Internet ist kein Wonderland

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Der Film zur aktuellen Freitag-Debatte ist letzte Woche angelaufen


Da ist im aktuellen Freitag schondas Web 2.0 das Wochenthema und dann wird mit keinem Wort ein Film erwähnt, der die Möglichkeiten und die Grenzen des Netzaktivismus zum Thema hat. Es handelt sich um den in der letzten Woche angelaufenen Film 8.Wonderland.

Die Handlung ist schnell erzählt. Einige Menschen treffen sich in der virtuellen Welt, um zunächst auf humorvolle Art gegen die Ungerechtigkeiten aller Art zu kämpfen.Da werden Kondomautomatenim Vatikan aufgestellt oder durch eine Dolmetscherin die Atomgespräche führender Politiker aus dem Iran und Russland ad absurdum geführt. Hier wirkt der Film wie eine Art „Die fetten Jahre sind vorbei“ auf die virtuelle Welt übertragen. Wie in den „fetten Jahren“ wird auch in „8.Wonderland“ aus Spaß schnell Ernst. Die kreative Dolmetscherin wird in der realen Welt verfolgt und muss untertauchen und spätestens als ein Profifußballer von den virtuellen Weltverbesseren entführt wird und ganz real inden Sweatshops der weltweiten Elendsregionen Fußballschuhe zu den dortigen Bedingungen produzieren muss, wird den Zuschauer verdeutlicht, auch in der virtuellen Sphäre verändern eine Spaßaktionen nicht die Verhältnisse. Je mehr aber die Aktivisten diese für sie bittere Erkenntnis begreifen und in ihrem Handeln auch darauf reagieren, desto mehr geraten sie ins Visier sämtlicher Repressionsapparate des Ancien Regimes, die dabei die virtuelle Welt auch mustergültig zu nutzen wissen.

Der falsche Sprecher

Ein Höhepunkt der Aufstandsbekämpfung in 8.Wonderland ist die Etablierung eines Mannes, der sich als Sprecher der Bewegung ausgibt, die keinen Chef hat. Für Uneingeweihte aber wirkt die Inszenierung echt und der V-Mann sorgt für Verwirrung unter den Netzaktivisten. Einige ziehen sich frustriert zurück, andere müssen vor der drohenden Verfolgung untertauchen. Die Engagiertesten hingegen haben mittlerweile kapiert, dass eine radikale Weltveränderung auch via Internet kein Deckchenstricken ist und ziehen bei ihren Aktionen die nötigen Konsequenzen. Das aber ist, so die Message des Filmes, ganz böse. Hier ist 8.Wonderland am Schwächsten, weil er nur die herrschenden Vorurteile wiederkäut, dass politische Aktionen solange zu akzeptieren sind, wie sie Spaß machen und niemand wehtun und dann oft auch g folgenlos sind. Wehe aber, Revolutionäre lassen sich nicht auf den Spaßfaktor reduzieren, schon werden sie enthumanisiert und das oft noch über Jahrhunderte zurück, wie bei den Jakobinern in der französischen Revolution.

Dass der Film diese Vorurteile bedient, ist tatsächlich sein größtes Manko. Dafür verbreitet er am Ende eine Art Prinzip Hoffnung, nachdem das virtuelle Wunderland von den sehr realen Repression vernichtet worden war. Irgendwie wird es schon weitergehen und das Wonderland ist nicht zerstörbar, heißt die Botschaft, die alle zerschlagenen und untergegangenen Bewegungen gerne verbreiten. Wer aber den Film mit kritischen Blick und politischen Bewusstsein betrachtet, wird eine andere Botschaft mitnehmen. Widerstand in der virtuellen Welt ist gerade kein Wunderland sondern bracht genau wie in der realen Welt Bewusstsein, Vertrauen, einen langen Atem. Und er kann nur ein Hilfsmittel sein, für den Kampf in der realen Welt und keinesfalls ein Ersatz. Damit sind wir mittendrin in der Web.2.0-Debatte des aktuellen Freitag, deren Redaktion den Filmstart wohl verpennt hat.


Peter Nowak

"8. Wonderland". Buch u. Regie: Nicolas Alberny und Jean Mach. Mit Matthew Géczy, Eloissa Florez u. a. Frankreich 2008, 94 Min, der Filmist Mitte August angelaufen und läuft in zahlreichen Städten, siehe: www.8thwonderland.com/.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Peter Nowak

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