichen Durchblick für seine Aktion abgesprochen.

„Diffamierung antifaschistischer Gruppen stoppen“

Mit der Preisverweigerung hat der antifaschistische Ratschlag den Protest gegen die Extremismustheorien ieder aufgenommen, der von der Leipziger Initiative „Gegen jeden Extremismusbegriff“ (http://inex.blogsport.de/) vor einigen Jahren begonnen wurde. Die Aktivisten haben es damit geschafft, eine politische Diskussion auszulösen die bis heute anhält. Nicht nur in Thüringen wurde dieser Tage gegen die Extremismusklausel protestiert. In München hat ein Bündnis von zivilgesellschaftlichen Gruppen bis hin zu Jusopolitikern eine Erklärung verfasst, die sich gegen die Diffamierung antifaschistischer Politik im bayerischen Verfassungsschutzbericht ausspricht. (http://nsuprozess.blogsport.de/). Die Unterzeichner nehmen den Beginn des NSU-Prozesses zum Anlass, um zu erklären:

„Das Konzept des „Extremismus“ ist nicht nur wissenschaftlich höchst umstritten, es ist auch politisch brandgefährlich, da es antifaschistisches Engagement mit den Taten von Neonazis gleichsetzt“.

Peter Nowak

Die Erklärung des antifaschistischen und antirassistischen Ratschlags zur Preisablehnung findet sich hier:

http://www.ratschlag-thueringen.de/

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Geschrieben von

Peter Nowak

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